Expertenkritik nach Unwettern: Österreich zerstört fahrlässig Lebensraum
Die schweren Sturm- und Hagelunwetter innerhalb von zwei Wochen, nach denen auch zwei Gemeinden in Niederösterreich zum Katastrophengebiet erklärt wurden, haben einen Schaden von mehr als 75 Millionen Euro angerichtet. „So etwas hat es in so kurzer Zeit in unserer Unternehmensgeschichte noch nie gegeben“, sagt Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung.
Extremwetterereignisse bedingt durch hohe Temperaturen würden sich aber weiter häufen, werde nicht rasch etwas gegen den Klimawandel getan, so Weinberger. „In den 1990er-Jahren waren es noch zwischen sieben und 15 Hitzetage – also Tage mit mehr als 30 Grad –, heute sind es durchschnittlich zwischen 30 und 40“, führt er aus.
„Und bei Fortsetzung des Wirtschaftsverhaltens, wo wir eben fossile Energie weiterhin in diesem Tempo verbrennen, führt das ja zu einer weiteren Zunahme der Erderwärmung und damit zu einer weiteren Zunahme von extremen Ereignissen.“
16 Fußballfelder werden täglich zubetoniert
Er fordert daher ein „Maßnahmenbündel“, um diese Entwicklung zu stoppen. Die globalen Maßnahmen seien gut und notwendig, aber auch vor der eigenen Haustür, also in Österreich, habe man „Aufgaben zu erfüllen“, wie er im KURIER-Stadtstudio betont.
„Es gibt kein zweites Land in ganz Europa, das so fahrlässig den eigenen Lebensraum zerstört, wie wir das tun“, sagt er und spricht damit die Flächenversiegelung an. Weil der Boden dann kein Wasser speichern kann, nehmen die Überschwemmungen und Hochwasserschäden deutlich zu, außerdem kann zubetonierter Boden auch kein speichern – Dürreperioden nehmen zu. Wenn man so weitermache wie bisher und „täglich eine Fläche von 16 Fußballfeldern verbaut“, gäbe es in 200 Jahren keine Agrarflächen mehr, betont Weinberger.
Um die Verbauung aufzuhalten, könnte man die Leerstände nutzbar machen. „In Österreich gibt es rund 40.000 Hektar leer stehende Immobilien, das entspricht in etwa der gesamten Fläche der Stadtgemeinde Wien“, rechnet er vor. Durch Fördermaßnahmen und steuerliche Anreize könnte man attraktiv machen, dass der Leerstand genutzt wird, nennt Weinberger eine Maßnahme, mit der man die Wirtschaft mit ins Boot holen könnte.
Keine Fotovoltaik auf Grünflächen
Angesprochen auf das Thema Fotovoltaikausbau betont er, dass es „außer Streit steht, dass wir einen Umbau brauchen vom Verbrennen der fossilen Energien Richtung erneuerbare Energie.“ Fotovoltaik im Naturraum, auf Agrarflächen, zu errichten, „ist aber eine weitere völlige Fehlentwicklung“. Diese würde auf Hallen, Industrieanlagen oder Parkplätze gehören. Schon jetzt sei Österreich bei der Lebensmittelversorgung verletzlich: „Mit Getreide können wir uns gerade zu rund 85 Prozent selbst versorgen, bei Obst und Gemüse liegen wir bei 50 Prozent des Bedarfs“, so Weinberger.
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