Fünf Millionen sind geimpft, aber letztes Drittel wird zäh
Wenn alles nach Plan läuft, wird am Freitag beim Impfen die nächste Schallmauer durchbrochen: Fünf Millionen Österreicher werden dann zumindest die erste Dosis erhalten haben. Gleichzeitig zeigen die bundesweiten Daten: Die Zahl der Erstimpfungen pro Tag geht seit Mai stetig zurück (siehe Grafik), obwohl längst noch nicht alle eine erhalten haben und obwohl eigentlich genug Impfstoff zur Verfügung steht.
Den Wiener Impf-Experten Herwig Kollaritsch überrascht das nicht: „Es ist klar, dass wir langsam die Phase der Sättigung erreichen, wenn es um die Impfwilligen geht.“
Rechne man die Teil-, und Vollgeimpften sowie die Genesenen zusammen, komme man laut dem Arzt auf eine „ganz gute“ Durchimpfungsrate. „Sie ist allerdings nicht gut genug, um für die Delta-Variante des Virus ausreichend gerüstet zu sein“, warnt Kollaritsch.
Umso wichtiger sei es, sich Strategien zu überlegen, um möglichst vielen Menschen das Impfen noch schmackhaft zu machen. Dies könnten zum Beispiel Belohnungen sein. Damit hätten andere Länder gute Erfahrungen gemacht. „Die beste Möglichkeit ist aber, das Impfen so niederschwellig wie möglich anzubieten. Es sollte so einfach sein wie der Kauf einer Wurstsemmel im Supermarkt“, sagt der Mediziner.
Run auf Pop-Up-Impfzentren
Impfen im Vorbeigehen
Einige Bundesländer sind dieser Empfehlung schon gefolgt und bieten Impfungen ohne Voranmeldung an. Zuletzt beispielsweise in Wien, wo ein Impfcontainer am Eingang zum Filmfestival am Rathausplatz aufgestellt wurde. Prompt bildeten sich davor lange Schlangen.
„Damit erreichen wir die Wankelmütigen“, sagt ein Sprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Eine zweite Box eröffnet am Samstag auf der Donauinsel gegenüber dem Schulschiff. Sie ist Montag bis Freitag 14 bis 22 Uhr geöffnet, Samstag und Sonntag von 11 bis 22 Uhr. Verimpft wird für über 18-Jährige der Impfstoff von Johnson & Johnson.
Im Gegensatz zu anderen Bundesländern sei man in Wien noch nicht in der heiklen Situation, dass mehr Kapazitäten als Impfwillige vorhanden sind. „Deshalb sind wir auch noch nicht in der Lage, die Impfintervalle zu verkürzen“, sagt der Sprecher. Der noch relativ hohen Impfbereitschaft in Wien sei es geschuldet, dass man zuletzt die rote Laterne bei der Durchimpfungsrate abgegeben und Salzburg und Oberösterreich überholt habe (siehe Grafik).
Anders die Situation in Kärnten, wo das Angebot an Impfstoff bereits seit einigen Wochen die Nachfrage übersteigt. Zusätzliche Anreize soll eine Impfkampagne schaffen, die besonders auf die 20- bis 44-Jährigen zugeschnitten ist. Diese Gruppe hat in Kärnten die niedrigste Durchimpfungsrate. Noch im Juli solle es dann ein weiteres Impfwochenende geben, für das keine Anmeldung erforderlich ist.
Spezielle Angebote für Impfverweigerer sind in Niederösterreich nicht vorgesehen. „Bei uns beginnt jetzt die zweite heiße Phase“, sagt Stefan Spielbichler von 144 Notruf NÖ. In den kommenden Wochen werden in NÖ vor allem Zweitimpfungen durchgeführt, 22.000 Menschen sind das etwa pro Tag. Impfstoff würde aufgrund der hohen Frequenz derzeit fast keiner übrigen bleiben.
Groß ist die Impfbereitschaft auch im Burgenland, was sich daran zeige, dass bis in den August hinein Impftermine gebucht, heißt es bei den Landesbehörden.
Zweitstich-Boykott
Zuletzt gab es immer wieder Wahrnehmungen, wonach Menschen aus den verschiedensten Gründen auf die Zweitimpfung verzichten würden. Der Rundruf in den Bundesländern kann dies jedoch nicht bestätigen.
Experte Kollaritsch warnt eindringlich davor, sich nach der ersten Teilimpfung in falsche Sicherheit zu wiegen. Mit dem Auftreten der Delta-Variante sei es nicht mehr zutreffend, dass bereits 22 Tage nach der ersten Injektion ein hoher Impfschutz vorhanden sei. „Er liegt nur bei einem Drittel“, rechnet der Experte vor. „Erst mit der zweiten Impfung geht er auf 80 Prozent hinauf.“
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