Comeback einer Institution: Die Kulturgeschichte der Spielplätze

Comeback einer Institution: Die Kulturgeschichte der Spielplätze
Vom Sandhaufen zur Schatzkiste: Wie Spielplätze entstanden und wer sie baut.

Eine freie Schotterfläche mit ein paar Bäumen rundherum: So schmucklos sah der erste öffentliche Spielplatz Wiens aus. Allerdings hieß er damals noch nicht so: Im Jahr 1863 eröffnet, war er unter dem Namen Kinderpark bekannt. Er befand sich in jenem Teil des Stadtparks, der im 3. Bezirk liegt. Und auch wenn Optik und Bezeichnung das nicht vermuten lassen, hatte er mit modernen Spielplätzen bereits viel gemein.

Er bot Kindern Raum, um sich – unter der Aufsicht der Gouvernanten und Mütter im Schatten der Bäume – Bälle zuzuwerfen. Oder um Reifen vor sich herzutreiben. Und auch, um nur herumzuhüpfen. Kurzum: Der Kinderpark war einfach ein Platz zum Spielen. Oder anders gesagt: Er war ein Spielplatz im engen Wortsinn. Das trifft auch auf den ersten Spielplatz überhaupt zu: Er wurde der Überlieferung nach um 1860 in Berlin gebaut und war nicht mehr als ein Sandhaufen.

49 Tage keine Spielplätze

Die Grundfunktion dieser frühen Anlagen ist geblieben. Wie wichtig diese Funktion – insbesondere in der Stadt – ist, das hat die Corona-Krise gezeigt. 49 Tage waren die Wiener Spielplätze gesperrt. Seit exakt einer Woche sind sie nun wieder geöffnet.

So mancher Stadtbewohner hat die Anlagen schmerzlich vermisst: „Wir haben enorm viele Beschwerden bekommen“, sagt Karl Hawliczek im KURIER-Gespräch. Er leitet bei den Stadtgärten (MA 42) die Grünflächenpflege, seine Abteilung ist auch für die 1.703 öffentlichen Spielplätze zuständig. Für ihn zeigt die Beschwerdeflut, wie sehr die städtischen Spielplätze geschätzt werden.

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Spielgeräte gab es auf Spielplätzen erst nach und nach  – in den 80ern begann die Branche zu boomen.

Säule der Sozialpolitik

Anhänger gibt es nicht nur unter Kindern, der eigentlichen Zielgruppe. Sondern auch unter Erwachsenen. Seit rund 15 Jahren baut die Stadt Wien „Generationenspielplätze“. Neben Rutschen und Wippen gibt es dort auch Geräte für Erwachsene – zum Beispiel Platten zum Balancieren oder Rudermaschinen.

Vor 100 Jahren wäre das undenkbar gewesen. Auf den Spielplätzen des Roten Wiens sollten sich primär Kinder und Jugendlichen körperlich ertüchtigen. Das Ziel der Stadtverwaltung: gesunde Seelen in gesunden Körpern. Zu diesem Zweck schuf sie – nach dem gestalterischen Vorbild von Barockgärten – allgemein zugängliche Volksparks. Dazu gehörten immer auch Sport- und Spielflächen.

Spielgeräte gab es dort aber kaum. Die kamen erst nach dem Zweiten Weltkrieg auf – allerdings in noch eher spartanischer Form. „Betontrümmer oder Skulpturen aus Stahlrohren“, sagt Hawliczek. „Die waren natürlich weit entfernt von jeglichem Sicherheitsgedanken.“

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Schaukeln sind besonders beliebte Geräte bei Kindern.

Aufwendig gestaltete und geprüfte Spielgeräte, wie sie heute Standard sind, etablierten sich erst in den 80ern. Und zwar von Skandinavien aus, das in der Förderung kindlicher Entwicklung schon damals Vorreiter war. Spielgeräte-Hersteller expandierten von dort nach Österreich. „Seither ist die Branche explodiert“, sagt Hawliczek. „Die Hersteller überbieten sich in Innovationen, die Kataloge sind Wälzer.“

Wie wählt man aus dieser Fülle die besten Geräte aus? Die Wiener Stadtgärten überlassen den Nutzern die Entscheidung: Wird ein Spielplatz gebaut, dürfen sich die Kinder aus dem Grätzel Spielgeräte wünschen. „Der Renner sind Nestschaukeln“, sagt Hawliczek. Weiters stark gefragt: Spielhäuschen, die sich für Rollenspiele eignen.

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Fast zwei Monate war es verboten, Spielplätze zu benutzen.

Fünf neue Spielplätze

Auf Basis dieser Vorschläge entwirft die MA 42 dann den Spielplatz. Heuer sind fünf neue Anlagen geplant: in der Trunnergasse, Am Hundsturm, am Reumannplatz, in der Tetmajergasse und im Bruno-Morpurgo-Park. Die Kosten trägt der Bezirk – im Schnitt zwischen 270 und 300 Euro pro Quadratmeter.

Hinter jedem Projekt stehe das Ziel, einen „unverwechselbaren“ Spielplatz zu bauen, sagt Hawliczek. „Niemand soll das Gefühl haben, dass es den Spielplatz ums Eck ein zweites Mal gibt.“

Deshalb werden neue Anlagen oft einem Thema gewidmet. So entstand etwa am Küniglberg ein Westernspielplatz mit einem riesigen Holzpferd – eine Maßanfertigung. Oder der Piratenspielplatz in Liesing. Dort gibt es – wie 1860 in Berlin – übrigens auch einen Sandhaufen. Allerdings mit einem klingenderen Namen: Er heißt Schatzkiste.

  • 1.703 Spielplätze gibt es aktuell in Wien. Sie haben zusammen einen Fläche von 976.536 Quadratmetern. Der größte ist der Sparefroh-Spielplatz im Donaupark. Der kleinste befindet sich im Kurpark Oberlaa - er besteht lediglich aus einem Klangspiel
  • Acht Arten von Spielplätzen unterscheidet die Stadt Wien: Ballspielplätze, Generationenspielplätze, Kleinkinderspielplätze, Kinderspielplätze, Wasserspielplätze, Themenspielplätze, Skaterplätze und sonstige Spielplätze
  • 0,1 Prozent beträgt der Anteil der Spielplatzflächen an den Bezirksflächen von Penzing und in Hernals. Sie sind damit das Schlusslicht unter den Wiener Bezirken. Den höchsten Spielplatz-Anteil hat die Leopoldstadt  (0,78 Prozent)
  • 157 Jahre ist es her, seit der erste Spielplatz in Wien eröffnete. Er trug den Namen "Kinderpark"

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