BVT: Brisante Lizenz zum Löschen
Das eMail trägt eine harmlose Betreffzeile, der Inhalt ist aber brisant: “Löschung Akte White Milk“ ist zu lesen. Die beschriebene weiße Milch ist der Deckname eines mutmaßlichen syrischen Kriegsverbrechers. Wie der KURIER aufgedeckt hat, wurde der frühere syrische Stasi-General mithilfe des israelischen Geheimdienst Mossad vom österreichischen Verfassungsschutz in Wien versteckt.
Bis heute ist unklar, welchen Nutzen das BVT davon hatte. Als Quelle wurde Khaled H. nie geführt, allerdings wurde ihm mit dubiosen Methoden ein Asylstatus erschlichen. Die Justiz ermittelte bereits wegen angeblicher Kriegsverbrechen gegen den Syrer, der alle Vorwürfe bestreitet. Anscheinend ist er nach wie vor im Lande.
Wichtig für die entsprechenden Ermittlungen der WKStA sind jene Akten, die der Verfassungsschutz über den Fall angelegt hat. In diesen Dokumenten gibt es allerdings zahlreiche Stellen, die sich absolut widersprechen.
Es gibt sogar zwei komplett unterschiedliche Varianten, wie Khaled H. nach Österreich gebracht wurde - offenbar jene vom harmlosen Flüchtling, die den Asylbehörden erzählt wurde. Und dann gibt es noch jene, die wohl die richtige ist, darin geht es um die Zusammenarbeit mit dem Mossad („Stelle 5“) in dieser Angelegenheit.
Seit Monaten gab es Gerüchte darüber, dass es BVT-Intern einen Löschauftrag für die Akte gegeben hat und dass dieser Akt vernichtet werden hätte sollen. Damit wäre der Mossad geschützt und die Ermittlungen der Justiz wohl behindert worden. Behauptet wurde dabei, dass der Vize-Direktor Dominik Fasching so einen Auftrag an den aktuellen Spionagechef L. gegeben haben soll. Daher wurde dieser im vergangenen Oktober schriftlich zur Stellungnahme aufgefordert.
Darin bestreitet L. so einen Auftrag von Fasching bekommen zu haben. Er betont aber, dass er vom früheren BVT-Direktor Peter Gridling per Mail die Anweisung bekommen habe, „für eine zeitnahe Vernichtung der Partnerdienst-Informationen bzw. klassifizierten Dokumente“ zu sorgen. Er selbst habe das aber nicht gemacht, versichert Abteilungsleiter L.
Bisher betonte Gridling in Zeugeneinvernahmen (die letzte stammt vom 16. Dezember 2020) von dem Akt praktisch nichts zu wissen, obwohl Aktenvermerke, die dem KURIER vorliegen, etwas anderes nahelegen.
Unwissender Direktor
“Ich war in dieser Causa nie befasst. Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich das erste Mal befasst wurde“, sagte Gridling zu der Generals-Sache bei der Justiz aus. Außerdem sei Fasching mit dieser Angelegenheit betraut worden als die Justiz mit den Ermittlungen begonnen hat.
Auch sonst bietet die Einvernahme von Gridling so manche Überraschung: So gab der Ex-Direktor an, prinzipiell über operative Tätigkeiten keine Kenntnisse zu haben. Über den Inhalt eines Gespräches zwischen dem BVT und dem Justizministerium über Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen gegen jemanden, den der Verfassungsschutz nach Österreich gebracht hat, habe Gridling keine Informationen bekommen, sagt er.
Für gewaltigen Ärger sorgt die Akten-Vernichtungs-Anordnung bei Klaus Ainedter, dem Anwalt jenes BVT-Chefinspektors, der den General betreuen musste. Gegen ihn wird wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs ermittelt.
„Es ist unfassbar, dass Aktbestandteile, die meinen Mandanten entlasten, vernichtet werden sollten“, sagt Ainedter. „Mein Mandant ist entsetzt, dass er als Bauernopfer herhalten soll. Durch diese Vorgangsweise hat sich die Unschuld meines Mandanten erwiesen. Die belasteten Zeugenangaben der früheren Vorgesetzten haben sich als unwahr herausgestellt.“
Fest steht, dass zumindest einige Aktenteile im BVT nicht mehr auffindbar sind. Das teilt Franz Ruf, der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, vor rund drei Wochen in einem Mail an die Justiz mit.
Kommentare