These 1: Unterschiede in der Teststrategie
Wie und wie viel getestet wird, davon hängt ab, wie viele Infizierte identifiziert werden. Wer viel testet, wird also mehr Infizierte finden. Und: Testet ein Bundesland wenig und sind die Infiziertenzahlen aber hoch, ist das ein Indiz für eine hohe Dunkelziffer – also viele Infizierte, die noch unentdeckt geblieben sind und so das Virus weiterverbreiten können. Zahlen darüber, ob am Land signifikant weniger getestet wird als in den Städten (etwa Bezirkszahlen, umgerechnet auf eine bestimmte Zahl an Einwohnern), gibt es aber nicht. Zumindest nicht ausgewiesen. Weder bei der AGES noch im Gesundheitsministerium. Diese Zahlen wären aber notwendig, um Aussagen darüber zu treffen, ob am Land mehr Vorkehrungen getroffen werden müssen. Wien, das lange Zeit die tägliche Zahl an Neuinfektionen angeführt hat, argumentiert gerne so: Man habe stets viel getestet, dafür auch moderat hohe Zahlen in Kauf genommen, dafür sei stets ein „realistisches Infektionsgeschehen“ in den Zahlen abgebildet gewesen. Wer keine Kontaktpersonen ersten Grades mehr teste – wie aktuell Oberösterreich – wird seine Zahlen auch gering halten.
These 2: Die politische Debatte
Viele Menschen, wenig Raum. Wien stand lange im Fokus der Krise, auch in der politischen Debatte. Der Bund wollte Wien beim Corona-Management „helfen“ – und sogar das Bundesheer schicken – Wien wollte sich nicht helfen lassen. Aus der weltweiten Pandemie habe man in Österreich eine „Wiener Seuche“ gemacht, wie man im Wiener Rathaus sagt. Das könnte dazu geführt haben, dass die Wienerinnen und Wiener die Bewältigung der Krise ernster genommen haben, während man sich am Land vielerorts in falscher Sicherheit wähnte.
These 3: Unterschiedliches Sozialleben
Salzburg war das erste Bundesland, das sogenannte Garagenpartys während der Zweiten Welle verboten hat, Oberösterreich zog öffentlichkeitswirksam nach. Haben die zuletzt so hohen Zahlen am Land tatsächlich etwas mit dem dort üblichen Sozialleben zu tun? Ja, das könnte tatsächlich so ein. Zahlen, die das belegen würden, gibt es nicht. Für Virologin Monika Redlberger-Fritz ist das Freizeitverhalten in „ländlichen Gebieten“, wie sie sagt, aber ein „möglicher Erklärungsansatz.“ Lange Zeit sei dort das Vereinswesen (Fußball, Singen, Musizieren) nur wenig eingedämmt worden. Und selbst, als man maximale Personengrenzen einführte, kam es zu inoffiziellen, kleineren Gruppentreffen. Auch Elmar Rizzoli, Koordinator des Tiroler Corona-Einsatzstabs, sagt: „Die Verbreitung in der zweiten Welle hat sehr stark im privaten Bereich stattgefunden.“ Am Land sei des etwa bei Vereinen oder bei Hochzeiten der Fall gewesen. Und in der Stadt? Da ist die Bevölkerung generell eher an Distanz gewöhnt.
These 4: Wo Corona war, hält man sich an Regeln
Dort, wo Corona schon präsent war, ist die Bevölkerung aufmerksamer – und achtsamer. „Im Straßenbild sieht man, dass sich die Innsbrucker wieder viel mehr an die Regeln halten“, sagt der Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi. Die Kurve zeigt derzeit wieder nach unten. Der Lockdown light scheint dabei ähnlich zu wirken wie der harte im Frühjahr. Die gleichen Faktoren, die in Tirol zu mehr Eigenverantwortung in der Bevölkerung geführt haben, können in Kärnten, das ja lange als Musterschüler in Sachen Corona-Infektionen galt, genau das Gegenteil bewirkt haben. Ursachen für die Kehrtwende in Kärnten sind laut Landeshauptmann Peter Kaiser mehrere, zusammenhänge Faktoren. Aber auch „eine „gewisse Sorglosigkeit“ der Bevölkerung.
These 5: Von der Stadt aufs Land
In den besonders betroffenen westlichen Bundesländern sind Ballungs- und ländliche Räume eng vernetzt: Man arbeitet in der Stadt und wohnt am Land. Pendler können also das Virus von der Stadt aufs Land bringen: Wie sehr das die Verbreitung beeinflusst, ist unklar, aber: Wo weniger Pendler sind, wird das Virus nicht so leicht eingeschleppt, sagt Tirols Corona-Koordinator Rizzoli.
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