Dauerkälte dezimiert Bienenvölker

Colorful yellow and blue beehives covered with snow
Der kälteste April seit 69 Jahren führt zu einer späteren Ernte. Das Ausbleiben der Obstblüte trifft Touristiker.

Jetzt ist es amtlich. Die unbestechliche Statistik bestätigt unser Wettergefühl. Einen meteorologisch ungemütlicheren Frühlingsbeginn gab es zuletzt 1944. Zwar hatten die Menschen damals – zu Kriegszeiten – andere Sorgen, aber die ausgewerteten Wettermodelle bestätigen:

Laut Prognose wird der 7. April 2013 der 17. Tag hintereinander sein, an dem die Temperaturen in Wien und Umgebung die Zehn-Grad-Marke nicht erreichen (siehe auch Hintergrund unten). Zwar ist der Westen Österreichs mit weniger Schnee und moderateren Temperaturen etwas bevorzugt – trotzdem ist auch in der Westhälfte des Landes der heurige Frühlingsbeginn deutlich zu kalt ausgefallen.

Spätere Ernte

In weiten Teilen der österreichischen Landwirtschaft wird der Dauerwinter mit gespannter Nervosität beobachtet. Bei frühem Gemüse wie dem Spargel, aber auch bei Erdbeeren oder Frühkartoffeln muss heuer mit größeren Verzögerungen bei der Ernte gerechnet werden. „Relevante Daten über mögliche Schäden liegen uns aber noch nicht vor“, erklärt Markus Simak von der Österreichischen Hagelversicherung.

Dauerkälte dezimiert Bienenvölker
Kälte, Schnee und Nässe sorgen aber für dramatische Meldungen aus der Tierwelt. Neben einem Massensterben bei Singvögeln und jungen Hasen wird es bei den Bienen zu gewaltigen Ausfällen kommen. „Wir befürchten große Verluste. Das Winterfutter geht zu Ende und die Tiere verhungern“, sagt Josef Niklas vom Niederösterreichischen Imkerverband. Temperaturen unter zehn Grad machen den Imkern das Zufüttern unmöglich, damit wird die Zahl der Jungbienen in den Völkern extrem schrumpfen.

Das beschert auch den Obstbauern große Sorgen. Sie fürchten zu Recht massive Ausfälle, wenn sich zu wenige Bienen zur Befruchtung ihrer blühenden Obstkulturen einfinden.

Dauerkälte dezimiert Bienenvölker
obstbauer bernhard datzberger,Obstbauverband, Mostviertel
„Fehlende Bienen können ein Problem werden. Das Vegetationsstadium mancher Obstsorten ist um mehrere Wochen hinten. Das ist aber grundsätzlich noch kein großes Problem. Wenn es wärmer wird, kann die Natur wieder viel gutmachen“, ist Obstbauer Bernhard Datzberger aus dem niederösterreichischen Mostviertel noch optimistisch. Die berühmte Birnbaumblüte in der Region wird hier um drei Wochen verspätet, gegen Ende April erwartet.

In durchschnittlichen Jahren würden die Marillen in der Wachau schon blühen. Heuer sind nicht einmal Knospen sichtbar. Mindestens zwei Wochen muss man wohl noch warten. Geduld brauchen auch Gastwirte in der Wachau, deren touristische Saison eigentlich schon begonnen hat: Hartgesottene Wanderer kommen trotzdem, Indoor-Aktivitäten wie das Gourmetfestival schaffen einen Ausgleich. Aber: „Es ist sehr ruhig“, seufzt Wirt Ludwig Biebl aus Spitz.

„Als ich in der Früh den Schnee gesehen habe, war das ein Schock für mich“, blickt Aldona Gwalt, Verkäuferin der Boutique Grain De Malice Mittwochmittag verärgert auf die verschneite Mariahilfer Straße. Im Geschäft selbst riecht es nach Frühling. Die elegante Sommerkollektion – in den heurigen Modefarben orange und pink gehalten – erinnert daran, dass eigentlich Frühling ist.

„Vergangenes Jahr lief das Geschäft um diese Zeit hervorragend. Das französische Modelabel machte tolle Umsätze. „Unser Wintergeschäft lief auch wirklich gut. Der heurige März aber war schon ziemlich schwach. Und jetzt auch noch ein verdorbener April, das geht uns ans Gemüt“, versucht die tapfere Verkäuferin die miese Stimmung wegzulächeln.

Im Schuhhaus Gesta einige Geschäfte weiter regiert Kampfstimmung. Wie zum Trotz ist die bunte Auslage und der Eingangsbereich mit sehr schicker Sommerware dicht bestückt. Gewagte High Heels, bequeme Ballerinas und saloppe Sandalen stemmen sich Wind und lästigem Schneeregen entgegen. „Schauen Sie sich um. Der Kunde denkt noch nicht an das Frühjahr. Heute hat mich eine Dame gefragt, ob wir noch Stiefeletten haben. Dieses Wetter beunruhigt nicht nur unsere Branche. Der gesamte Bekleidungshandel leidet. Da gibt’s sicher Verluste um die 50 Prozent. Aber das holen wir wieder auf. Dann kommt halt ein superlanger Sommer“, legt Verkäuferin Tina Jovanovic gekonnt Zweckoptimismus an den Tag.

Schwer aufzuholen

Für Christoph Schneider, Leiter der Stabsstelle Wirtschaftspolitik in der Bundeswirtschaftskammer, ist Zweckoptimismus in vielen Branchen auch mehr als angebracht: „Dieser Umsatzeinbruch durch die Witterung wird bis zum Ende des Jahres schwer aufzuholen sein. Wir müssen froh sein, wenn zum Schluss eine schwarze Null steht. Da muss aber alles zusammenpassen.“

Vom Wetter betroffen sind nicht nur Landwirtschaft, Gärtnereien und Bekleidungsbranche. Schneider: „Das Baugewerbe, Dienstleister oder der gut gehende Städtetourismus sowie die Gastronomie leiden nachhaltig. Der Konsument fährt zur Zeit auf Minimalbetrieb.“

Nun ist es quasi amtlich: Das, was Ostösterreich derzeit wettertechnisch durchmachen muss, geht auch statistisch gesehen auf keine Kuhhaut. Genauer gesagt: Einen meteorologisch ungemütlicheren Frühlingsbeginn gab es zuletzt im Jahr 1944. Zwar hatten die Menschen damals wohl andere Sorgen als sich über das miese Wetter zu beklagen, dennoch: Laut Prognose wird der 7. April der 17. Tag hintereinander sein, in dem die Temperaturen in Wien die Zehn-Grad-Marke verfehlten. Ein neuer Minusrekord.

"Auch wenn die Schneemengen nicht aufregend sind - für Wien ist dieses Ereignis schon recht außergewöhnlich", sagt Alexander Orlik, Klimatologe an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Denn in Verbindung mit den konstant tiefen Temperaturen ergibt das schon eine beeindruckend ungastliche Mischung.

Westen im Vorteil

"In Wien gab es seit dem 22. März keinen Tag, an dem es über zehn Grad gehabt hat. Und so wie es aussieht, werden wir am 7. April den 17. Tag haben, an dem das der Fall ist", so Orlik. 16 Tage unter zehn Grad nach Frühlingsbeginn, das gab es zuletzt 1944 und 1906.

Dauerkälte dezimiert Bienenvölker
Ein Schneemann mit einer Mohrrübe als Nase steht am 29.03.2013 in einem Park in Leipzig (Sachsen). Karfreitag sind in Sachsen zum Teil bis zu zehn Zentimeter Neuschnee gefallen. Foto: Jan Woitas/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Noch eine Auffälligkeit: "In Wien haben wir aktuell (rund um den 3. April, Anm.) eine Abweichung zum langjährigen Mittel von sieben Grad", errechnete Orlik. In Poysdorf (NÖ) oder auch in Bad Gleichenberg (ST) sind es sogar knapp acht Grad. Zum Vergleich: In Innsbruck sind es lediglich drei. Überhaupt ist der Westen Österreichs etwas bevorteilt - weniger Schnee, weniger Kälte. Und trotzdem ist auch dort der Frühlingsbeginn 2013 deutlich zu kalt ausgefallen.

Auf Kälte könnte Rekordhitze folgen

Anlass zur Hoffnung bietet allerdings ein Blick in die meteorologischen Geschichtsbücher: Auch 2003 war anfangs kalt und nass, der Sommer brachte dann eine Hitzewelle. Die Wahrscheinlichkeit für einen schönen Vollfrühling und Frühsommer liegt bei etwa 45 Prozent. Jene für durchschnittliche bzw. für unterdurchschnittliche Temperaturen nur bei 25 Prozent, lautet die Prognose der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Klagenfurt. Mehr dazu hier.

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