Haben Sie vor, den Prozess zu besuchen?
Melanie P.: Ja.
Florian Höllwarth fällt der Mutter ins Wort: Auf keinen Fall. Das wird ein riesiges Medienschauspiel. Das dürft ihr euch nicht antun.
Apropos Medien: Das Interesse an diesem Fall war gewaltig. Wie war das für Sie?
Melanie P.: Widerwärtig.
Warum sitzen wir heute hier?
Melanie P.: Schlimm war, dass plötzlich Journalisten-Horden vor der Haustür standen.
Öhlböck: Es gibt in solchen Fällen keine Alternative. Wir versuchen, das zu kanalisieren.
Melanie P.: Uns ist wichtig, dass Leonie ins richtige Licht gerückt wird. Sie war keine 13-jährige Drogenabhängige. Sie war ein ganz normales Mädl wie Tausende andere auch. Und was Leonie passiert ist, kann auch anderen passieren. Das ist unsere Botschaft.
Wie behalten Sie Leonie in Erinnerung?
Als Sonnenschein. Sehr straight. Sie fehlt jeden Tag. Ich habe zehn Monate lang gewartet, dass die Gartentür aufgeht und sie reinkommt. Sie hätte „Hi!“ gesagt und das Victory-Zeichen gezeigt.
Was empfinden Sie für die Beschuldigten?
Melanie P.: Verachtung und Hass. Sie haben mir mein Kind genommen und meine Familie umgebracht. Wir sind seelisch alle kaputt. Ich habe erkannt, dass dieses Loch immer bleiben wird. Ich muss lernen, damit umzugehen. Leonie war wunderbar. Sie ist nicht darauf zu reduzieren, was am 26. Juni passiert ist. Aber ich werde mich immer fragen, warum sie damals in diese Wohnung gegangen ist.
Bei den Beschuldigten handelt es sich um Afghanen. Im vergangenen September haben Ihre Anwälte Änderungen im Asylsystem gefordert. Gab es Resonanz?
Hannes W. zeigt ein Foto auf seinem Handy: Der damalige Kanzler Sebastian Kurz hat uns eingeladen und sich eine Stunde Zeit genommen.
Höllwarth: Wir haben auch einen Termin im Innenministerium gehabt. Das Justizministerium haben wir kontaktiert. Aber nie eine Antwort bekommen.
Öhlböck: Sexuelle Gewalt an Frauen, auch in Zusammenhang mit anderen Kulturkreisen, ist ein strukturelles Problem. Wir brauchen hier dringend Lösungen.
Hintergrund zum Fall Leonie: DNA-Spuren von drei Männern gesichert
Es sind Bilder aus einer Überwachungskamera in der U-Bahnstation Kagran, die Leonie in der Nacht zum 26. Juni 2021 das letzte Mal lebend zeigen. Sie ist an diesem Abend von drei Männern umringt. Es handelt sich um Ali-Sena H. (laut eigenen Angaben 16 Jahre) alias „Ramish“, Ibraulhaq A. alias „Haji“ (18) und Zubaidullah R. alias „Zubai“ (23).
Gegen 2.15 Uhr fuhr Leonie mit ihren afghanischen Begleitern in Hajis Wohnung in der Erzherzog-Karl-Straße in Wien-Donaustadt. Dort wurde das Mädchen mit Ecstasy-Tabletten gefügig gemacht. Ein weiterer Verdächtiger soll die Drogen gebracht haben.
Was dann in der Wohnung passierte, darüber gehen die Schilderungen der Beschuldigten auseinander. Zunächst schoben sie die Schuld dem zwischenzeitlich untergetauchten Zubai zu. Er habe dem Mädchen die Tabletten gegeben, es gepackt und ausgezogen. Als Leonie keine Lebenszeichen mehr zeigte, wurde sie auf einem Grünstreifen abgelegt.
Nach der Tat tauchte Zubai in London unter. Erst kürzlich wurde er nach Österreich ausgeliefert. Aktuell befindet er sich, wie auch zwei weitere Beschuldigte, in Untersuchungshaft.
DNA-Gutachten belasten drei der vier Verdächtigen schwer. Ihre Spuren wurden am Körper und an der Kleidung von Leonie gefunden. Gestorben ist die 13-Jährige an den Folgen einer Suchtmittel-Vergiftung. Leonie war erstickt.
In ihren Einvernahmen zeigten sich die Beschuldigten kalt: „Sie ist selber schuld, dass sie gestorben ist. Sie hat Drogen genommen und ist einfach von zu Hause weggelaufen“, erklärte Ibraulhaq A. Gegen die Männer wird wegen Vergewaltigung mit Todesfolge ermittelt. Strafrahmen: Bis zu lebenslanger Haft.
Kommentare