Blauer Wahlkampf in Haiders langem Schatten
Der „Geist vom Jörg“ ist unter uns, wurde FPÖ-Parteichef Herbert Kickl auch in dieser Woche in Stall im Mölltal nicht müde zu betonen.
Stall, Kärntens Gemeinde mit dem besten Resultat für FPÖ-Bundespräsidentschaftskandidat Walter Rosenkranz, einer der niedrigsten Impfquoten ganz Österreichs und mehreren Problemwölfen, wirkt wie der wahr gewordene blaue Wahlabendtraum.
Doch ist das Dritte Lager in Kärnten noch so stark? Und wie sehr lebt die Wahl am 5. März von der Haider-Nostalgie?
Warum ist gerade Kärnten Kernland der Freiheitlichen?
Nirgendwo sonst ist das Dritte Lager in all seinen Ausformungen so stark wie in Kärnten. Und das nicht erst seit den 1980er-Jahren, als im südlichsten Bundesland der kometenhafte Aufstieg des gebürtigen Oberösterreichers Jörg Haider begann. Schon bei den Wahlen gegen Ende der Monarchie schnitten die Deutschnationalen in Kärnten überdurchschnittlich stark ab. In der Ersten Republik stellte das Dritte Lager dann gleich drei Landeshauptleute. Nach dem Krieg gelang es der SPÖ vor allem unter Landeshauptmann Leopold Wagner (1974 bis 1988) zunächst noch, mit einem betont nationalen Kurs das Land absolut zu regieren, ehe die FPÖ das Nachkriegssystem aufmischte.
Für die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle ist es gleich ein Bündel von Faktoren, die hinter dem viel beschworenen Kärntner Sonderweg stehen. Angefangen mit dem stark ausgeprägten Protestantismus, der mit ein Grund dafür ist, dass die Christlichsozialen bzw. später die ÖVP nie richtig Fuß fassen konnten.
Dann aber vor allem die Konflikte rund um die slowenische Volksgruppe, die zu einer massiven Polarisierung der Bevölkerung geführt hatten: vom Nationalitätenstreit im ausgehenden 19. Jahrhundert über Abwehrkampf und Volksabstimmung, NS-Repressalien und Partisanenkrieg bis hin zum Ortstafelkonflikt.
„Hinzu kommt schließlich die Persönlichkeit Jörg Haiders“, sagt die Expertin. Er habe geschickt diese Kärntner Gegebenheiten genutzt. „Haider ist es gelungen, dass sich viele Menschen in dem traditionell strukturschwachen Land selbstbewusster fühlten.“
Warum ist Haider immer noch ein Faktor in Kärntens Politik?
Viele der schweren Verfehlungen der Haider-Ära (Stichwort: Hypo-Alpe-Adria) erscheinen aus der Distanz von fast zwei Jahrzehnten in einem milderen Licht oder sind überhaupt vergessen. Zumal viele der damaligen Mitbeteiligten (etwa die Scheuch-Brüder) längst in der Polit-Versenkung verschwunden sind.
Und so kommt es, dass in diesem Wahlkampf keine FPÖ-Wahlveranstaltung ohne Beschwörung des 2008 tödlich verunglückten Landeshauptmanns zu Ende geht. Wobei es manchen sauer aufstößt, wie sich Kickl und Landesparteichef Erwin Angerer mittlerweile als Haiders Erben ausgeben: „Der Kickl hat den Jörg damals aufs Schlimmste beschimpft. Das waren Boshaftigkeiten und nun will er aus dem Erbe Haiders Kapital schlagen“, ärgert sich der ehemalige BZÖ-Landeshauptmann Gerhard Dörfler. „Das ist Erbschleicherei für mich vom Schlimmsten.“
Lässt sich die Minderheitenfrage noch instrumentalisieren?
Groß war die Empörung, als die Freiheitliche Jugend in einem Posting vor einer „Slowenisierung“ Kärntens warnte. Zuletzt wurde bekannt, dass der Begriff auch für einen FPÖ-Flyer verwendet wurde. Für Stainer-Hämmerle ein Versuch, die klassische Kernklientel der FPÖ anzusprechen.
Selbst der Kärntner Heimatdienst hat sich aber von der Freiheitlichen Jugend distanziert. Sind also die Zeiten, in denen man mit solchen Parolen auf breite offene Zustimmung hoffen konnte, endgültig vorbei?
Für die Expertin ist denkbar, dass die anti-slowenischen Ressentiments unausgesprochen weiter existieren. Umgekehrt sei die Lage der Kärntner Slowenen aus ihrem eigenen Blickwinkel betrachtet nach wie vor wenig befriedigend. Dörfler übt jedenfalls scharfe Kritik an seinen einstigen Parteikollegen: „Die FPÖ muss sich endgültig von diesen rückwärtsgewandten Botschaften abwenden. Das Slowenisierungs-Posting war unerträglich“, sagt der Ex-Landeshauptmann.
Geht am Ende gar der Kärntner Sonderweg zu Ende?
Beim Abschneiden der FPÖ am 5. März muss man berücksichtigen, dass das Dritte Lager aktuell in Kärnten in vier Parteien (FPÖ, Team Kärnten, BZÖ, Vision Österreich) gespalten ist. Wobei vor allem dem Team Kärnten beachtliche Zugewinne zugetraut werden. Doch glaubt man den mit großer Vorsicht zu genießenden Umfragen, liegen sie in Summe deutlich unter den Ergebnissen Haiders in seiner Glanzzeit. Besonders im urbanen Milieu Klagenfurts habe es die FPÖ laut Stainer-Hämmerle schwer. Umgekehrt hat zuletzt Niederösterreich gezeigt, wie groß das blaue Potenzial auch in anderen Bundesländern ist. Dass Kärnten nach wie vor etwas anders ist, zeigte hingegen die Bundespräsidentschaftswahl. Es war das einzige Bundesland, in dem Amtsinhaber Van der Bellen nicht die 50 Prozent erreichte. Dörfler wiederum glaubt nicht an ein großes blaues Comeback am Wahlsonntag: „Peter Kaiser wird sich souverän den Landeshauptmann holen.“
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