Anarchie, Vergewaltigungen und Plünderungen? Oder doch starker Zusammenhalt in der Bevölkerung und große Hilfsbereitschaft?
„Was bei einem Blackout wirklich passiert, weiß niemand, weil es schlichtweg noch keine entsprechenden Erfahrungen gibt“, sagt Gerald Hesztera, Panikmache sei jedenfalls nicht angebracht. Der Niederösterreicher ist Leiter der Strategieabteilung im Innenministerium und arbeitet seit Mai an den verschiedensten Szenarien für den Ernstfall.
Dabei rechnet zwar kein Experte damit, dass es - wie in manchen Büchern, Filmen und von angeblichen Experten dramatisch geschildert - zu einem wochenlangen Stromausfall in ganz Europa kommt, aber lokale Gebrechen, Terroranschläge bis hin zu kriegerischen Handlungen (siehe Ukraine) können Netze durchaus zum Kollabieren bringen.
Keine Ernährung
Auch wenn das offiziell niemand bestätigt: Österreich ist nicht fit für den großen Ernstfall. Die Ernährung der Bevölkerung über längere Zeit ist ebenso unmöglich wie die Versorgung mit Benzin. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die Exekutive gut vorbereitet ist.
„Wichtig in Krisen ist es, dass die Polizei sichtbar ist. Je mehr Polizisten unterwegs sind, desto sicherer ist es“, erklärt Hesztera. Deshalb ist es das Ziel des Innenministeriums möglichst viele Fahrzeuge und Beamte möglichst lange in Bewegung zu halten.
Wichtig: Funk, Benzin
Dabei können die Rahmenbedingungen mehr als ungünstig sein: Der Verkehr ist zusammengebrochen, es gibt keinen funktionierenden Polizeifunk, wenn nicht rasch reagiert wird und Benzin ist Mangelware. Dazu wohnen viele Beamte weit entfernt von ihren Dienststellen. Allein in Wien arbeiten Tausende Polizisten, die in Niederösterreich oder dem Burgenland leben. Bis zu 10.000 Soldaten könnten voraussichtlich zusätzlich für Assistenzleistungen angefordert werden.
Ein Standbein ist die Motivation der insgesamt mehr als 30.000 Polizisten. Blaupause dafür ist der Terroranschlag von Wien. „Wir haben gesehen, dass sich damals enorm viele Kollegen in den Dienst gestellt haben “, berichtet Hesztera. Doch dafür benötigt man langfristig beheizte Dienststellen, ausreichend Essen und funktionsfähige Funkstreifen.
Insellösung
Der Blackout-Plan der Polizei sieht deshalb aktuell 120 „Inseln“ vor, wo es ausreichend Nahrungsmittel und Strom gibt. Dafür sollen spezielle Solaranlagen und Notstromaggregate angeschafft werden.
Innenminister Gerhard Karner hat deshalb nun mehr als 25 Millionen Euro freigegeben. "Die Sicherheit Österreichs steht im Fokus. Deshalb investieren wir umfassend in eine krisenfeste Infrastruktur für die Polizei", sagt Karner.
Bleibt das Problem Polizeifunk. Die entsprechenden Antennen sind weit verstreut und die Zahl hoch, der Polizeifunk läuft über die Antennen eines heimischen Netzbetreibers. Innerhalb einer Stunde muss reagiert werden, damit alles voll funktionsfähig bleibt.
Beamte handeln autark
Die einzelnen Polizeiinspektionen müssen aber gerüstet sein, notfalls autark zu arbeiten, da es möglicherweise keine Verbindung zu Vorgesetzten gibt. Dabei hilft, dass die Polizisten ohnehin gewohnt sind selbstständig zu arbeiten. Im Blackoutfall sollen sie in ihrem Bereich ohne Anleitung aber auch auswärtige Hilfe für Sicherheit sorgen. Laut Hesztera zeigte sich in der Analyse allerdings, dass viele Dienststellen und Gemeinden hier bereits Vorkehrungen getroffen haben.
Dass es überhaupt einen großen Stromausfall gibt, erfährt das Innenministerium jedenfalls als einer der ersten. Es gibt rund um die Uhr eine Verbindung zur Austrian Power Grid. Die APG überwacht ständig das Stromnetz und meldet jeden gröberen Ausfall innerhalb von Sekunden an das Ministerium. Der Diensthabende würde dann direkt den Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit oder den Generalsekretär alarmieren - und dieser wiederum den Blackoutplan in Kraft setzen.
„Oberstes Ziel ist, dass alles sehr rasch geht“, sagt Analyst Hesztera. Als Devise gilt aber, lieber einmal zu viel aktivieren, denn alle Maßnahmen können auch rasch wieder zurückgefahren werden. In manchen Bereichen muss es aber sehr rasch gehen.
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