Einstweilige Verfügung gegen Darmkrebsvorsorge-Projekt der Stadt Wien

Wien plant ein Früherkennungsprogramm für Darmkrebs nach dem Vorbild von „Alles gurgelt!“. Sprich: Der dazugehörige Test kann zu Hause durchgeführt werden (siehe Infobox weiter unten). Die Ankündigung sorgte bereits 2023 für Wirbel unter der Ärzteschaft. Mittlerweile hat sich der Disput zu einem Gerichtsstreit ausgewachsen.
Dem KURIER liegt eine einstweilige Verfügung des Verwaltungsgerichts Wien vor, nach dem das Vergabeverfahren für das „Darmkrebs-Screening“ vorerst ausgesetzt werden muss.
➤ Weiterlesen: Studie: Anstieg von Darmkrebs bei unter 50-jährigen Männern
Vergabeverfahren ist dabei das Stichwort. Die Unstimmigkeiten drehen sich darum, wer für die Abwicklung und Auswertung der Tests zuständig ist. Gesucht wird einerseits ein Anbieter, der die Logistik koordiniert, andererseits einer, der die Abklärung positiver Befunde mittels Darmspiegelung organisiert. Letzteres wird bei Ärzten kritisch gesehen, weil in ihren Augen die Stadt nicht berechtigt sei, ärztliche Leistungen auszuschreiben.
Die Sinnhaftigkeit der Screenings an sich wird nicht bezweifelt. Die Wichtigkeit von Früherkennungsprogrammen betonen auch der klagende Arzt Friedrich Anton Weiser und die Wiener Ärztekammer, die als Rechtsbeistand fungiert, auf KURIER-Anfrage.
Befürchtungen von Ärzten
Wie aus den Unterlagen hervorgeht, wird befürchtet, dass von der Stadt ein Parallelsystem zum Kassensystem aufgebaut werden soll – und es somit für Patienten und Ärzte unübersichtlicher werde.
Bei der FPÖ hegt man hingegen die Vermutung, dass bestimmte Unternehmer bevorzugt werden könnten. Bezogen wird sich dabei auf WePrevent, das sich schon an Ärzte bezüglich einer Zusammenarbeit gewendet hat. „Bei WePrevent besteht der Verdacht, dass ein Unternehmer mit besten Kontakten in das Büro von SPÖ-Stadtrat Peter Hacker zum Zug kommen soll. Daher muss diese Ausschreibung zurück an den Start“, sagt Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp.
➤ Weiterlesen: Lifebrain spitzt auf lukrativen Laborauftrag der Stadt Wien
Erkrankung
Darmkrebs ist die dritthäufigste Krebserkrankung in Österreich. Rund 4.500 Menschen erkranken jährlich daran. Derzeit nehmen österreichweit nur etwa 15 bis 20 Prozent der Menschen eine Vorsorgekoloskopie in Anspruch
Vorsorgeprojekt
Bei dem geplanten Darmscreening-Projekt der Stadt Wien sollen Stuhlproben zu Hause entnommen und anschließend an ein Labor geschickt werden. Sollte ein positives Ergebnis erfolgen, also wird Blut im Stuhl gefunden, würde unmittelbar darauf zur endgültigen Abklärung eine Darmspiegelung folgen. Als Vorbild gilt die Aktion „Alles gurgelt!“
Zur Erklärung: Der Gründer des Unternehmens Lead Horizon, das die Test-Kits für „Alles gurgelt“ bereitstellte, steht auch hinter WePrevent.
Im Hacker-Büro weist man den Vorwurf einer maßgeschneiderten Ausschreibung zurück. „Es handelt sich um ein europaweites Vergabeverfahren“, betont ein Sprecher. Sollte etwa ein Bewerber aus Frankreich oder Italien zum Zug kommen, sei das für die Stadt zu akzeptieren.
Hacker-Büro reagiert mit Unverständnis
Mit Unverständnis reagiert man auf die von der Kammer erwirkten einstweiligen Verfügung. „Wir sind eines der wenigen EU-Länder, in denen es noch kein derartiges Darmkrebs-Screening gibt“. „Die Ärztekammer hätte ihre Mitglieder motivieren können, sich an der Ausschreibung zu beteiligen. Stattdessen blockiert sie das Projekt.“ Den Vorwurf, der Wiener Gesundheitsfonds sei gar nicht berechtigt, eine Ausschreibung durchzuführen, weist man zurück.

Die einstweilige Verfügung liegt dem KURIER vor.
Es gebe keine Alleingänge Wiens. Vielmehr sei das Darmkrebs-Pilotprojekt vom Bund initiiert worden. Jeder Schritt müsse durch ein Steuerungskomitee genehmigt werden, in dem jeweils ein Vertreter des Wiener Gesundheitsfonds, der Sozialversicherung und des Gesundheitsministeriums sitze.
Eines sei auch klar: „Das Screening ersetzt die bisherige Vorsorgeuntersuchung nicht, sondern ergänzt sie nur.“ Man sei zuversichtlich, dass das Gericht die Ausschreibung bald wieder weiterlaufen lasse. Die Verhandlung startet am 25. Jänner.
Kommentare