Die Wiener Stadträte – und wie sie sich bewähren
Morgen, Dienstag, präsentiert die rot-pinke Stadtregierung eine Bilanz der ersten hundert Tage seit der Angelobung. Der KURIER analysiert vorab die Leistung der einzelnen Stadträte: Was OGM-Chef Wolfgang Bachmayer, Politikberater Thomas Hofer, Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle und KURIER-Wien-Chef Christoph Schwarz über deren bisheriges Wirken sagen.
Michael Ludwig (Bürgermeister)
Wolfgang Bachmayer: "Ruhige Hand in bewegten Zeiten. Von Vorgänger Häupl nicht nur durch ein besseres Wahlergebnis, sondern auch durch das neue Koalitionsmodell mit den Pinken abgenabelt."
Thomas Hofer: "Mit der Bildung der Koalition mit den Neos spielt er auf bundespolitischer Ebene eine stärkere Rolle als zuvor. Parteiintern ist die Wiener SPÖ wieder wichtiger."
Kathrin Stainer-Hämmerle: "Hat mit der Koalition überrascht und sich auch von Vorgänger Häupl endgültig emanzipiert. Ist auf der Corona-Bühne mittlerweile eine Stimme der Vernunft."
Christoph Schwarz: "Gibt sich seit dem Wahlerfolg nicht mehr kämpferisch, sondern staatsmännisch. Hat in Corona-Fragen sogar seine Liebe zum türkisen Kanzler entdeckt. Solide."
Christoph Wiederkehr (Bildung, Integration)
Wolfgang Bachmayer: "Senkrechtstarter. Die Koalition hatte fast niemand am Ticket. Vor der Wahl titelten manche Medien noch „Der unbekannte Herr Wiederkehr“. Das wird sich bald ändern."
Thomas Hofer: "Er hat den Ball bisher eher flach gehalten. Das ist aber nicht falsch, ist doch die Ausrutschgefahr bei jemandem mit so wenig Regierungserfahrung sehr hoch."
Kathrin Stainer-Hämmerle: "Die politische Entdeckung im Jahr 2020. Sein Rhetorik-Talent ermöglicht ihm, mit Ludwig mitzuhalten. Mit Wunschressort belohnt, muss Umsetzungstalent beweisen."
Christoph Schwarz: "Startete mutig – etwa mit der Idee nach verpflichtenden Elternsprechtagen –, wurde aber von der SPÖ zurückgepfiffen. Muss sich beweisen, auch im Thema Integration."
Kathrin Gaal (Wohnbau, Frauen)
Wolfgang Bachmayer: "Agiert zurückhaltend. Wohnen wird in der nahenden Arbeitsmarktkrise ein Schlüsselressort. Nimmt
sich mehr der SPÖ-Kernklientel in den Gemeindebauten an."
Thomas Hofer: "Offensiv nach außen aufzutreten ist nicht ihre Sache. Sie agiert sehr unauffällig, ihre innerparteiliche Bedeutung darf man aber keineswegs unterschätzen."
Kathrin Stainer-Hämmerle: "Als Wohnbaustadträtin auf dem klassischen SPÖ-Karrieresprungbrett, Ludwig droht aber keine Gefahr. Leider auch zu leise bei Frauenpolitik. Unbekannt."
Christoph Schwarz: "Macht weiter das,was sie schon vor der Wahl gut konnte: Sie arbeitet im Verborgenen. Punktet mit ihrer sympathischen Art und hat noch keine Fehler gemacht ."
Ulli Sima (Stadtplanung, Verkehr)
Wolfgang Bachmayer: "Routinierte 'Allzweckwaffe'. Von Ludwig mit der wichtigen Stadtplanung betraut, wo unter grüner Führung manch Aufklärungswürdiges passierte – etwa beim Heumarkt."
Thomas Hofer: "Sie wurde von vielen Medien zu Unrecht schon abgeschrieben. Nach dem Ressortwechsel hat sie noch nicht die Strahlkraft entwickelt, die man von ihr gewohnt ist."
Kathrin Stainer-Hämmerle: "Rote Dauerbesetzung mit neuen grünen Aufgaben und Baustellen, die viel Platz für Inszenierung bieten. Aber auch von den Grünen ab jetzt am argwöhnischsten beäugt."
Christoph Schwarz: "Will alles anders und noch grüner machen als Birgit Hebein. Es könnte gelingen: Sima fällt mit konkreten Projekten auf, etwa am Praterstern oder am Neuen Markt."
Peter Hanke (Finanzen, Öffis)
Wolfgang Bachmayer: "Agiert ähnlich wie Ludwig ruhig, ohne große Worte. Angebot der SPÖ an die Wirtschaft und an bürgerliche Kreise. Wichtige Personalreserve für die Bundesebene."
Thomas Hofer: "Der „Sir“ unter den Stadträten soll im Stile eines Vranitzky oder Androsch rote Wirtschaftskompetenz verkörpern. Er ist jemand, der die Welt der Neos versteht."
Kathrin Stainer-Hämmerle: "Als Finanzstadtrat ist Peter Hanke zweifelsohne eine Machtzentrale, allerdings eine mit wenig Drang zur Öffentlichkeit."
Christoph Schwarz: "Wird immer einflussreicher. Seine Corona-Beteiligungs-GmbH ist kein voller Erfolg. Holt aber Sympathiepunkte, indem er Bäume verpflanzt und nicht umschneidet."
Peter Hacker (Gesundheit, Soziales)
Wolfgang Bachmayer: "Enorme Medienpräsenz durch Corona. Flügelstürmer in den traditionellen SPÖ-Kompetenzen Armut, Soziales, Gesundheit. Ebenfalls eine wichtige Personalreserve für den Bund."
Thomas Hofer: "Er hat bis dato die Corona-Krise sehr erfolgreich gemanagt. Sein Problem sind manche öffentlichen Auftritte, bei denen er sich nicht auf die Zunge beißt."
Kathrin Stainer-Hämmerle: "Polternd gegen Türkis-Grün – mit dem Glück, dass sich das Wiener Infektionsgeschehen zu seinen Gunsten entwickelt hat. Bleibt daher der launigste Oppositionspolitiker im Bund."
Christoph Schwarz: "Das Enfant terrible der Wiener SPÖ. Das bringt immer wieder Ärger mit Ludwig. Ist als linkes Aushängeschild aber schwer ersetzbar. Könnte es noch weit bringen."
Jürgen Czernohorszky (Klima, Umwelt)
Wolfgang Bachmayer: „Klimathema ist strategisch wichtig. Wird versuchen, Stimmen von den Grünen abzuziehen. Verbindungsmann zur Funktionärsbasis und Wählerschaft der Innenbezirke.“
Thomas Hofer: „Der Zukunftshoffnung der Partei ist der Abschied vom Bildungsressort sicher nicht leicht gefallen. In seiner neuen Funktion ist er bisher noch recht unauffällig.“
Kathrin Stainer-Hämmerle: „Statt Bildung nun unbedankter Einspringer für die grünen Themen Klima, Umwelt und Demokratie. Opfer der Regierungsverhandlungen.“
Christoph Schwarz: „Das – für ihn – neue Umweltthema interessiere ihn nicht sonderlich, heißt es aus SPÖ-Kreisen. Inhalte? Bisher Fehlanzeige. Jugendlicher Charme alleine reicht nicht .“
Veronica Kaup-Hasler (Kultur, Wissenschaft)
Wolfgang Bachmayer: „Bisher wenig politische Handschrift erkennbar, Corona überdeckt alles.“
Thomas Hofer: „Sie ist weder in der Corona-Krise noch davor durch öffentlichkeitswirksame Initiativen aufgefallen. Das war aber bei ihrem Vorgänger kaum anders.“
Kathrin Stainer-Hämmerle: „Kultur und Pandemie-mission impossible. Noch gelingt die Balance. Doch die Kulturszene kann gnadenlos sein, siehe das Schicksal von Ulrike Lunacek.“
Christoph Schwarz: „Ihr ehrliches Bemühen um die Kultur nimmt man ihr ab. Muss seit Corona Mängelverwaltung betreiben. Geistreich, sympathisch. Der Öffentlichkeit ist sie aber unbekannt.“
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