Die Grenzbalken zu Bayern bleiben unten
Wo gibt es die derzeit meisten Corona-Fälle in Tirol, bezogen auf sogenannte 7-Tages-Inzidenz? Im Bezirk Lienz, auch bekannt unter seinem Regionsnamen Osttirol. 141,6 Fälle pro 100.000 Einwohner registrierte man dort mit Stand Montagnachmittag. Zum Vergleich: Im gesamten Bundesland lag der Wert bei 75,8.
Doch für welche Tiroler Bürger sind die Grenzen nach Deutschland nicht generell geschlossen? - Jene, die in Osttirol wohnen.
Dieses Paradoxon mag mit ein Grund sein, weshalb Außen- und Innenministerium am Montag erneut gegen die strengen Richtlinien Deutschlands protestierte: Geschlossene Grenzen seien „absolut inakzeptabel“, wie Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) konstatierte.
Der Aufschrei verhallte. „Die Grenzkontrollen sind leider notwendig“, entgegnete Stephan Mayer, CSU-Staatssekretär im deutschen Innenministerium, am Montag, gestand aber zu, dass derlei „nicht schön“ sei. Doch die Virusmutationen machten es nötig. Montagabend stellte Bayern klar, dass Pendler aber wieder über das Kleine und Große deutsche Eck fahren dürfen.
Tatsächlich grassiert in Tirol die als Südafrika-Variante bezeichnete Version des Coronavirus mehr als anderswo in Österreich (siehe Zusatzbericht). Ausgenommen Osttirol, trotz hoher Corona-Fallzahl. Dort wurden Mutationen bisher noch kaum nachgewiesen.
Aus Tirol nach Bayern darf seit Freitag deshalb nur, wer einen negativen Corona-Test griffbereit hat und in Bayern arbeitet. Das betrifft laut Arbeiterkammer etwa 3.000 Tiroler; rechnet man Beschäftigte aus anderen Bundesländern dazu, sind es rund 10.000 Österreicher, die regelmäßig nach Bayern zur Arbeit pendeln.
Kaum Verzögerungen
Am Montag gab es laut Tiroler Polizei dennoch kaum Verzögerungen, der Verkehr nach Deutschland lief flüssig. „Ich habe nicht gehört, dass es jemand nicht zu seiner Arbeit geschafft hat“, bestätigt auch Martin Krumschnabl, Bürgermeister der Tiroler Grenzstadt Kufstein.
Die meisten Pendler hatten laut Polizei vorgesorgt und negative Tests dabei. Über das Wochenende wurden von der Polizei zwischen Tirol und Bayern exakt 41.144 Menschen kontrolliert, 1.111 von ihnen mussten umkehren: Somit wurden nicht einmal drei Prozent der Grenzübertritte wegen des fehlenden Tests verweigert, darunter 160 Lkw-Fahrern.
Ab Mittwoch, punkt Mitternacht, könnte es aber nicht mehr so locker gehen. Die deutschen Regeln sollen noch einmal nachgeschärft werden: Ab dann reicht kein Job in Bayern mehr, sondern es muss auch einer in einem systemrelevanten Beruf sein.
Wer darf, wer darf nicht?
Wer unverzichtbar ist, steht noch nicht fest, Bayerns Innenminister Joachim Hermann versprach jedoch Montagnachmittag, bis Dienstag eine Liste präsentieren zu können. Da sich diese Liste aber an EU-Vorgaben orientiert, sind die Ausnahmen klar: Nicht betroffen vom Einreiseverbot sind wohl Bedienstete der Arznei- und Lebensmittelproduktion, von Elektrizitäts- und Wasserwerken sowie Fachkräfte, etwa aus der Kommunikationstechnik.
Einfacher macht die niedergeschriebene Liste den den Grenzübertritt aber auch nicht. Tiroler brauchen nämlich eine amtliche Bestätigung und zwar von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde in Bayern. Wie betroffene Mitarbeiter der als „systemrelevant“ eingestuften Sparten binnen so kurzer Zeit an diese Amtsbescheinigung kommen, war am Montag noch nicht ganz geklärt, wird aber wohl über die Dienstgeber laufen müssen.
Wobei das gröbere Problem eher Tschechien als Österreich hat: 20.000 Tschechen pendeln täglich nach Bayern, doch auch diese Grenze ist wegen der hohen Infektionszahl samt Virusmutationen dicht, was am Montag an vielen Grenzübergängen zu Staus führte. Insgesamt wies Deutschland laut Medien am Wochenende rund 10.000 Lenker aus Tschechien und Tirol zurück.
Generell ausgenommen vom bayerischen Einreiseverbot sind medizinisches Personal und Pflegekräfte, etwa 24-Stunden-Betreuerinnen, sie brauchen aber negative Tests. Die Einreiseverbote gelten auch nicht für den Güterverkehr. Die Chauffeure benötigen aber ebenfalls einen negativen Test, was vor allem auf der Brennerroute zu Problemen führen könnte: Die Wirtschaftskammer warnte am Montag mit Fotos aus Sterzing in Südtirol vor einem wenig organisiertem Testumfeld.
Lkw-Fahrer ohne Abstand
Die Bilder zeigen Lkw-Fahrer, die im Freien ohne Abstand oder Maske anstehen, um sich testen zu lassen. „Da bekommen wir hier einen grippalen Infekt, oder es bildet sich der nächste Corona-Cluster“, wird ein Fahrer zitiert. „Derartige Bilder bei einem Skilift würden sicher für Entrüstung sorgen“, hieß es seitens der Kammer. Pro Werktag passieren übrigens an die 5.000 Lkw bei Kufstein die Grenze zu Deutschland.
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