Der KURIER hat versucht, Aussagen der Studie zu überprüfen – und stieß dabei auf mehr Rätsel als Antworten. Nicht zuletzt deshalb, weil auf Nachfrage weder die Wiener Linien noch das Beratungsunternehmen sonderlich auskunftsfreudig waren. Vier zentrale Studienergebnisse im Faktencheck:
1. Die Preissenkung beim Jahresticket führte laut Studie zu mehr als einer Verdoppelung der Absatzzahlen. Der Verkauf der anderen Produkte brach im Gegenzug „massiv“ ein.
Soll heißen: Dass die Wiener Linien mehr Jahreskarten verkaufen, liegt nicht daran, dass sie neue Kunden gewonnen haben. Sondern eher daran, dass bestehende Kunden von Wochen- oder Monatstickets auf die 365-Euro-Karte umstiegen. Konkrete Zahlen für diese Argumentation bleibt die Studie aber schuldig.
In dem Papier heißt es zwar, dass die Wiener Linien zwischen den Jahren 2011 und 2017 rund 52 Prozent weniger Wochenkarten und sogar 73 Prozent weniger Acht-Tages-Karten verkauften.
Auf welche absoluten Zahlen sich die Verluste beziehen, bleibt aber offen. Genau wie die konkreten Zuwächse bei den Jahreskarten, die dem gegenüberstehen. Die Grafiken der Studie sind dürftig beschriftet.
Kurzfristig könne man diese Daten nicht nachreichen, heißt es auf Nachfrage bei den Autoren. Das Papier sei auch keine „wissenschaftliche Arbeit“, sondern ein „Debattenbeitrag“. Auch die Wiener Linien konnten (oder wollten) die Zahlen nicht liefern.
2. Im Gegenzug zur Preissenkung beim Jahresticket wurden „nahezu alle anderen Tarifprodukte deutlich verteuert“.
Was als „deutliche“ Teuerung gilt, ist bis zu einem gewissem Grad eine subjektive Frage. So kostete ein Einzelfahrschein im Jahr 2011 noch 1,80 Euro. Mittlerweile beträgt der Preis 2,40 Euro. Die Erhöhung um 60 Cent mehr innerhalb von acht Jahren liegt zwar über der Inflation. Unter der Inflation liegt hingegen die Erhöhung der Monatskarte im selben Zeitraum um 1,50 Euro, die Wochenkarte wurde um 3,10 Euro teurer. Auf Nachfrage relativiert Civity: Es sei „nicht jedes Wording“ in dem Papier „hundertprozentig durchdacht“.
3. Der jährliche Betriebskostenzuschuss der Wiener Linien – also das auszugleichende Defizit – verharrt seit Einführung des 365-Euro-Tickets auf einem deutlich höheren Niveau als zuvor. Konkret sind es laut Studie 300 Millionen Euro.
Dass das günstige Jahresticket die Wiener Linien – und damit indirekt den Steuerzahler – etwas kosten wird, war vor der Einführung klar. Alleine schuld am gestiegenen Defizit ist es aber nicht.
Auf Nachfrage räumt Civity ein, dass auch andere Faktoren hineinspielen. Serviceverbesserungen und Gehaltssteigerungen zum Beispiel. Die Wiener Linien führen das „gewachsene Netz“ und das „laufend ausgebaute Angebot“ ins Treffen.
4. Zwischen der Preisabsenkung und den gestiegenen Fahrgastzahlen gibt es laut Studie keinen signifikanten Zusammenhang. Echte Neukundeneffekte sind „nicht ersichtlich“.
Laut Studie ist die Bevölkerung seit 2011 um elf Prozent auf 1,9 Millionen Einwohner gewachsen. Die Zahl der Fahrgäste stieg im selben Prozentsatz auf 966 Millionen. Nutzer.
Der Verkehrsbetrieb interpretiert die Zahlen aber völlig anders als die Studienautoren: Neue Zuzügler kämen häufig aus ländlichen Gegenden und seien an das Auto gewohnt. Sie überhaupt von Öffis zu überzeugen, sei eine gute Leistung.
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