Steigt über die steinernen Stufen der einstigen Wäschereibaracke des Konzentrationslagers Mauthausen in Oberösterreich hinab. An jenen Ort, an dem einst Häftlinge nach ihrer Ankunft geduscht und desinfiziert wurden.
190.000 Menschen wurden von 1938 bis 1945 im KZ Mauthausen und seinen Außenlagern gefangen gehalten. Mindestens 90.000 starben durch die Gräuel des Systems der Nationalsozialisten.
Das Symbol des Nationalsozialismus, es fand sich auch auf der Außenmauer des Jüdischen Friedhofs in Wien wieder, der in dieser Woche Ziel eines Brandanschlags und der Beschmierung werden sollte.
Die Hetzjagd auf Juden, sie scheint wieder allgegenwärtig in einem Land, das sich „nie wieder“ verordnet hatte.
Zuvor hatten Jugendliche die Fahne Israels am Wiener Stadttempel zerstört. In Deutschland wurden Türen von Jüdinnen und Juden beschmiert, ein Brandanschlag auf eine Synagoge verübt. Alles im Jahr 2023.
Wie geht jener Ort, an dem es zur systematischen Tötung von Menschen kam, mit Hass um?
Eine erste Antwort liefert das Hakenkreuz im Keller der KZ Gedenkstätte Mauthausen. Eingeritzt in die weiß-gelbliche Mauer. Nicht überspachtelt, sondern hinter Glas gesetzt. Ganz bewusst.
Wer einordnen will, der spricht mit Gudrun Blohberger, Pädagogische Leiterin der Gedenkstätte. „Es gibt gewisse Orte in der Gedenkstätte, an denen sich besonders viele Graffitis finden. Uns war wichtig, diese zu kontextualisieren, sie einzuordnen, und damit einzufrieren.“
Einordnen als Auftrag
So steht über dem „eingefrorenen“ Hakenkreuz im Keller ein Erklärtext, der mit folgender Textpassage beginnt: „Symbol des Nationalsozialismus – Verwendung in Österreich durch §3 Verbotsgesetz untersagt.“
Für die Gedenkstätte Mauthausen ist der Umgang mit Beschmierungen – oder Graffitis, wie es Blohberger nennt – eine Gratwanderung.
Im Jahr 2009 wurde die Außenmauer mit bis zu 70 Zentimeter großen Lettern beschmiert. Ein Bild der abgehängten Schmiererei findet sich noch heute im Museum der Gedenkstätte.
„Wir wollen dem keine Bühne geben und bringen zur Anzeige, was gegen das Gesetz verstößt, das sei ganz klar gesagt“, betont die pädagogische Leiterin.
Aber dann gebe es eben einen Bildungsauftrag. Und der beinhalte „die Sensibilisierung gegenüber nationalsozialistischer Wiederbetätigung, Antisemitismus, Rassismus, Diskriminierung von Minderheiten und Demokratiefeindlichkeit“, so steht es auf der Homepage. Und so habe sich der Umgang mit Schmierereien über die Jahre bewusst verändert.
„Wir reißen keine Seiten mit antisemitischen Sprüchen mehr aus Besucherbüchern, wir weisen die Besucher ganz bewusst darauf hin, dass es so etwas gibt und setzen alles in einen Kontext.“
Drei Besucherbücher sind es, die in der Gedenkstätte aufliegen. An Orten, an denen sich Besucher besonders oft verewigen wollen. Ob nun in Form eines Herzes, auch das gibt es, oder eben als Verstoß gegen das Verbotsgesetz.
Wer die Besucherbücher durchblättert, findet am 16. Oktober 2023 diesen Eintrag: „Jeder Mensch ist gleich viel wert.“ Darüber eine Textpassage, die überklebt wurde, mit dem Hinweis, dass sie die Würde der Opfer verletzt. Drei dieser Aufkleber finden sich nur in diesem einen Buch.
Eingefroren, eingeordnet, aufgeklärt.
33 Schändungen
Zum Einfrieren gäbe es vieles: Seit 2012 kam es an Gedenkstätten in Österreich zu 129 Schändungen. 33-mal war Mauthausen betroffen. Es ist zu befürchten, dass die Zahl steigt. Allein in den ersten 13 Tagen seit dem Angriff der islamischen Terrororganisation Hamas auf Israel wurden in Österreich 76 antisemitische Vorfälle gemeldet. Eine Steigerung von 300 Prozent – im Vergleich zum gesamten Jahr 2022.
Mit den Familien von Opfern und der Gedenkstätte Yad Vashem ist man in Oberösterreich im regen Austausch. „Wir sind in großer Sorge, um diese Menschen“, sagt Blohberger, ehe der Rundgang bei der einstigen Gaskammer ankommt.
3.455 Menschen wurden hier durch das Giftgas Zyklon B ermordet. Es wurde über Rohre und Duschköpfe eingeleitet. Die Rohre sind noch da. Die Duschköpfe nicht.
Mitgenommen von Besuchern – als Erinnerungsstücke.
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