Felssturz: Felbertauern-Straße auf Teilstück völlig zerstört
Eine der wichtigsten Nord-Süd-Verbindungen Österreichs, die Felbertauernstraße zwischen Salzburg und Osttirol, ist seit Dienstag unterbrochen. Ein Felssturz im Ausmaß von 35.000 m³ hat eine Lawinengalerie zerstört. Nach Angaben der Polizei wurde die Schildalmgalerie auf einer Länge von 100 Metern verschüttet. Und das genau während der jährlichen Sicherheitskontrolle. Die Verkehrssperre bleibt länger aufrecht.
Die mächtigen Bäume auf etwa 1600 Meter Seehöhe zerbröselten, Felsbrocken, groß wie Kleinbusse, donnerten auf die Fahrbahn: „Das war ein absolut unvorhersehbares, elementares Naturereignis“, beschrieb es Karl Popeller, Vorstandsdirektor der Felbertauernstraße.
Bilder vom Felssturz
Ohrenbetäubender Knall
Der Erdrutsch hatte sich um 1.38 Uhr ereignet, berichtete der Bürgermeister von Matrei, Andreas Köll: „Wir wissen das deswegen so genau, weil er von einem gegenüber gelegenen Gasthaus beobachtet wurde“. Der Wirt des Matreier Tauernhauses hatte einen ohrenbetäubenden Knall und dann rumpelndes Getöse gehört.
Die Felbertauernstraße, die Matrei mit Mittersill in Salzburg verbindet, wurde für den gesamten Verkehr gesperrt. Laut ÖAMTC ist die Dauer der Sperre nicht abzuschätzen, wird aber sicher bis nach Pfingsten gehen. Bei dem Erdrutsch haben sich ersten Schätzungen von Landesgeologen Gunther Heißel zufolge bis zu 35.000 Kubikmeter Geröll und Erdreich in Bewegung gesetzt. Vom Volumen her entspricht dies in etwa zwölf olympischen Schwimmbecken.
Bürgermeister entgeht Unglück
Laut Bürgermeister Köll werde man keine Einsatzkräfte in die Lawinengalerie hineinschicken, um nach etwaigen Verschütteten zu suchen. „Das wäre viel zu gefährlich. Es schaut dort aus wie in einem Erdbebenbereich“, sagte Köll. Laut Landesgeologe Gunther Heißel war die Situation äußerst kritisch und für die Einsatzkräfte lebensgefährlich: „Wir haben das Gebiet mehrmals überflogen. Auf der Sturzbahn lagern labile Blöcke. Außerdem hat sich eine eigene Felswand gebildet, die abzustürzen droht. Da können wir die Leute nicht hineinlassen.“ Bürgermeister Köll entging der Katastrophe selbst nur knapp: Er war kurze Zeit vor dem Felssturz auf der Felbertauernstraße unterwegs.
In der Folge werde man beschließen müssen, ob in Form eines Rettungseinsatzes oder eines Räumeinsatzes weiter fortgefahren wird, sagt Köll. Über den Pkw aus Wien mit zwei Insassen, der sich in der Region aufgehalten haben soll, wurde vorerst nichts bekannt. Ein niederländischer Urlauber hatte angegeben, dass er von einem Auto mit Wiener Kennzeichen überholt worden sei. Die Polizei versuche zu erheben, ob das Fahrzeug womöglich eine andere Route genommen habe. Auf bisher ausgewerteten Kameraufnahmen sei jedenfalls kein Auto gesichtet worden, hieß es. Wir gehen davon aus, dass es keine Verschütteten gibt", sagt Popeller.
Regelmäßige Kontrollen
Die Ursache für das Elementarereignis ist für Michael Köll, technischer Leiter der Felbertauernstraße, unerklärlich: „Die Route wird mindestens zwei Mal täglich durch unsere Mitarbeiter auf Auffälligkeiten kontrolliert; weiters gibt es alle zwei Jahre eine Begehung mit Experten, wo Fahrbahn, Bauwerke und Hänge geprüft werden. Alle sechs Jahre findet eine Gefahrenkartierung statt.“
Zu keinem Zeitpunkt habe es eine Gefährdung durch Felssturz gegeben, nur durch Lawinen – daher die Galerie. Und seit eineinhalb Wochen läuft die jährliche, vierwöchige Untersuchung mit Experten für Felssicherungen. Köll: „Drei bis vier Mann sind da am Seil im Gelände unterwegs und etwa gleich viele auf der Straße. Der Vorfall war nicht abschätzbar.“
Ursache Starkregen?
Geologe Rudolf Schwingenschlögl lehrt an der Universität für Bodenkultur in Wien: „Der durch veränderte Klimabedingungen verursachte Starkregen führt dazu, dass sich manche Hänge vollsaugen wie Schwämme. Dann reicht ein kleiner Auslöser wie ein umgefallener Baum, und alles kommt ins Rutschen. Hänge können, müssen aber nicht abrutschen.“ Nun sei der Straßenerhalter gefordert, Vorkehrungen zu treffen: „Eine Neutrassierung oder die Errichtung eines Halbtunnels als Schutz gegen Muren wäre möglich.“
Die mautpflichtige Felbertauerntraße ist die einzige Straßenverbindung zwischen Salzburg und Osttirol und eine bedeutende Route zur Querung des Alpenhauptkamms. Wegen der Sperre muss der Verkehr großräumig über das Pustertal und die Brennerautobahn (A12) beziehungsweise die Tauernautobahn (A10) umgeleitet werden.
Die Felbertauernstraße verbindet Matrei in Osttirol mit Mittersill in Salzburg. Sie ist die einzige Verbindung zwischen den beiden Bundesländern und somit eine bedeutende Route zur Querung des Alpenhauptkamms. Zudem ist sie auch die wichtigste Verbindung zwischen Nordtirol und dem Landesteil Osttirol.
Die 36,3 km lange Felbertauern-Mautstraße befindet sich im Besitz der Felbertauernstrasse AG. Sie wurde nach fünfjähriger Bauzeit 1967 fertiggestellt und am 25. Juni 1967 feierlich eröffnet. Als ihr Herzstück gilt der 5.313 Meter lange Scheiteltunnel. Die Straße musste mit dem Bau von Lawinenschutzbauten und Galerien an mehreren Stellen abgesichert werden.
Kommt es auf einer Mautstraße zu einer Hangrutschung, dann haben Autofahrer prinzipiell hohe Chancen auf Regress. Mit Zahlung des Mautgeldes (oder für eine Autobahnvignette) geht der Lenker einen Vertrag ein. Dieser bietet ihm zusätzliche Möglichkeiten: „Der Straßenerhalter haftet bei leichter Fahrlässigkeit. Außerdem gilt die Beweislastumkehr, der Betreiber muss nachweisen, dass er nicht fahrlässig gehandelt hat“, sagt ÖAMTC-Chefjurist Martin Hoffer im KURIER-Interview.
Die aktuelle Judikatur schiebe die Schwelle für Fahrlässigkeit allerdings langsam in die Höhe. Es gab zuvor sogar Urteile, wo die mangelnde Straßenreibung als Unfallursache anerkannt wurde – und die Asfinag haften musste für den Schaden.
„Wenn es für alle total überraschend kommt, dann kann auch der Straßenhalter nicht zur Rechenschaft gezogen werden“, erklärt Hoffer die aktuelle Rechtssprechung. Allerdings müsse er zumutbare Kontrolltätigkeiten durchführen, so der Jurist. Wobei die Zuständigkeiten dabei mitunter kurios sind. So müssen Förster kontrollieren, ob Bäume von Tieren angefressen wurden und deshalb umstürzen können oder Jäger prüfen, ob kein Wild durch Zäune durchschlüpfen kann. Unterlassen sie diese Kontrolle, dann haftet der Straßenerhalter gegenüber dem Lenker dafür.
Ähnliche Fälle mit Hangrutschungen hatte es schon im Frühjahr 2012 gegeben. Im März war ein Münchner Lkw-Fahrer auf der Brennerautobahn mitsamt seinem Fahrzeug zerquetscht worden. Ein Erdrutsch hatte eine Betonmauer zum Einsturz gebracht. Da es 5.15 Uhr in der Früh war, waren aber keine weiteren Fahrzeuge zum Unfallzeitpunkt unterwegs gewesen. Nur wenige Tage zuvor war ein 48-jähriger Engländer ebenfalls gestorben. Nach einem Felssturz beim Kniepass in Unken (Pinzgau) durch Orkan „Emma“ war ein Taxi von einem Baum getroffen worden, der mit riesigen Felsen auf die Fahrbahn geflogen kam.
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