Drei Angeklagte in der BVT-Affäre: Die Hintergründe
An 28. Februar 2018 stürmt eine Einheit für Straßenkriminalität den heimischen Verfassungsschutz. Nur drei Tage später berichtet der KURIER erstmals über die teils abstrusen Vorwürfe und eine drohende Staatsoperette. Es ist der Stein, der die BVT-Affäre ins Rollen bringt und schlussendlich zu einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss führt. Und zu einer derzeit laufenden Reform des österreichischen Nachrichtendienstes.
Die Punkte, um die es bei der Razzia seinerzeit ging, sind mittlerweile eingestellt worden. Die Wirtschaft-und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat nun aber doch Anklage gegen drei Personen erhoben, gegen den früheren BVT-Nachrichtendienst-Chef P., seinen Ex-Mitarbeiter S. und eine dritte Person. Bei den angeklagten Vorwürfen handelt es sich um sogenannte Zufallsfunde, die durch die Razzia im BVT erlangt wurden.
44 Zeugen geladen
Insgesamt 44 Zeugen will die WKStA aussagen lassen, darunter sind zahlreiche BVT-Mitarbeiter wie der scheidende BVT-Chef Peter Gridling, oder der ehemalige ÖVP-Abgeordnete Werner Amon.
Im Visier der Ankläger ist vor allem der frühere Spionagechef P. Er steht im Verdachts des Missbrauchs der Amtsgewalt und des Betruges, bei Chefinspektor S. ist es lediglich der Verdacht des Amtsmissbrauchs. Der Kernvorwurf der Anklage dreht sich um sechs Observationen, für die es keine rechtliche Grundlage gegeben haben soll bzw. über die der Rechtsschutzbeauftragte nicht informiert worden sein soll:
Im Juni 2014 erhielt das BVT den Hinweis, dass ein Bruder des nordkoreanischen Diktators zu einem Konzert von Eric Clapton nach Wien reisen würde. Doch statt Kim Jong Chol soll eine nordkoreanische Delegation nach Österreich gekommen sein. Das BVT observierte die Delegation. P. soll somit „eine Schädigung der Nordkoreaner nach dem Datenschutzgesetz und nach der Menschenrechtskonvention“ in Kauf genommen haben.
2016 kontaktierte der Geschäftsführer eines österreichischen Textilkonzerns das BVT, weil er geschäftliche Gespräche mit Angehörigen der nordkoreanischen Botschaft führte. In weiterer Folge observierten BVT-Beamte diese Treffen und fertigten von drei Personen 17 Fotos an. Da keine Hinweise auf nachrichtendienstliche Aktivitäten zum Nachteil Österreichs vorlagen, gab es „keine Gefahrenlage als Voraussetzung für die Durchführung der Observation“, heißt es in der Anklage.
Mit der Anordnung der Observation soll Ex-Spionagechef P. seine Dienstpflicht verletzt haben.
Bestellte Observationen
Im Februar 2016 reiste der chinesische Militärattaché in Bulgarien samt Familie in Wien-Schwechat ein. Er wurde vom BVT observiert und es wurden Fotos aus den Überwachungskameras gespeichert.
Zwei Observationen sollen „auf Bestellung ausländischer Partnerdienste“ stattgefunden haben, bei fünf Observationen konnte die WKStA ein strafrechtliches Verhalten von P. und S. nicht nachweisen. In letzteren Fällen geht es nur um die fehlende Mitteilung an den Rechtsschutzbeauftragten.
Darüber hinausgehend wird dem Ex-Spionagechef P. auch vorgeworfen, dass er sich in 32 Fällen insgesamt 1.096 Euro Bewirtungskosten unrechtmäßig refundieren ließ. Unter den Bewirteten befanden sich Politiker, Staatsanwälte, Botschafter und ein Journalist.
„Die Treffen waren entweder gar nicht dienstlich veranlasst oder es war jedenfalls kein Anspruch auf Kostenersatz, weil die Gesprächspartner keine Informanten inSinne eines BMI-Erlasses waren“, wird in der Anklage behauptet.
„Es ist höchstens an der Zeit, dass ein unabhängiges Gericht sich die Arbeit der WKStA anschaut, die mit einem enorme Aufwand nichts herausgebracht hat“, sagt Otto Dietrich, Verteidiger von P. zum KURIER. „Die Vorwürfe sind haltlos und werden zurückgewiesen. Ich bin überzeugt davon, dass mein Mandant freigesprochen wird.“ Von den ursprünglichen Vorwürfen ist nichts übrig geblieben. 16 Fakten betreffend den Ex-Spionagechef P. seien bereits eingestellt worden.
Kein Geheimdienst?
Eher für Verwunderung sorgt die Anklage auch beim Rechtsvertreter von Chefinspektor S.: „Mein Mandant sollte befehlsgemäß über Ersuchen eines befreundeten Geheimdienstes die Identität einer verdächtigen Person anhand von Videos am Flughafen Schwechat feststellen. Er stellte fest, dass es sich nicht um die gesuchte Person handelt“, sagt Anwalt Johannes Neumayer zum KURIER. „Die Anklage wirft meinem Mandanten vor, die Rechte einer unbekannten nordkoreanischen Person verletzt zu haben. Das bedeutet im Ergebnis, dass der österreichische Geheimdienst nicht einmal Identitätsfeststellungen auf Ersuchen befreundeter Geheimdienste durchführen dürfte. Damit würde sich das BVT von der vorbeugenden Gefahrenabwehr verabschieden.“
Der dritte Angeklagte ist der Schwiegervater von P. weil er Verdächtige in einem seiner Häuser gemeldet hat, soll er zu einem Amtsmissbrauch verleitet haben. Auch dieser bestreitet jegliche Vorwürfe.
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