Jedes zehnte Schloss in Österreich steht zum Erwerb. Manchmal macht der Kaufpreis aber nur einen Bruchteil der Investitionen aus. Ein Besuch bei Schlossbesitzern Bernadette und Hans Macher.
Er ist zwar nicht Brad Pitt, auch nicht Dietrich Mateschitz und adeliger Abstammung ist er auch nicht – aber eines hat er trotzdem: ein Schloss. Und damit jede Menge Arbeit. „Da geht es uns Vögeln, die so etwas haben, allen gleich. Außer man ist Didi Mateschitz, dann kann man die Arbeit von anderen machen lassen“, sagt Jung-Schlossherr Hans Macher (68) lachend. Erst in den vergangenen Wochen seien seine Frau Bernadette und er damit beschäftigt gewesen, eine herabgestürzte Befestigungsmauer abzusichern und wieder aufzubauen. Sie an der Mischmaschine, er an der Maurerkelle.
Die Machers erwarben das Schloss Arnfels an der südsteirischen Weinstraße im Dezember 2013. Von Sommerschlussverkauf kann hier keine Rede sein. Es war, wenn man so will, wohl eher Winterschlussverkauf – denn vier Jahre lang suchte die Vorbesitzerin bereits erfolglos Käufer für das Schloss, das aus einer Burg aus dem 13. Jahrhundert hervorging. Die alte Dame sei mit dem Verkaufspreis bereits stark vom Ursprünglichen heruntergegangen gewesen, erzählt Bernadette Macher.
„Und dann haben wir gesagt, was wir zahlen können – das, was wir vom Verkauf unseres Vierkanthofs in Oberösterreich in Aussicht hatten – weil, verschulden willst du dich ja auch nicht bei dem, was hier alles zu machen war.“ In echt habe das Anwesen „noch schlimmer“ ausgesehen als auf den Makler-Bildern. Keine Spur von dem strahlenden Gelb, in dem das Schloss jetzt leuchtet, „teilweise schwarz, maximal beige“ seien die Mauern gewesen. „Ich hab mir gedacht, wenn sie annimmt, ist es gut, wenn nicht, auch“, blickt die 64-Jährige zurück. Als das Okay der Hausherrin kam, dachte sie: „Na das kann ja heiter werden.“
Bis zu 30 Schlösser zum Verkauf
15 bis 30 Schlösser sollen derzeit in Österreich zum Verkauf stehen. Die Nachfrage sei größer als das Angebot, weiß Siegbert Sappert. Aber nicht alle Anfragen sind ernst zu nehmen, sagt der Spezialist für ehrwürdige Gemäuer im Immobilienbüro Hendrich Real Estate: „Solche Spaßanfragen kommen immer wieder.“ Er überprüft und unterscheidet Menschen, die nur Luftschlösser bauen, von jenen, die neben belegbarer Wohlhabenheit auch die Bereitschaft erkennen lassen, den geschichtsträchtigen Charme zu erhalten, bereit sind, sämtliche Auflagen des Denkmalschutzes zu erfüllen.
Kaufpreise bewegen sich von 500.000 bis 40 Millionen Euro – Objekte vom eher selten angebotenen totalen Sanierungsfall bis zur detailliert renovierten Nobelunterkunft mit Hubschrauberlandeplatz und Golfanlage, die zumindest 9 Löcher bietet. „Es ist auch vorgekommen, dass 100 Millionen gezahlt wurden“, weiß Sappert. Diskret bleiben Ort und Käufer.
3000 Schlösser hat er in seinem Leben schon besucht, hat Architektur, Kunstgeschichte studiert, sich intensiv mit Denkmalpflege und der Sanierung historischer Gebäude beschäftigt. Spuren von blauem Blut steckt auch in Sapperts Familiengeschichte. Manchmal kein Nachteil in Gesprächen mit der Kundschaft.
Viel zu bewohnen
Hans Macher wollte eigentlich nur einen Wald. Den hat er jetzt: 57 Hektar davon, dazu noch 2 Hektar Weingarten und 4 Hektar Wiesen. „Ein zweites Schloss hätte ich damals auch noch haben können. Verkaufen wollten alle immer nur mit Gebäude“, erzählt der 68-Jährige. „Wir haben praktisch Vierkanthof gegen Schloss getauscht“.
Das Schloss ist nun „unsere Lebensaufgabe. Wenn du es einigermaßen schön und sauber haben willst, dann musst du ordentlich Gas geben“, sagt der pensionierte Schlosser. Es sei zwar sofort einzugsbereit gewesen, aber rundherum habe es einiges zu tun gegeben. Zunächst wurden die Fassade gemacht und die Balkonüberdachung erneuert, danach wurden die Fenster gestrichen. Rund 470 m2 Wohn- und Nutzraum gibt es.
Bei einem Rundgang durch die historischen Räumlichkeiten im Obergeschoß gibt es einiges zu entdecken. Überall Möbel mit Geschichte – teils mit dem Schloss, oft über willhaben erworben – einige mit Laken abgedeckt. „So viel können wir gar nicht wohnen, um alles hier zu bewohnen“, erklärt Bernadette Macher. Deswegen hat das Ehepaar auch zwei Ferienwohnungen eingerichtet. „Wir sind im eigentlichen Wohntrakt nur zum Fernschauen und Schlafen“, sagt die Schlossherrin, die sich immer wieder kurz entschuldigt, um in die Stube zu flitzen, wo sie nach der köchelnden Suppe und dem Kuchen im Rohr schaut.
Was als Schloss definiert ist, muss nicht immer der herkömmlichen Vorstellung entsprechen. Siegbert Sappert kennt sich aus mit diesen speziellen Immobilien. Seine Definition: „Es kann durchaus auch nur ein Wohnhaus einer Adelsfamilie sein, die es zu repräsentativen Zwecken, oder als Zentrum der Verwaltung errichtet hat.
Unter Burg wird grundsätzlich eine mittelalterliche Wehranlage verstanden. Im Gegensatz zum Schloss diente die Burg dazu, ihre Bewohner durch ein stabiles Gemäuer, auch durch einen Graben vor Angreifern zu schützen.
15-30 Schlösser sollen derzeit in Österreich im Kaufangebot stehen. Die Nachfrage dürfte aber größer sein.
Nur ein Zehntel ist am Markt
Evelyn Hendrich, Chefin von Hendrich Real Estate, charakterisiert ihre Kundschaft wie folgt: „Grundsätzlich ist es ein internationales Geschäft. Allerdings haben jene, die aus dem Ausland kommen, sehr oft österreichische Beziehungen. Wir sind ja weder Monaco, noch leben wir an der Côte d'Azur, wo sich das Who is Who der Welt trifft. In Österreich ist kein Goldrausch ausgebrochen.“
Ein großer Irrtum sei, reiche Russen hätten sich reihenweise auf den prestigeträchtigen Erwerb von Schlössern gestürzt. „Sie suchen eher den glitzernden Prunk, Villen und Penthäuser. Es ist ein Irrglaube, in einem Schloss sei alles aus Gold und Marmor.“
Gefragt sind Schlösser in der Nähe von Städten. Vor allem von Wien. Ungefähr 300 Objekte findet man in Österreich. „Auf dem Markt ist aber höchstens ein Zehntel“, sagt Hendrich. Viele, die ursprünglich verkaufen wollten, haben sich ihre Schlösser behalten, um während der Pandemie nicht ihr Geld zu parken, sondern Freiheit und den nötigen Auslauf zu erhalten. Die momentane Situation: „Es wird mehr gesucht, als angeboten.“ Sapperts Erfahrungsbericht dazu: „Früher dauerte es drei bis sechs Jahre, bis ein Objekt tatsächlich verkauft wurde, jetzt hat sich das auf ein bis zwei Jahre reduziert.“
Tagwache
Für die Machers beginnt der Schlossalltag um 7 Uhr mit dem Ausmisten des Stalls von Anton, Herbert und den 50 anderen Geissen (alle haben einen Namen). „Meine Rasenmäher – sie sorgen dafür, dass das Rundherum nicht verwildert“, sonst müsste man mit der Sense die steilen Hänge rund um das Anwesen mähen.
Was als Nächstes ansteht? „Die Kapelle. So eine gehört hier einfach dazu“, sagt Bernadette Macher. Einst gab es eine am Hang, jetzt wird sie im ehemaligen Gemeindekerker im Schloss eingerichtet. Und dann? „Weiterarbeiten so lange du kannst, vielleicht macht später ja jemand anderer weiter“, meint der Schlossherr.
Brad Pitt hat eines, Mick Jagger auch und Dietrich Mateschitz besitzt gleich mehrere. Immerhin eignet sich nichts besser als außergewöhnliches Eigenheim als ein Schloss. Und nicht selten sind die Besitzer so exzentrisch wie ihre eigenen vier Wände.
Gottfried Helnwein
Bestes Beispiel: Gottfried Helnwein. Der Künstler hat ein regelrechtes Faible für Prachtbauten adeliger Familien. So lebte er bis 1997 in Schloss Burgbrohl in der Eifel, tauschte dann jedoch die rheinland-pfälzische Hügellandschaft gegen jene Irlands. Seither ist er Schlossherr von Castle Gurteen de la Poer. Mit dem Österreicher kehrte auch das Spektakel in die Abgeschiedenheit der Gegend ein. So überließ Helnwein dem Schock-Rocker Marilyn Manson und Stripperin Dita von Teese die historischen Mauern für ihre Hochzeit im Jahr 2005.
Mohammad bin Salman
Wem echte Historie nicht ganz so wichtig ist, der Preis aber trotzdem hoch sein darf, könnte dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman ein Angebot machen. Er erwarb 2015 das Château Louis XIV. Damals mit 275 Mio. Euro das teuerste Haus der Welt. Das Schloss nahe Paris sieht aber nur alt aus, errichtet wurde es nämlich zwischen 2008 und 2011. Der Name soll eine Hommage an Frankreichs Sonnenkönig sein, bekanntlich ebenfalls nicht dem Prunk abgeneigt.
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