Schnell sind dann aber auch die Bedenken des ganz linken Parteiflügels der SPÖ – vertreten durch die Jugendorganisationen – verstummt, für die ein Bündnis mit dem neoliberalen Erzfeind undenkbar war.
Und tatsächlich: Bis dato funktioniert die Koalition ohne spürbare Friktionen, was wohl auch mit dem sehr guten persönlichen Verhältnis zwischen Ludwig und Wiederkehr zu tun hat. Trotz des beträchtlichen Altersunterschieds, trotz des enormen Unterschieds in puncto politischer Erfahrung.
„Sie passen von ihrer Art her gut zusammen, sind beide keine Polterer“, sagt Politik-Berater Thomas Hofer. Da hat Ludwig schon mehr mit seinem Stadtrat Peter Hacker zu kämpfen, wenn der wieder einmal nach unkonventionellen Vorstößen in Sachen Corona-Management auf Linie gebracht werden muss.
Womit wir schon beim Thema wären, das jedes andere völlig in den Schatten stellt: Während die Stadtregierung im Sommer noch den Eindruck erweckte, wenig trittfest durch die Corona-Krise zu wandeln, steht Wien mittlerweile als Vorbild für andere Bundesländer da. Allen voran bei der Bereitstellung von gewaltigen (und kostenlosen) Testkapazitäten.
Zur wirtschaftlichen Bewältigung der Krise wird ein Paket nach dem anderen geschnürt.
Wobei nicht alles gelingt – wie etwa die temporäre Verstaatlichung schwer getroffener Betriebe. Für eine abschließende Bewertung der Corona-Wirtschaftshilfen ist es aber noch viel zu früh.
Dies gilt auch für viele der Maßnahmen, die im rot- pinken Regierungsprogramm angekündigt werden. Allen voran mehr Personal im Bildungs- und Gesundheitsbereich. Zu oft stellte sich in der Vergangenheit schon heraus, dass es – etwa beim Spitalspersonal – bei Ankündigungen blieb oder mit Umschichtungen reine Kosmetik betrieben wurde.
Diese Gefahr ist auch beim Kernthema Klimaschutz groß. „Ein paar Bäume irgendwo, das ist kein Klimaschutz“, merkte zuletzt der TU-Verkehrsforscher Ulrich Leth angesichts der bisherigen Aktivitäten der neuen Koalition an. Wobei selbst die Grünen auf diesem Gebiet in der Endphase ihres Wirkens im Schatten der Corona-Krise auch eher nur Staub aufwirbelten, als nachhaltige Akzente zu setzen.
Staub aufwirbeln ist hingegen nichts, was Wiederkehr besonders liegt. Und vielleicht fehlt deshalb noch das große, genuin pinke Leuchtturm-Projekt in dieser Regierung. Ein digitaler Briefkasten zur Meldung von Korruptionsverdachtsfällen wird eher nicht dazuzuzählen sein.
Bei den Wienern scheint die Regierung jedenfalls anzukommen: Laut jüngsten Umfragen legen beide Regierungspartner wie berichtet zu, die SPÖ sogar deutlich.
Wobei hier auch der Reiz des Neuen eine gewisse Rolle spielen dürfte. „Die Wirklichkeit“, sagt Meinungsforscher Peter Hajek, „zeigt sich meistens erst im zweiten, dritten Koalitionsjahr“.
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