Der Trend geht nun wieder in diese Richtung, sagt Sophie Reiter, Sprecherin des Tierschutz Austria im Gespräch mit dem KURIER. "Vergangenen Winter wurden besonders Schlangen, Geckos oder andere Tiere, die in Terrarien leben, bei uns abgegeben.“ Energieintensive Wärmelampen, die die empfindlichen Tiere zum Überleben brauchen und deutlich gestiegene Stromkosten passen eben nicht so gut zusammen.
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"Was wir aber mittlerweile merken ist, dass zunehmend Tiere ausgesetzt werden, die mit sehr vielen gesundheitlichen Problemen kämpfen – was natürlich auch mit hohen Tierarztkosten einhergeht“, sagt Reiter.
Ein aktuelles Beispiel: Das französische Bulldoggenpaar Joe und Tyson, die in diesem Jahr von ihren Besitzern in sehr schlechtem Zustand abgegeben wurden. Die Tierarztkosten seien für die Halter nicht mehr zu stemmen gewesen. "Zwei Wochen, nachdem sie abgegeben wurden, mussten wir sie operieren lassen, weil sie sich wegen ihrer durch die Qualzucht verkürzten Nasen permanent übergeben mussten.“ Mit gutem Ausgang: Die Operation war erfolgreich, beide warten aktuell noch auf ein neues Zuhause.
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Reiters Appell an Tierbesitzer: "Bedenken Sie, bevor Sie ein Haustier aufnehmen: Es ist viel Arbeit und es ist eine Verpflichtung über die gesamte Lebensdauer des Tieres. Bei Hunden können das, je nach Rasse, bis zu 15 Jahre sein, bei Katzen bis zu zwanzig.“ Was dann wiederum etwa Katzen, die mit Nierenproblemen abgegeben werden und auf teures Spezialfutter, oder herzkranke Hunde, die lebenslang auf Medikamente angewiesen sind, schwerer vermittelbar macht. Es ist nun einmal eine Verpflichtung, die ins Geld und besonders in Zeiten einer Rezession an die finanzielle Substanz gehen kann.
Aufgehört bei 20.000 Euro
Das weiß auch die selbstständig tätige Niki Osl: "Ich habe letztes Jahr bei 20.000 Euro zu zählen aufgehört. Mein Hund hatte zwei Bandscheibenvorfälle und meine Katze benötigte eine Zahn-OP. Ich finde es wirklich schlimm, wenn man in die Lage kommt, sich von seinem Tier trennen zu müssen, weil man das Geld nicht aufbringen kann. Aber bei solchen Summen kommen viele an ihre Grenzen. Auch ich habe für die Gesundheit meiner Tiere dann auf einiges verzichtet.“ Doch nicht nur Behandlung und Pflege kranker Haustiere belasten das Geldbörsel. Auch die tägliche Versorgung wird für viele zu einem immer größeren Problem.
Das kann Roland Brandtner, Gründungs- und Vorstandsmitglied des gemeinnützigen Vereins Futterbox Österreich bestätigen. Als Sozialtafel für Haustiere bietet dieser armutsgefährdeten Tierhalterinnen und -haltern in St. Pölten, Wien, Graz und Krems regelmäßige Tierfutterausgaben. „Tatsächlich können wir seit Längerem eine gesteigerte Nachfrage nach unserem Angebot beobachten“, erzählt Brandtner. Parallel dazu seien leider auch die Spendeneingänge im Vergleich zu den Vorjahren stark zurückgegangen – bei gleichzeitig deutlich gestiegenen Kosten.
Sparen an sich selbst
"Man muss in diesem Zusammenhang besonders hervor streichen: Gerade beim Tierfutter sind die Preissteigerungen enorm. Dies führt dann dazu, dass sowohl der Bedarf an Einrichtungen wie der unseren als auch unsere eigenen Ausgaben spürbar gestiegen sind.“ Ob es nun die "Stammkunden“ sind, die zu den Futterausgaben kommen – großteils ältere oder chronisch kranke Personen, die nicht mehr am Erwerbsleben teilnehmen (können) – oder Jüngere, die unverhofft ihren Job verloren haben, alleinerziehende Mütter oder Väter – eines haben die Tierhalterinnen und -halter bei aller Vielfalt gemein, erzählt Brandtner über die oft berührenden Begegnungen: "Häufig sparen die betroffenen Menschen bei der eigenen Versorgung, um es den geliebten Tieren an nichts fehlen zu lassen.“
Denn gerade in prekären Lebenssituationen gewinnt, so der Experte, die Tier-Mensch-Beziehung eine zentrale haltgebende Bedeutung.
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