Als Wien vor zwei Monaten das flächendeckende Parkpickerl einführte, musste Niederösterreich reagieren – und bestrafte all jene, die zwar die meiste Zeit im Speckgürtel um Wien leben, ihren Hauptwohnsitz aber lieber in einer kleinen Stadtwohnung melden. Das Land hat Zweitwohnsitzern kurzerhand das Wahlrecht auf Landes- und Gemeindeebene entzogen.
Um ein Parkpickerl beantragen zu können, muss man nämlich in Wien hauptgemeldet sein. Die niederösterreichischen Gemeinden fallen im Gegenzug um viel Geld um – und zwar pro Person um jährlich rund 800 bis 1.200 Euro aus dem Finanzausgleich. Tatsächlich nützen Zweitwohnsitzer die von den Kommunen bereitgestellte Infrastruktur, die Gemeinden erhalten für sie vom Bund aber keine Ertragsanteile. Niederösterreich rechnet mit rund 90.000 potenziellen Pickerlflüchtlingen.
Dass Niederösterreich so konsequent reagiert, ist nur ein Beleg dafür, wie groß das Problem mit den Zweitwohnsitzern in Österreich geworden ist. Und das aus ganz unterschiedlichen Gründen.
In der Ostregion sind es vielfach die Pendler und klassische Wochenendhausbesitzer, die für Unmut sorgen – in den Tourismusregionen im Süden und Westen Österreichs sind es Urlauber mit Zweitwohnsitzen, die nur saisonal zu Besuch kommen.
Die Gemeinde Attersee im Salzkammergut ist ein Paradebeispiel: Hier gibt es 1.600 gemeldete Hauptwohnsitze – aber 1.800 Zweitwohnsitze, ausschließlich Ferien- oder Urlaubsdomizile. Fast jedes zweite Haus steht den Großteil des Jahres leer. Das „Phänomen der kalten Betten“ bringt Schwierigkeiten mit sich: Grundstückspreise steigen, Kindergärten und Schulen werden leerer.
Kaum Lenkungseffekt
Attersee steht damit nicht allein. In Oberösterreich müssen knapp 30.000 Menschen Freizeitwohnungspauschalen bezahlen, 43 Prozent im Salzkammergut. So eine Abgabe ist einer der Hebel, die die Bundesländer bereits nützen können. In Oberösterreich geht das über Zuschläge auf die Tourismusabgabe. Kärnten und Vorarlberg haben eigene Abgaben für Zweitwohnsitze, Tirol ebenfalls. Dort sind reine Freizeitwohnsitze seit 2016 bewilligungspflichtig.
Lenkungseffekt hat das kaum. Grob gerechnet bringt eine Ferienwohnung bis zu zwei Drittel weniger Geld fürs Gemeindebudget als ein Hauptwohnsitz – Geld vom Bund gibt es nämlich nur für Letztere. Die geringen Abgaben für Zweitwohnsitze – in der Steiermark wurde eben maximal 1.000 Euro pro Jahr für 100 Quadratmeter beschlossen – gleichen das nicht annähernd aus. In Attersee etwa reagierte die Gemeinde mit sogenannten Vorbehaltsgebieten, nur unter eingeschränkten Rahmenbedingungen dürfen neue Zweitwohnsitze gemeldet werden.
Auch Corona wirkte sich aus
Auch in Kärnten dürfen Gemeinden seit 2016 Abgaben einheben. Am Beispiel Velden zeigt sich aber: Die Summe ist für die meisten Eigentümer unerheblich. Für eine 60 bis 90 Quadratmeter Wohnung in der teuersten Zone beträgt besagte Abgabe nämlich nur 41,30 Euro pro Monat.
Ausgerechnet die Corona-Pandemie scheint das Problem verschärft zu haben: Zog es vor Corona jährlich rund 30 neue Teilzeit-Veldner an den Wörthersee, gab es allein 2020 insgesamt 213 Neuanmeldungen. Die Leute verbringen im Sommer ein paar Wochen am See – im Winter stehen die Wohnungen leer. Die Preise für die Infrastruktur treiben sie so in die Höhe, dass auch die anderen Bürger tiefer für Kanal oder Müll in die Tasche greifen müssen.
Ähnliche Probleme kennt das Burgenland, wo eine minimale Tourismus-Abgabe in speziellen Zonen eingehoben werden darf: Während der Pandemie, als etwa nur noch Anrainern der Zugang zum Neusiedler See erlaubt war, stieg die Zahl der Zweiwohnsitzer sprunghaft an.
Salzburg wiederum setzt auf strenge Kontrollen: Alle Zweitwohnsitze mussten 2019 gemeldet werden. Der Rücklauf war enden wollend, bis heute dürfte es 40.000 illegale derartige Wohnsitze geben. Ausgewiesene Zweitwohnsitzgebiete wurden seither in 82 der 119 Kommunen eingerichtet – wer einen illegalen Zweitwohnsitz hat, riskiert Strafen von bis zu 25.000 Euro. Auch eine Leerstandsabgabe von maximal 1.000 Euro pro Jahr soll noch vor dem Sommer kommen.
Zurück nach Niederösterreich, wo den insgesamt 300.000 Zweitwohnsitzern sogar noch weiteres Ungemach droht: Auch hier will man bis 2023 über eine Infrastrukturabgabe nachdenken.
Den Bund gefordert sieht übrigens Wien, wo seit den 1970ern regelmäßig über das Thema gestritten wird. Die geschätzte Zahl der leeren Wohnungen: 30.000.
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