Spionagefall: Marsalek ließ sich von Spionen Sachertorte nach Moskau liefern

Spionagefall: Marsalek ließ sich von Spionen Sachertorte nach Moskau liefern
Chats zwischen dem flüchtigen Ex-Wirecard-Manager und einem Bulgaren geben tiefen Einblicke in ein Spionagenetzwerk rund um Egisto Ott.

Das Leben als Spion kann mühsam sein. Oft läuft nicht alles wie geplant. Das belegen auch Chats zwischen zwei Verdächtigen in der Causa Prima rund um Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott. So plagten den flüchtigen Wirecard-Manager Jan Marsalek  und den mutmaßlichen Anführer eines bulgarischen Spionagenetzwerkes Orlin Roussev anscheinend ganz alltägliche Sorgen. Einige Chats liegen dem KURIER auf Englisch vor.  

Bin genervt von Amateuren und faulen Menschen

Über die fehlende Arbeitsmoral

Die Chats stammen aus der Operation Skirp des britischen Geheimdienstes MI5, der diese im Zuge von Ermittlungen gegen einen bulgarischen Spionagering sicherstellte. Bei der Auswertung tauchte auch der Name Jan Marsalek auf - und in weiterer Folge ein Strang nach Österreich. Insgesamt 80.000 Nachrichten die zwischen Roussev und Marsalek innerhalb von drei Jahren ausgetauscht worden sein sollen, wurden ausgewertet.

Die zentralen Punkte, die zum Teil schon bekannt waren:

  • Drei ins Wasser gefallene Handys von österreichischen Spitzenbeamten, die im Jahr 2017 bei einem Bootsausflug in Tulln ins Wasser gefallen waren, sollen im Juni 2022 den Weg von einer Wohnung in Wien-Floridsdorf zum russischen Geheimdienst FSB nach Moskau gefunden haben. Der Bewohner, ein Verwandter von Ott, wurde vor Kurzem verhaftet - befindet sich aber wieder auf freiem Fuß. Was auch bei seinen Anwälten betont wird: "Die Ermittlungen zu unserem Mandanten haben bis dato nur das Ergebnis gebracht, dass er von den Vorwürfen gegen seinen Verwandten in Zusammenhang mit seiner Wohnung nichts wusste", betonen Anwälte Stephanie Kramberger und Andreas Schweitzer.
  • Sogenannte SINA-Laptops, die eine Entschlüsselung streng geheimer Nachrichten ermöglichen, wurden ebenfalls von Floridsdorf nach Moskau transportiert. Wem diese Laptops gehörten, ist bis jetzt unklar. 
  • Ein Einbruch beim Russland-kritischen Investigativ-Journalisten Christo Grozev in seiner Wohnung in Wien, bei dem ein Safe geknackt und daraus ein Laptop gestohlen wurde.

Details zu den Operationen, welche österreichischen Spezialitäten Marsalek offenbar vermisst, welche Weihnachtseinkäufe der FSB bezahlte und was der Iran mit dem Ganzen zu tun hat, lesen Sie in Folge:

Eine persönliche Frage: Ist noch Zeit übrig, um beim Sacher-Shop einen Zwischenstopp einzulegen und zwei Torten für mich mitzunehmen? ;-)

Eigentlich sollte die Übergabe der mutmaßlichen BMI-Handys vereinbart werden, doch Marsalek hat Lust auf Süßes

Am 9. Juni 2022 sollen sich Marsalek und der 46-jährige Roussev - ein enger, langjähriger Marsalek-Vertrauter - darüber unterhalten, wie sie die drei Handys (mutmaßlich die der BMI-Mitarbeiter) nach Russland bringen können. Eine zentrale Rolle dabei soll die Wohnung eines Verwandten von Egisto Ott spielen. Sie soll laut Ermittlungen als Drehscheibe für die Übergabe dienen. Die Adresse kommt in den Chats mehrfach vor.

Die Männer treffen offenbar detaillierte Vorkehrungen und unterhalten sich über Codewörter. Eines davon ist "DHL".

Doch schnell driftet die Unterhaltung ab und es dreht sich um die berühmte Sachertorte. Marsaleks Chatpartner wird neugierig.

Ja... wo ist das... und erzähl mir mehr über die Torten bitte

Lust auf Süßes

Lustig geht es in der Unterhaltung weiter:

Ich hoffe, keiner isst die Torten beim Airport-Check-In

Noch mehr Lust auf Süßes

Nur einen Tag später wird die Unterhaltung bedeutend ernster. Es geht um den Russland-Kritiker Grozev, der mit seinen Recherchen auch maßgeblich zur Aufklärung des Giftanschlags an Alexej Nawalny beigetragen hat. Die bulgarischen Agenten brechen an diesem Tag in die Wohnung von Grozev ein. In seinem Safe entdecken sie einen Laptop. Detailliert wird aufgegliedert, dass ein anderes Team auf der Straße sein Handy rauben soll. Überhaupt machen sich die Männer viele Gedanken darüber, wie Grozev auf den Einbruch reagiert.

Ich möchte Grozevs Reaktion sehen, wenn er den Safe öffnet und der Laptop ist weg

Aus den Chats

Dass der Journalist weder Geld noch Juwelen in seinem Tresor gelagert hat, sorgt für Enttäuschung. Ebenso, dass Grozev nicht so reagiert, wie gewünscht. Zumindest nicht auf Twitter, wie die Männer verfolgen.

Bisher scheint Grozev nicht gestresst zu sein, dass sein Laptop weg ist. Er twittert nur über Glühwürmchen

Insekten statt Panik

Die meisten Sorgen bereitet dem Duo aber anscheinend ein anderes Thema. Es geht um Spezial-Laptops, mit denen Nachrichten, die als streng geheim verschlüsselt sind, gelesen werden können. Laptops, wie sie etwa verschiedene Militärdienste, aber auch deutsche Sicherheitsbehörden in Verwendung haben. Diese sogenannten SINA-Laptops sollen ebenso aus der Wohnung in Floridsdorf abgeholt und in die Lubjanka, dem Hauptsitz des russischen FSB, gebracht werden.

 Was die Männer am meisten beschäftigt, ist, dass diese sogenannten SINA-Laptops Signale aussenden könnten, die ihren Standort mitteilen. Darum sollen sie auch in speziellen Taschen transportiert werden.

Doch die Helfer, die einige der Transporte übernehmen sollen, erweisen sich nicht unbedingt als verlässlich. 

Sie sind doch nichts anderes als Kebab Boys

Ärger über die Komplizen

Gleich mehrmals muss man sich über die Helfer ärgern. So versäumen sie Züge und Flüge, antworten nicht auf Nachrichten und haben das Handy zum Teil abgeschaltet. Und plötzlich fordern sie statt offenbar vereinbarten 20.000 Euro für den Transport eines Laptops gleich 30.000 Euro. 

Um den Laptop ins Ausland zu bringen, haben die Männer offenbar einen perfekten Plan geschmiedet. 2 Koffer zu je 25 Kilo sollen als Tarnung dienen. Zum Transport soll eine Frau eingesetzt werden, weil sie weniger verdächtig wirken würde. 

Dieser Chat wird zwei Wochen vor Weihnachten geführt. Jan Marsalek dürfte auch hier persönliche Wünsche äußern. 

 

Unser Mädchen wird sich auch um die 100 Kilo Gepäck meiner Weihnachtseinkäufe kümmern (der FSB wird mich dafür hassen)

Schwere Weihnachtsgeschenke

Am 13. Dezember 2022 ist schließlich klar: Alles hat wunderbar geklappt, sowohl der Transport des Laptops als auch die Zustellung der Weihnachtsgeschenke. Denn wie mutmaßlich Marsalek um 19.12 Uhr seinem Chatpartner mitteilt, befindet sich der Laptop in einem Auto am Weg zum FSB in die Lubjanka.

Zwischen den Männern fällt nun ein entscheidender Satz, der bisher so nicht bekannt war:

Der Iran wird glücklich über den Kauf sein

Plötzlich wird ein Käufer genannt

Ob der Iran dann wirklich zum Käufer wird, geht aus den Unterlagen, die dem KURIER vorliegen, nicht hervor. Offen bleibt auch, welche Informationen der Iran aus dem Laptop gewinnen wollte. Für de zwei Chatpartner steht am 16. Dezember und 12.30 Uhr jedenfalls fest:

Die Laptop-Mission ist erfolgreich abgeschlossen

Die Chatpartner sind zufrieden

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