Lichtermeer am Heldenplatz: 20.000 Menschen gedachten Hamas-Geiseln
"Meine Schwester wurde von der Hamas im Pyjama aus dem Bett geholt. Ihre letzte Nachricht an mich war, dass ich auf unsere Eltern aufpassen soll", sagte Alexandra Ariev am Donnerstagabend am Wiener Heldenplatz. Sie hielt ein Plakat mit ihrer entführten 19-jährigen Schwester in die Höhe.
"#YesWeCare"
Unter dem Motto "Bring them home" ("Holt sie nach Hause") versammelten sich Donnerstagabend laut Veranstalter 20.000 Menschen zu einer Gedenkveranstaltung, unter ihnen mehrere Angehörige von Geiseln. Um 18 Uhr lud die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) und die zivilgesellschaftliche Initiative "#YesWeCare" am Heldenplatz zu einem Lichtermeer. Laut Mitorganisator Daniel Landau haben über 20.000 Menschen am Lichtermeer teilgenommen.
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Außerdem soll durch die Veranstaltung ein Zeichen gegen Antisemitismus, Terror, Gewalt und Hass gesetzt werden.
"Nach den Terroranschlägen ist die weltweite Anteilnahme groß. Es ist die Aufgabe von uns allen, bei jeder Gelegenheit, auf die Befreiung der 240 Geiseln zu drängen", sagte Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde. Die Geiseln seien in der Gewalt von Monstern, die die grausamste Art von Verbrechen ausüben. Man würde als Community weltweit solidarisch dem Hass entgegenstehen.
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Auch der designierte israelische Botschafter David Roet sprach zu den Teilnehmern. "Der 7. Oktober teilt die Geschichte in ein 'Davor' und 'Danach' ein. Ich bin wütend und geschockt über diesen barbarischen Akt", sagte Roet. Es gebe noch so viel zu sagen, aber es gehe jetzt darum, die Geiseln nach Hause zu holen. Zu ihren Eltern, Brüdern, Schwestern, Ehemännern und Freunden.
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"Es gibt keine Worte, um über unschuldige Frauen, Männer, Kinder zu sprechen, die aus ihrem Leben gerissen wurden. In ihrem Pyjama, oder im Partygewand. Es sind nun 27 Nächte vergangen, seit wir diesen Albtraum träumen. Es muss alles getan werden, um die Geiseln heimzubringen", sagt eine junge Frau vor den Teilnehmern des Lichtermeeres.
"Es geht nicht um eine Seite"
Auch sie selbst habe durch den Konflikt einen Freund verloren: "My friend was a real treasure to the world", so die Rednerin. Die Person habe immer ein Lächeln im Gesicht getragen. "Liebe Familien, wir stehen euch bei und unterstützen euch. Wir beten gemeinsam für eure Liebsten", sagte die junge Frau.
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Es gehe in diesem Konflikt auch gar nicht darum, sich für eine Seite zu entscheiden, sondern sich gemeinsam gegen den Terror zu entscheiden, ergänzte ein weiterer Angehöriger.
Die Anteilnahme bei den Teilnehmern war groß: "Ich bin heute hier als Jüdin. Ich kenne Personen, die in Israel verschleppt wurden", sagte Alisa. Die 20-jährige Studentin betonte, dass es Opfer auf beiden Seiten gebe.
"Das muss man auch klar anerkennen. Aber es ist etwas anderes, wenn man die Opfer auf beiden Seiten nur betont, um das eine Leiden zu vermindern", so Alisa.
"Ich glaube nicht an die zwei Staaten mittlerweile. Ich finde, es gibt einen palästinensischen Staat und der heißt Jordanien", sagt Dan, der ebenfalls bei der Gedenkveranstaltung teilnahm. Gemeinsam für den Frieden demonstrieren will der 52-Jährige deshalb nicht.
Die Veranstaltung wurde polizeilich streng überwacht. Sowohl zivile als auch uniformierte Beamtinnen und Beamte waren im Einsatz. Etwaige Spontankundgebungen bzw. Störaktionen konnten von den Einsatzkräften vorab nicht ausgeschlossen werden. Während der Veranstaltung blieb es aber ruhig.
Zweite Veranstaltung am Stephansplatz
Anlassbezogen unterstützten auch Dolmetscher die laufende polizeiliche Lagebeurteilung während der Kundgebungen. Details zum Einsatz wollte die Wiener Polizei im Vorhinein aus einsatztaktischen Gründen keine nennen.
Die zweite Veranstaltung, eine Pro-Palästina-Demo, begann um 17.30 Uhr am Stephansplatz. Rund 200 Personen nahmen an der Demonstration teil, die Stimmung war ruhig, wie ein KURIER-Lokalaugenschein zeigte.
Einige Teilnehmer hoben Plakate in die Höhe. "Israel mordet, EU macht mit", stand etwa auf einem Transparent. Auch "Kindermörder Israel" war zu sehen, es wurde "Free, free Palästina" skandiert.
Eine der Teilnehmerinnen war Brillant, die eine Palästina-Flagge in der Hand hält. "Ich bin nur für den Frieden hier", sagte die 26-Jährige. Sie wäre auch an einer gemeinsamen Demonstration nicht abgeneigt, solange man einen Konsens findet.
Wegen der jüngsten Eskalation im Nahost-Konflikt und des Terroranschlags in Brüssel sehen die Sicherheitsbehörden auch in Österreich eine "konkrete Gefährdungslage und erhöhte Anschlagsgefahr".
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Deshalb wurde die Terrorwarnung auf die zweithöchste Stufe angehoben. Nicht nur jüdische Einrichtungen, sondern auch öffentliche Plätze und Veranstaltungen werden verstärkt bewacht.
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