Drittel der Corona-Verstorbenen aus Alters- und Pflegeheimen
Bewohner von Alten- und Pflegeeinrichtungen machen ein Drittel der insgesamt in Österreich an Covid-19 Verstobenen aus. Unter den bisher 646 Corona-Toten waren 222 Bewohner von Betreuungseinrichtungen, wie es am Dienstag bei einer Studienpräsentation hieß. Bei aller Tragik seien diese Entwicklungen im internationalen Vergleich positiv zu bewerten, so Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne).
Lockerungen und gerichtliche Nachspiele im Altersheim
60 Prozent in manchen Ländern
In einigen Ländern habe der Anteil der Bewohner aus Alten- und Pflegeeinrichtungen bis zu 60 Prozent der Gesamttodesfälle ausgemacht, sagte der Minister im Rahmen einer Pressekonferenz in Wien. Auf die bereits am Beginn der Pandemie bekannte besondere Bedrohung für diese gesellschaftliche Gruppe habe man mit Schutzkonzepten reagiert, die vor allem darauf abzielten, "Einschleppungen" von Fällen zu verhindern. Dies sei "durchaus beachtlich gelungen", trotzdem gab es auch hierzulande "viele Fälle", räumte Anschober ein.
Bis zum gestrigen Montag wurden unter den 16.868 in Österreich verzeichneten Covid-19-Infektionen 833 im Rahmen der Kontaktverfolgung und Clusteranalysen der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) Alten- und Pflegeeinrichtungen zugeordnet.
Die Fallsterblichkeit in dieser Gruppe betrug demnach 26,7 Prozent. Insgesamt sind 0,3 Prozent aller Heimbewohner in Österreich bisher an Covid-19 verstorben, erklärte die Studienautorin Elisabeth Rappold von der Gesundheit Österreich GmbH.
Hygienemaßnahmen brachten positiven Effekt
Man habe gesehen, dass in der ersten Epidemie-Phase "viele Infektionen in Pflegeeinrichtungen" zu verzeichnen waren. Die strengen Hygienemaßnahmen ab Ende März hätten dazu beigetragen, dass die "Zahlen dann ausschleichend" waren und Ende April, Anfang Mai erste Lockerungen angestoßen werden konnten.
Seither "ist es nur noch zu vereinzelten Infektionen gekommen", die nunmehrige Annäherung an die Normalität "steht auf guter Basis", sagte Rappold.
Aufgrund der unterschiedlichen Datenlage in verschiedenen Ländern könne man in dem Bereich nur einen "Vergleich mit Bauchweh" anstellen. Während in Österreich 0,3 und Deutschland 0,4 Prozent der Heimbewohner verstorben sind, sei dieser Anteil in Schweden mit zwei Prozent oder Belgien mit 3,7 Prozent deutlich höher, erklärte Rappold.
130.000 Menschen werden getestet
Anschober hatte im April angekündigt, dass alle Mitarbeiter und Bewohner in Alters- und Pflegeheimen getestet werden. 918 solche Einrichtungen gibt es in Österreich, die Anzahl der Bewohner und Mitarbeiter belaufe sich auf insgesamt um die 130.000 Menschen, sagte der Minister bei der Ankündigung der groß angelegten Testungen.
Dieses Screeningprogramm dauere noch an, berichtete Anschober am Dienstag. Noch seien nicht alle Bundesländer mit den Testungen fertig. Bisher wurden österreichweit 26.000 Bewohner und 27.000 Mitarbeiter getestet, bei knapp 800 Bewohnern und knapp 400 Mitarbeitern seien die Test bisher positiv ausgefallen.
Zudem gibt es auch neue Regeln für Besuche in Alters- und Pflegeheimen, wie Gesundheitsminister Anschober heute bekannt gab. Das Ziel sei eine "schrittweise Rückkehr zu einer möglichst normalen Lebenssituation". Davon sei man in manchen Einrichtungen leider weit entfernt gewesen, so eine Bewohnervertreterin.
Susanne Jaquemar vom Vertretungsnetz betonte, dass es vor allem in den Zeiten des strengen Lockdowns, in denen Besuche in Alters- und Pflegeheimen zum Schutz vor Einschleppung von Covid-19 weitestgehend untersagt und die Bewegungsfreiheit der Bewohner massiv eingeschränkt waren, "zu sehr vielen Beschwerden" gekommen ist.
Androhung von Maßnahmen
Vielfach wurden etwa Spaziergänge unter Androhung von Isolationsmaßnahmen untersagt, der Rahmen des Heimaufenthaltsgesetzes wurde dabei mitunter verlassen: Für derartige Maßnahmen "gab es keine gesetzliche Grundlage", so Jaquemar.
Auch nach der ersten Lockerung der Maßnahmen Anfang Mai habe es in manchen Regionen jedoch nur eine sehr zögerliche Rückkehr zur Normalität gegeben. Einzelne Einrichtungen würden die Freiheit von Bewohnern und Angehörigen noch immer stark beschneiden.
Die neuen Empfehlungen seien ein "großer Schritt in Richtung Normalisierung" und auf Basis eines breiten Dialoges mit den Bundesländern entstanden und würden von dem Grundkonsens getragen, die Gleichberechtigung in der Gesellschaft wieder zu verbessern, sagt Anschober.
Es gelte aber weiter, Hygienepläne und die allgemeinen Schutzmaßnahmen wie das Abstandhalten oder den Verzicht auf das Händeschütteln oder Umarmungen einzuhalten. Die Einrichtungen seien auch weiter gefordert, "individuelle Risikoabschätzungen" vorzunehmen und eigene Konzepte für ihre Standorte zu erarbeiten.
Kinder dürfen zu Besuch kommen
Zu einer weiteren Normalisierung soll es auch bei den Besuchszeiten kommen, Kinder dürften nun wieder bei einem Besuch dabei sein. Auch die Heimvertretungen könnten ihrer Tätigkeit wieder ungehindert nachgehen, so Anschober.
Er gehe davon aus, dass "die (auch für Einrichtungen im Bereich der Behindertenhilfe neu formulierten, Anm.) Lockerungen auch gelebt werden", verwies jedoch darauf, dass man diese wieder überdenken könne, wenn sich das Infektionsgeschehen verschlechtere oder Infektionscluster vermehrt auftreten.
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