Corona-Strafen: Viele Anzeigen, aber (noch) wenige Beschwerden
Ein Spaziergang über eine Einkaufsstraße kann derzeit für Verwirrung sorgen: In einem Geschäft kann man sich schon mit der neuesten Sommermode einkleiden lassen, der Shop gleich daneben muss aber noch geschlossen halten. Der Unterschied zwischen den Lokalen? Oft nur wenige Quadratmeter.
Wenn der Spaziergang dann auch noch zu Bekannten führen sollte, konnte man eine Anzeige kassieren. Ob diese Corona-Maßnahmen alle gerechtfertigt sind, darüber zerbrechen sich nicht nur Juristen, sondern auch zahlreiche Geschäftsleute und Privatpersonen die Köpfe. Vor allem über die Ausgangsbeschränkungen, die eigentlich nie wirklich solche waren.
Obwohl es bereits über 30.000 Anzeigen und über 4.000 Organmandate im Zusammenhang mit Corona gab, gingen beim Wiener Verwaltungsgericht bisher nur acht Beschwerden ein – die Frist beträgt aber einen Monat, es könnten also noch mehr werden.
30.000 Anzeigen
und mehr als 4.000 Organmandate, die Corona betreffen, gibt es in Österreich bisher. Beim Wiener Verwaltungsgericht sind bisher nur acht Beschwerden gegen diese eingegangen. Es geht in allen Fällen um Strafhöhen zwischen 200 und 500 Euro und um Treffen mit Freunden oder gemeinsame Autofahrten.
40 Anträge
sind beim Verfassungsgerichtshof bis jetzt eingegangen, die Corona betreffen. Zum Vergleich: In einem Jahr gehen dort etwa 5.000 Anträge ein.
Grundrechte
Weil es um die Einschränkung von Grundrechten geht, will der Verfassungsgerichtshof diese Anträge rasch bearbeiten. Jetzt werden die Behörden um Stellungnahme gebeten. Dafür haben diese sechs Wochen Zeit.
Dem Verfassungsgerichtshof hingegen liegen derzeit rund 40 Anträge um die Corona-Verordnungen und Gesetze vor. Weil es um den Eingriff in Grundrechte geht, sollen diese schnell bearbeitet werden.
Geschäft ist zu groß
Eine der Beschwerden stammt von Ferdinand Fischer, Wiener Harley-Davidson-Händler und Sprecher des Zweiradhandels in der Wirtschaftskammer. „Verstehen Sie mich nicht falsch, anfangs fand ich die Maßnahmen angebracht und gut.“ Er versteht aber nicht, dass er drei Wochen länger geschlossen halten musste als kleinere Shops.
„Diese drei Wochen schmerzen vor allem in meiner Branche, da wir in dieser Zeit 20 Prozent unseres Jahresumsatzes machen“, sagt Fischer. Er wäre bereit gewesen, seine Verkaufsfläche auf unter 400 m² zu reduzieren – das wurde in der Verordnung verboten.
"Risiko ist geringer als im Baumarkt"
Außerdem sei bei ihm das Ansteckungsrisiko geringer als etwa im Baumarkt: „Wenn Kunden um ein Motorrad stehen, halten sie mehr Abstand, als wenn sie um eine Packung Dübel stehen.“ Er verstehe, dass Fehler passieren, aber das sei eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes.
Außerdem hätte man ohne Beschwerde nachher keinen Anspruch auf zivilrechtlichen Schadenersatz, sollte die Verordnung gekippt werden, merkt Gerald Zimmermann, Chef der Schuhhandelskette CCC, an. Seine Geschäfte haben im Schnitt 430 m². Er durfte nicht öffnen, während die Konkurrenz schon Schuhe verkauft. Auch er bereitet eine Beschwerde vor.
Etwas grundsätzlicher geht es der Wiener Rechtsanwalt Michael Brunner an: Er hat insgesamt vier Beschwerden gegen die Verordnungen des Sozialministeriums eingereicht und will noch weitere – auch gegen das Covid-19-Maßnahmen-Gesetz – einbringen.
An Letzterem kritisiert er, dass darin nicht festgeschrieben sei, wann Verordnungen und damit etwa Ausgangsbeschränkungen erlassen werden können. „Beim Auftreten von Covid“ heißt es im Gesetz. Der Anwalt fordert eine Formulierung wie: „Nur wenn es unbedingt erforderlich ist“ oder eine konkrete Zahl an Infizierten.
Zudem möchte Brunner, dass jene Verordnung als verfassungswidrig aufgehoben wird, die die Ausgangsbeschränkungen bis 30. April beinhaltet. Sie widerspreche dem Grundrecht auf persönliche Freiheit, außerdem könne die Verordnung nur bestimmte Orte einschließen, nicht den „gesamten öffentlichen Raum“.
"Einspruch erheben"
Wegen dieser Verordnung gab es zuletzt viel Verwirrung – viele sind wochenlang davon ausgegangen, dass man nur aus den bekannten vier Gründen (notwendige Besorgungen, Arbeit, Spaziergänge, Hilfe für andere), rausgehen dürfe und auch Besuche nicht erlaubt gewesen seien – dem war nie so. „Viele Leute zahlen jetzt einfach, es sollte aber jeder Einspruch erheben“, rät Brunner.
Weitere Beschwerden im Zusammenhang mit der Corona-Krise kommen vor allem aus der Gastronomie: Dabei geht es meist darum, dass sie auf eine Entschädigung nach dem Epidemiegesetz pochen. Das wurde durch die Corona-Verordnungen ausgesetzt, in vier Bundesländern wurden Lokale aber schon davor geschlossen. Außerdem klagten Zivildiener. Denn jene, die sich freiwillig gemeldet haben, verdienen mehr als jene, deren Dienst verlängert wurde.
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