Drogen: "Kokain-Tsunami" erreicht Österreich
Während Heroin am Weltmarkt langsam knapp wird, ergießt sich eine noch nie dagewesene Kokainschwemme über Europa. In Österreich verdoppelte sich die sichergestellte Menge innerhalb von nur zwei Jahren, ist im am Freitag veröffentlichten Suchtmittelbericht des Bundeskriminalamt nachzulesen. Erstmals überhaupt wurde im Vorjahr sogar in Österreich ein Kokain-Labor ausgehoben.
Das sichergestellte weiße Pulver hat bereits einen durchschnittlichen Reinheitsgrad von knapp 70 Prozent, fast 20 mehr als noch vor fünf Jahren. Trotz der besseren Qualität ist der Preis nicht gestiegen, denn durch Rekordernten in Südamerika steht der Stoff auch in ausreichender Menge zur Verfügung.
Neu ist auch, dass das Kokain als Paste nach Europa gebracht und hier in Laboratorien für den Straßenverkauf fertig gemacht wird. Mitunter wird das Pulver von Großbritannien in die Niederlande gebracht, dort aufbereitet und wieder zurück verschifft. Ende des vergangenen Jahres hob die Polizei ein Kokain-Labor in Niederösterreich aus.
In Kottingbrunn fanden die Ermittler 137 Kilo Kokainbase sowie mehrere Chemikalien zur Aufbereitung. Dahinter steckte eine serbische Tätergruppierung. Das ist insofern typisch, denn der europäische Drogenhandel wird von Banden aus dem Balkan dominiert. Diese sind auch im Cannabis-Schmuggel und bei den illegalen Hanf-Plantagen, von denen Hunderte in Österreich jedes Jahr entdeckt werden, führend.
Gewalt nimmt zu
Das Bundeskriminalamt registriert allerdings auch eine Zunahme der Gewalt in und um die Kartelle. Folter und Mord stünden auf der Tagesordnung, es gehe zu, wie in "gewaltverherrlichenden Filmen".
"Wenn Sie sich eine Netflix-Serie über Narcos ansehen, dann ist das nicht weit hergeholt", betonte Daniel Lichtenegger, Leiter des Büros für Suchtmittelkriminalität, am Freitag bei einem Hintergrundgespräch. Oft werde die Frage gestellt, was die Bekämpfung der Drogenkriminalität mit dem Alltagsleben der Menschen zu tun habe. "Aber auch Keller- und Wohnungseinbrüche, Fahrraddiebstähle oder Handy- und Handtaschenraub stehen oft in Zusammenhang mit Drogenkriminalität - und davon Opfer zu werden, kann jedem von uns passieren."
"Hat keinen Platz in Österreich"
Ja, Österreich sei ein sicheres Land. "Aber es gibt eine Parallelwelt", so Lichtenegger. Am Balkan seien die kriminellen Vereinigungen professonell organisiert, vom Chef bis zum Buchhalter; jedes Gramm werde dokumentiert. Brutales Vorgehen - Drohungen, Verstümmelung, Morde - sei in dieser Parallelwelt quasi alltäglich: "Und so etwas hat keinen Platz in Österreich."
Rund zwei Prozent der Exekutivbeamten, also rund 600 Personen, seien primär mit der Bekämfpung der Drogenkriminalität befasst, erklärte Dieter Csefan, Leiter der Abteilung für Allgemeine und Organisierte Kriminalität, bei dem Hintergrundgespräch.
Immer mehr Drogen werden im Darknet gehandelt
Österreich sei Konsum- wie Transitland. Immer mehr werde aber auch im Internet gehandelt und komme über den Flughafen und die Postverteilerzentren nach Österreich. "Wir haben daher ein eigenes Darknet-Referat eingerichtet", so Csefan. Die Ausforschungsquote sei mit über 90 Prozent "extrem hoch".
Im Jahr 2023 gab es in Österreich 2.351 Festnahmen im Zusammenhang mit Drogenkriminalität: 1.504 davon waren Fremde, 847 Inländer. "Der Fremdenanteil ist hier sehr hoch", erklärte Lichtenegger. Früher seien vor allem Personen vom Westbalkan sehr aktiv in diesem Milieu gewesen. Mittlerweile kommen die meisten Tatverdächtigen aus Syrien, gefolgt von Deutschland, Serbien, Afghanistan und Rumänien. "Was die Deutschen betrifft: Sie werden aber kaum einen Deutschen Dealer am Gürtel finden", fügte Lichtenegger hinzu. In die Statistik fließe auch der Konsum ein, beispielsweise in Tourismusorten in Westösterreich.
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