Bypass für den Felbertauern
Der Steig ist steil und matschig. Eine Flaniermeile sieht anders aus. Bauarbeiter versuchen jedoch mit Baggern Schotter auf dem Pfad zu verteilen, damit er besser begehbar wird. Denn ab kommenden Dienstag sollen hier ganze Karawanen an Pendlern hinaufziehen.
Am Ende der aufgelassenen Rodelbahn wartet nach einem knapp viertelstündigen Fußmarsch das Südportal des Felbertauerntunnels. An die 800 Osttiroler nutzen die Röhre normalerweise täglich, um zu ihren Arbeitsplätzen auf der anderen Seite des Berges zu gelangen – in Salzburg oder in Nordtirol. Doch seit ein Felssturz am Anfang der Woche die Felbertauernstraße kurz vor dem Tunnel zerstört hat, ist diese Verbindung gekappt.
Die direkt unter der Unglücksstelle verlaufende Straße zum Tauernhaus fungiert nun in Verbindung mit einem dort startenden Steig als „Bypass“ für die Lebensader Osttirols. „Der Weg wird übers Wochenende absturzgesichert“, erklärt der Matreier Bürgermeister und Einsatzleiter Andreas Köll gestern bei einer Pressekonferenz in Lienz. Fünf Schnellbusse würden täglich vom Südportal des Tunnels abfahren.
Urlauber umwerben
Ein Bild vom Ausmaß der Katastrophe hat sich am Freitag in den Morgenstunden auch Tirols Landeshauptmann Günther Platter gemacht. Er traf sich anschließend mit Vertretern der Osttiroler Wirtschaft und des Tourismus. „Das Land wird ein 200.000 Euro teures Konzept für eine Anschubwerbung unterstützen“, sagte der Landeschef nach der Krisensitzung. Damit soll verhindert werden, dass sich Urlauber abschrecken lassen. Die Sommersaison beginnt zwar erst im Juli. „Aber über den Felssturz wurde in ganz Europa berichtet“, begründet Andreas Köll, der auch stellvertretender Obmann des Osttiroler Tourismusverbands ist, das Zusatzmarketing.
Eine erste Schätzung, wie groß der finanzielle Schaden für die Felbertauernstraßen AG ist, hat deren Chef Karl Poppeller gewagt: „Durch die notwendigen Baumaßnahmen und entgangene Mauteinnahmen wird sich das auf drei bis vier Millionen Euro belaufen.“
Bis die Straße zumindest wieder einspurig befahrbar ist, werden noch mindestens drei Wochen vergehen. Für Sonntag sind vorerst einmal weitere Sprengungen geplant, um labiles Gestein vom Hang ins Tal zu befördern. Jeder Tag, den die Straße gesperrt bleibt, kostet Geld. Und nicht nur der Mautgesellschaft. „Das trifft vor allem produzierende Betriebe und das Verkehrsgewerbe, die große Umwege in Kauf nehmen müssen“, berichtet Reinhard Lobenwein, der Bezirksstellenleiter der Wirtschaftskammer in Osttirol.
Existenzbedrohend
„Für mich ist die Sperre existenzbedrohend“, sagt Hansjörg Baumgartner. Er lebt davon, dass jeden Tag einer seiner zwei Lkw von Lienz über den Felbertauern nach Innsbruck fährt. Baumgartner organisiert Sammeltransporte, liefert etwa Pflanzen aus Nord- nach Osttirol oder Maschinen auf dem umgekehrten Weg. „Jetzt muss ich über den Brenner ausweichen. Das kostet jeden Tag 200 Euro mehr Maut.“
Außerdem muss der Kleinunternehmer jeden Lieferwagen mit zwei Chauffeuren besetzen. „Wegen der längeren Strecke geht sich das sonst nicht mit den Ruhezeiten aus.“
Wie der 61-Jährige hofft der ganze Bezirk Lienz, dass die Lebensader Osttirols bald wieder pulsiert. Dass das schon in drei Wochen der Fall ist, glauben aber die wenigsten.
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