Seit 1945
Die Ausgangslage: Der Wahlerfolg der KPÖ Ende September 2021 – sie stieß die ÖVP vom ersten Platz, Langzeitbürgermeister Siegfried Nagl musste gehen – kam nicht plötzlich. Im Gegensatz zu vielen anderen Städten saßen die Kommunisten seit 1945 permanent im Grazer Gemeinderat.
Ihr eigentlicher Aufstieg begann in den 1980ern mit Ernest Kaltenegger: Er konzentrierte sich auf die Nische (Gemeinde-)Wohnungspolitik sowie Mieter-Notruf und füllte das Vakuum, das die allmählich zu schwächeln beginnende SPÖ hinterließ. 2003 schaffte die KPÖ dann auch den Sprung in die Stadtregierung.
Von Kaltenegger stammt die Direktive, die von anderen Parteien süffisant als „Almosenpolitik“ bekrittelt wird: Alle KPÖ-Funktionäre, die Geld aus ihrer politischen Tätigkeit beziehen, müssen den Großteil dieser Gage in den parteieigenen Sozialtopf einzahlen. Dessen Inhalt wird unprätentiös verteilt, eine Waschmaschine da, eine Mietnachzahlung dort. Das kommt natürlich gut an. Die KP-Einkommensgrenze für politische Gehälter liegt bei 2.300 Euro netto, auch für Kahr (der 9.000 Euro monatlich als Stadtchefin zustehen).
Ohne Konsequenzen
Image: Kahr betont gern, die KPÖ würde gewählt, nicht weil sie kommunistisch sei, sondern obwohl. Doch gleich nach den Wahlen machte sie wieder Schlagzeilen, diesmal allerdings wegen ihrer Jugoslawien-Nostalgie im Interview mit einem serbischen TV-Sender. Später bereiteten ihr Parteifreunde mit deren offenkundiger Sympathie für russlandtreue Separatisten in der kriegsgebeutelten Ukraine Probleme.
Von deren Aktionen distanzierte sich Kahr zwar persönlich, forderte von den Mandataren aber keinerlei Konsequenzen. Geschadet zu haben schien es ihr nicht: Jüngste Umfragen steirischer Medien bescheinigten, dass rund 65 Prozent der Grazer eine „gute Meinung“ von ihr hätten, vor der Wahl waren es zehn Prozentpunkte weniger. Zudem beendete Kahr bald nach Kriegsbeginn die seit 2001 mit St. Petersburg bestehende Städtepartnerschaft.
Budget-Probleme
Kompetenz: Gerade stolperten die Kommunisten, die erstmals auch in Finanzagenden führend sind, über ihr erstes Budget.
Es müsse nachgebessert werden, sonst drohe Zahlungsunfähigkeit, warnte der Stadtrechnungshof. Die KPÖ verweist aber darauf, der Schuldenberg von 1,6 Milliarden Euro stamme von der Vorgängerregierung aus ÖVP und FPÖ zu zudem setze die Teuerung allen kommunen zu.
Toleranz
Gestaltung: Abseits von Sozialpolitik kommt wenig, die Verkehrsagenden samt massivem Aus-und Umbau des öffentlichen Verkehrs wird von den Grünen propagiert. Sowohl Wirtschaftskammer als auch Industriellenvereinigung vermissen Gestaltungsideen der KPÖ über das Sozialwesen hinaus. Derzeit betreibe die Koalition keine aktive Wirtschaftspolitik, heißt es. Wobei angemerkt wird, dass auch keine negativen Tendenzen gegenüber Konzernen oder Großunternehmen aus dem Rathaus zu vernehmen seien. Offen murrt kein Wirtschaftstreibender über das dunkelrote Graz, man toleriert einander.
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