IKG fordert mehr Schutz
Man stehe in engem Austausch mit der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), heißt es aus dem Innenministerium (BMI). „Die IKG informiert uns, wenn es zu Drohungen oder einem erhöhten Personenaufkommen kommt“, so ein BMI-Sprecher.
Oskar Deutsch, Präsident der IKG, forderte Donnerstagfrüh auf Ö3 mehr Schutz jüdischer Einrichtungen. Im KURIER-Gespräch verlieh er dieser Forderung noch einmal Nachdruck: „Bei der Sicherheit gibt es kein Limit.“
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Eine Empfehlung für die Bewachung jüdischer Friedhöfe gab es bereits lange vor der Attacke. Nach dem Brandanschlag heißt es jetzt aus dem Innenministerium, dass man das Schutzkonzept anpasse. Bei der LPD Wien, die mittlerweile „Spurenträger sichergestellt hat“, sich aus ermittlungstaktischen Gründen dazu aber nicht weiter äußert, kündigt man eine verstärkte Überwachung – etwa im Zuge des Streifendiensts und mit zivilen Kräften – an.
Zu einer flächendeckenden Kontrolle fehlt, geht es nach Gerüchten, allerdings das Personal. Man wolle Schutz bieten, habe aber schlicht keine Ressourcen.
Stimmt so nicht, dementiert das BMI. Der Schutz habe bisher gut funktioniert, der Fokus liege dabei aber stets auf Menschenleben. Gegebenenfalls könne man sogar noch aufstocken – wie es etwa im Rahmen von jüdischen Gedenkveranstaltungen und parallelen Pro-Palästina-Demos derzeit passiere.
Dass die Sicherheit jüdischer Menschen innerhalb des Schutzkonzepts oberste Priorität hat, bestätigt auch Deutsch, der meint, dass dieser Part bisher funktioniere. Man werde sich deshalb auch nicht einschüchtern lassen: „Das jüdische Leben geht weiter, das ist die stärkste Antwort auf Antisemitismus.“
Theoretisch könnte die Polizei um Unterstützung beim Bundesheer anfragen. Praktisch ist das bereits passiert. 90 zusätzliche Soldaten stehen derzeit im Einsatz. Ob weitere folgen? Aus Bundesheer-Kreisen heißt es dazu, dass die Polizei zu 100 Prozent für den Schutz jüdischer Einrichtungen zuständig sei.
Eine Anforderung wäre zwar jederzeit möglich, ob und wann und wie, obliege aber der Polizei. Kritik wird dennoch laut, dass es nicht militärische Kernaufgabe sei, die Arbeit der Polizei zu machen. Nicht zuletzt, weil auch beim Bundesheer der Personalstand nicht rosig ist.
Doch wie viel Personal würde es für die Bewachung benötigen? Ein Rechenspiel: In Österreich gibt es 64 jüdische Friedhöfe. Für die Überwachung von einem braucht es vier Personen pro Tag. Das macht mehr als 250 Wachleute nur für Friedhöfe. In der Realität kaum umsetzbar. Vor allem, da noch weitere kritische jüdische Einrichtungen hinzukommen.
Politische Reaktionen
Politisch wurde am Donnerstag Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) deutlich: „Unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger fühlen sich mittlerweile unsicher. Ja, sie haben Angst vor einer Welle des Antisemitismus, die über sie hereinzubrechen droht. Wir stehen an der Seite von Jüdinnen und Juden.“
Ähnlich äußerte sich Wiens SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig: „Ein friedliches und respektvolles Zusammenleben hat in unserer Stadt oberste Priorität. Es ist unsere historische Verpflichtung, jüdisches Leben und jüdische Institutionen zu schützen.“
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Aus New York meldete sich die Direktorin des Jüdischen Museums in Wien, Barbara Staudinger, zu Wort. Für sie sind nicht die Zuwanderer aus dem arabischen Raum für die Entwicklung verantwortlich, diese Erklärung greife zu kurz. „Es steckt auch ein gesellschaftliches Versagen dahinter. Man hätte viel mehr Arbeit in die Integration stecken müssen. Man hätte nicht viel zu lange wegschauen dürfen, es hätte vielmehr ein Frühwarnsystem für Hass gebraucht.“
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