Gefährdet das neue Eisenbahngesetz die Sicherheit der Fahrgäste?
19-jährige Lokführer, die Gefahrenguttransporte neben Hochgeschwindigkeitszügen verschieben dürfen. Dazu Sicherheitsregeln, die jedes Eisenbahn-Unternehmen selbst bestimmen kann, und die dann wenig bis gar nicht kontrolliert werden sollen. Noch dazu soll die hochkomplexe Materie nach einer lediglich einwöchigen Begutachtungsfrist durchgedrückt werden. Allein das sorgt für Verärgerungen bis ins Bundeskanzleramt, wenn es um das geplante neue Eisenbahngesetz geht.
Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) zeichnet für den Gesetzesvorschlag verantwortlich. Die Gewerkschaft vida warnt jedoch und spricht von einem Sicherheitsrisiko, das sich dadurch für die Fahrgäste ergeben könnte. Vor allem die Verlagerung von Sicherheitsthemen von staatlicher Kontrolle in Privatunternehmen war zuletzt oft problematisch. Beim Flugzeughersteller Boeing etwa führte dies zu zahlreichen schweren Unfällen, bis hin zu zwei Abstürzen mit 346 Toten. Herabstürzende Bauteile sorgen seit Jahren für Aufregung.
Mit der Novelle könnten sich auch die Bahn-Unternehmen in Zukunft ihre Regelungen selbst schaffen, etwa wie oft Waggons und Loks kontrolliert werden oder wie gut die Lokführer die zu befahrende Strecke kennen müssen. Dies würde auch ohne weitere Kontrollen durch die Behörde erfolgen, glaubt man bei der Gewerkschaft vida. Die Begründung: Die derzeitig vorhandenen Aufsichtsbeamten im Ministerium (rund zehn Personen) könnten jetzt schon nicht alle Unternehmen und Schulungseinrichtungen kontrollieren.
Kontrolle gefordert
Um einheitliche Regelungen wie auf der Straße zu gewährleisten, wurden Dienstvorschriften und Ausbildungen bisher durch das Verkehrsministerium genehmigt. "Die Pflicht zur behördlichen Genehmigung der sogenannten Dienstvorschriften muss jedenfalls beibehalten werden", sagt Gerald Trofaier, Vorsitzender der Plattform Lokfahrdienst in der Gewerkschaft vida.
"So lange keine allgemein gültigen Regelungen über nationale Verordnungen erfolgen oder bis die europäische Agentur entsprechende Maßnahmen bei der Koordinierung der Normen ergreift, wäre das Abschaffen der Genehmigungspflicht für Dienstvorschriften ein großes Sicherheitsrisiko", sagt der Lokführer. Jeder könne mache, was er will. Selbst in einem Konzern wie bei den ÖBB gebe es vier Eisenbahnverkehrsunternehmen, und jedes davon dürfte mit dem neuen Gesetz unterschiedliche Regelungen erlassen.
Gewessler beruft sich auf die EU-Regelungen
"Dabei handelt es sich um eine Vorgabe der Eisenbahnagentur der Europäischen Union. Diese hat bereits darauf hingewiesen, dass die aktuelle Regelung der Genehmigung der Dienstvorschrift in Österreich nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist", sagt ein Sprecher von Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne).
Und weiter: "Um der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die Europäische Kommission vorzubeugen, passen wir nun die Vorschriften an." Es sei aber keinesfalls so, dass es durch das Ministerium keine Kontrollen mehr gebe.
"Unser Ziel ist, dass das Gesetz noch vor der Sommerpause im Nationalrat beschlossen werden kann. Aus diesem Grund haben wir auch eine verkürzte Begutachtungsfrist gewählt. Wir haben jedoch bereits im Rahmen der Ausarbeitung das Gespräch mit den beteiligten Stakeholdern gesucht und die unterschiedlichen Rückmeldungen im Gesetzestext berücksichtigt", wird betont.
Als "hochgradig verantwortungslos" bezeichnet Trofaier die geplante Herabsetzung des Alters für den Klasse-A4-Führerscheins für Lokführer im Verschubbetrieb. Gerade hier gab es in den vergangenen Jahren immer wieder schwere Unfälle, auch mit Personenzügen.
Trofaier: "Es ist von großer Bedeutung, dass junge Triebfahrzeugführer eine umfassende Ausbildung durchlaufen müssen, um sicherzustellen, dass sie über das notwendige Verständnis, die erforderlichen Kenntnisse und die richtigen Fähigkeiten verfügen, um ihren Job verantwortungsbewusst ausüben zu können und potenzielle Risiken zu minimieren."
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