Neue KURIER-Reihe: Achim Schneyder und Klaus Kamolz gehen ins Wirtshaus. Dabei geht es nicht primär um Speisen, sondern um jene, die ihr Leben einem guten Gasthaus widmen.
Ein „Lebenselixier“ sei die österreichische Küche, sagt Achim Schneyder, und „unverzichtbar“. Dennoch ist sie leider keine Selbstverständlichkeit mehr, in Zeiten der Fusion-Küche in Ballungsräumen und des Wirtshaussterbens in vielen kleinen Gemeinden.
Wir wollen der österreichischen Küche wieder eine große Plattform geben, eigentlich weniger der Küche, sondern dem Wirtshaus, den Wirtsleuten und Köchen, jenen Menschen, die ihr Leben der Verköstigung hungriger und lustvoller Menschen widmen. Und dafür haben wir zwei Esser und Porträtisten ausgesucht, die prädestiniert sind für solche Lokalaugenscheine, weil sie Geist und Gaumen bestens verbinden. Sie werden im KURIER jede Woche sonntags (alternierend) einen Wirt / eine Wirtin vorstellen.
Der eine: Achim Schneyder, für den sich ein Kreis, also sein KURIER-Menü, schließt. Er schrieb hier von 1987 bis 1993 für den Sport und war von 2002 bis 2006 leitender Redakteur des KURIER am Sonntag. Seine Eltern Werner (ja, dieser) und Ilse haben ihn durch intensives Vorleben zum Esser und Trinker erzogen. Für den KURIER schrieb er 2002 auch seine erste große Kulinarik-Story: ein doppelseitiges Reinhard-Gerer-Porträt.
In den frühen 2010er-Jahren publizierte er einige fachspezifische Bücher, darunter „Dem Genuss auf der Spur – kulinarische Streifzüge im Steirischen Weinland“, gemeinsam mit Peter Simonischek, oder „Lokalaugenschein“. Zwischen 2010 und 2023 schrieb er nebst anderen Geschichten auch Wirtshausporträts für Servus und Servus Gute Küche, seit zehn Jahren ist er Chefredakteur des S Magazin aus dem Hause Steirereck im Stadtpark.
Der andere: Klaus Kamolz, ein Kind der echten und ehrlichen Hausmannskost. Bei ihm daheim wurde immer frisch gekocht; das war das Geschäft seiner Großmutter, die ihm anhand einer unter ihren hauchdünnen Strudelteig geschobenen Zeitung das Lesen beibrachte. Selbst zu kochen hat er seit früher Jugend verinnerlicht – bis heute praktiziert er das mit ungebrochener Leidenschaft.
Seine ersten kulinarischen Texte erschienen vor ziemlich genau 30 Jahren: Porträts von Walter Eselböck und Johanna Maier im Profil. Dort hat er auch mehr als 16 Jahre lang eine wöchentliche kulinarische Kolumne geschrieben. Außerdem gibt’s von ihm drei Kochbücher: eins über die böhmische und eins über die pannonische Küche sowie eins mit den besten Rezepten und Geschichten aus der Profil-Kolumne.
Das Testessen mit den beiden fand in der Gastwirtschaft Schilling in der Wiener Burggasse statt, es gab Schnitzel. Dabei wurde unter anderem darüber gesprochen:
KURIER:Was macht ein gutes Wirtshaus aus?
Achim Schneyder: Nicht zuletzt der Wirt. Oder die Wirtin.
Klaus Kamolz: Authentisch soll’s halt sein, geschmackvoll in mehrfachem Sinn, was stimmiges Interieur und echte Küche betrifft. Und ganz wichtig: Jedes gute Gasthaus sollte mehr als nur eine Strophe des Kanons singen können und wenigstens zwei, drei Sachen auf der Karte haben, die zu den bedrohten Speisen zählen: Rahmherz, Rindsroulade, gebackene Fledermaus & Co etwa.
Was macht einen guten Wirt aus?
Schneyder: Gelebte Freude am Beruf, gelebte Lust auf Geselligkeit, gelebter Anspruch auf Qualität und auf ehrliche Küche.
Kamolz: There’s no business like family business.
Österreichische Küche ist für mich …
Schneyder: … ein Lebenselixier und daher unverzichtbar.
Kamolz: … eine der unterschätztesten weltweit. Und aufgrund der Geschichte des Landes auch eine sehr weltoffene – mit Ingwer und Sardellen, Zitronen und Kapern, und einem riesigen Repertoire an Küchentechniken. Und das Besondere: Ausnahmetalente wie Jörg Wörther, Reinhard Gerer, Christian Petz oder Karl Eschlböck haben sie mit viel Gespür immer wieder erneuert und das vegetarische Portfolio modernisiert.
Was ist ein No-Go in einem österreichischen Wirtshaus?
Schneyder: Convenience Food, schlechter Wein, warmes Bier und Kompottpfirsichhälften aus der Dose mit viel zu süßen Preiselbeeren zum Rehfilet oder Hirschkarree.
Kamolz: Drei Dinge gehen gar nicht: Convenience, Convenience, und was war nochmal das dritte? Ach ja, Convenience.
Welche Bedeutung hat ein Gasthaus für die Gesellschaft?
Schneyder: Eine nicht wegzudenkende, denn wo sonst kann man es sich in großer Runde entsprechend gut gehen lassen? In Kirchen etwa darf man weder essen noch trinken noch laut miteinander reden oder gar lachen.
Kamolz: Müsste man glatt erfinden, wenn’s nicht schon welche gäbe …
Wie oft geht ihr selbst essen?
Schneyder: Zu Hause in Wien im Schnitt drei bis vier Mal die Woche und das meist zu Mittag, wenn die Frau im Büro ist und das Kind in der Schule. In den Sommermonaten zu Hause am Kärntner See eher nur zwei Mal.
Kamolz: Sobald sich Gelegenheit dazu ergibt, und darüber hinaus dann, wenn sich eigentlich grad keine Gelegenheit ergibt.
Euer schönstes Wirtshauserlebnis als Gastro-Autoren?
Schneyder: Der Fotograf und ich haben im Zuge einer Reportage in Kärnten Ossobuco vom Lamm gegessen. Ich allerdings mit einer derartigen und von vielen Herrlichkeitsbekundungen begleiteten Hingabe, dass die zwei deutschen Paare am Nebentisch ebenfalls zwei Portionen bestellten. Allerdings nach dem Genuss der vier Marillenpalatschinken zum Dessert …
Kamolz: Eines zu nennen muss ich verweigern, von mir aus drei: Kalbskopf mit Steinpilzen beim Sodoma in Tulln mit der dazu eingeschenkten Weinauswahl von Pepi Sodoma; die mit der Fliegenangel selbst gefangene und in der Küche zur Zubereitung abgegebene Forelle in einer slowenischen Gostilna; die selbst geschlichtete Wirtshausrauferei in einem Kärntner Landgasthaus, gefolgt vom gemeinsamen Schnaps mit den beiden befriedeten Rivalen.
Die interessanteste kulinarische Region ist …
Schneyder: … der jeweilige Wirt ums Eck, bei dem man gerade sitzt. Sofern er gut ist. Dieses Wirtshaus darf aber auch gerne eine Trattoria in Ligurien sein, ein Biergarten in Bayern, eine Buschenschank im Steirischen, ein Fünfhauber im Wiener Stadtpark oder ein Würstelstand um vier Uhr in der Früh. Und vieles andere …
Kamolz: In Österreich ist es eindeutig Wien mit all den historisch gewachsenen Einflüssen von Frankreich bis Galizien, von Prag bis zum Balkan. Jenseits der Grenzen sind es bestimmte Regionen und Städte Italiens, vor allem Friaul, Venedig, Rom, Neapel und Sizilien.
Nächsten Sonntag im KURIER: Schneyder im Gasthaus Langthaler
Der KURIER am Sonntag porträtiert künftig regelmäßig besondere Wirtshäuser – mit Fokus auf die Wirtsleute und Köche, nicht auf die Gastrokritik.
Besondere Autoren
Achim Schneyder und Klaus Kamolz, zwei renommierte Gastro-Journalisten, wechseln einander ab. Der eine wuchs in Salzburg auf, der andere unweit der italienischen Grenze in Kärnten, journalistisch groß wurden beide in Wien.
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