Ausbildung und Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist also nicht gleich Zuwanderung. Das zeige sich bei der Ausbildung: Flüchtlinge etwa hätten oft keine höhere Ausbildung, ihre Integration sei somit kostenintensiver, teils müssten sie erst Lesen und Schreiben lernen. „Bei den Syrern liegt dieser Anteil bei 78 Prozent“, nennt Raab ein Beispiel.
Das zeigt aber auch ein Blick auf den Arbeitsmarkt: Unter den Zuwanderergruppen haben Menschen aus Fluchtherkunftsländern die niedrigste Erwerbsquote. Was die Arbeitslosigkeit betrifft, so sind vor allem Frauen aus Syrien und aus Afghanistan betroffen.
➤ Mehr lesen: Ukrainerinnen in Österreich: Ein „Musterbeispiel für Integration“
Arbeitsmarkt statt Asyl
Entscheidend sei also, wer nach Österreich einwandere, betont Raab. „Derzeit kommen noch deutlich mehr über das Asylsystem nach Österreich, als über die Rot-Weiß-Rot-Karte.“ Daher wolle man Hochqualifizierten hier künftig noch bessere Bedingungen bieten.
Anders formuliert: Der Arbeitsmarkt soll der Anreiz sein, nach Österreich einzuwandern – nicht die Sozialhilfe. „60 Prozent der Bezieher sind ausländische Staatsangehörige. Hier gilt es, anzusetzen“, sagt die Integrationsministerin.
Reform der Sozialhilfe
Derzeit prüfe man eine Gesamtreform der Sozialhilfe, das betreffe auch den Bereich der Integration. Etwa beim Spracherwerb: Wer einen Asylbescheid erhält, muss verpflichtend Deutschkurse besuchen. Um Sozialhilfe beziehen zu können, ist bisher bloß die Teilnahme nötig. „Hier könnte künftig das Erreichen eines gewissen Sprachniveaus ausschlaggebend sein“, so Raab. Welche Ziele konkret erreicht werden sollen, wurde noch nicht genannt.
Neues Sprachportal
Geplant ist aber auch ein besseres Angebot bei den Deutschkursen: etwa in Form von mehr Onlinekursen, von berufsbegleitendem Lernen oder auch von Kursen mit jobspezifischem Vokabular. Dazu gibt es etwa ein neues Sprachportal des Österreichischen Integrationsfonds, auf dem man am Handy rund um die Uhr lernen und sich auf Prüfungen vorbereiten kann. „Bei 15 Stunden Deutschkurs pro Woche ist es zumutbar, sich voll auf das Lernen der Sprache zu konzentrieren. Auch, um nicht in einer Endlos-Kurs-Schleife hängen zu bleiben, sondern möglichst rasch in den Arbeitsmarkt integriert zu werden“, betont Raab.
Das Beispiel der Ukrainerinnen zeige, wie gut Integration funktionieren könne. Es gebe aber auch jene, die den Sprung in den Arbeitsmarkt nicht schaffen. „Und in einer Zeit, in der Unternehmer händeringend Arbeitskräfte suchen, habe ich dafür kein Verständnis.“
Immer wieder wird auch das Beispiel Dänemark genannt, dort ist der Anspruch auf die volle Höhe der Sozialhilfe an die Aufenthaltsdauer im Land und an eine gewisse Zeit am Arbeitsmarkt gekoppelt.
➤ Mehr lesen: Integrationsministerin Susanne Raab sieht "falsche Form der Zuwanderung"
Mehrheit fühlt sich zugehörig
Doch wie funktioniert das Zusammenleben abseits von Sprache und Arbeitsmarkt?
„74,3 Prozent der Zuwanderer fühlen sich Österreich zugehörig“, erklärt Thomas von Statistik Austria. Die größte Zustimmung kommt von Menschen aus den Maghreb-Staaten (Tunesien, Algerien, Marokko), Syrien, Bosnien und Herzegowina: Rund 80 Prozent sagen, sich hier zugehörig zu fühlen.
Das Zusammenleben beurteilen in Österreich Geborene übrigens eher kritisch: 28 Prozent betrachten es als gut oder sehr gut – 34 Prozent als (eher) schlecht. Hingegen empfinden 61 Prozent der Zugewanderten das Zusammenleben als gut und nur zehn Prozent als schlecht.
➤ Mehr lesen: Zwischen Täter und Opfer: Afghanen in Österreich
Schwerpunkt im Integrationsbericht: Integration Jugendlicher
„Alle jungen Menschen sollen die Chance haben, hier ihren Weg zu gehen“, betont Katharina Pabel, Vorsitzende des Integrationsbeirats, im Rahmen der Präsentation des Integrationsberichts 2023. Daher hat der Expertenrat den Fokus im aktuellen Bericht auf Jugendliche mit Migrationshintergrund gerichtet.
Die Auswertung der Daten zeigt nämlich, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund im Bildungssystem und am Arbeitsmarkt nach wie vor schlechtere Chancen haben. Deutlich seltener absolvieren sie eine Lehre oder wechseln in eine höhere Schule. „Auch ist der Anteil jener höher, die sich nicht in einer Ausbildung, in einer Arbeit oder in einer Schulung befinden“, fügt Pabel hinzu.
Die meisten jungen Zuwanderer stammen aktuell aus Deutschland, Syrien, Rumänien, der Ukraine und Afghanistan. Somit hatten viele von ihnen schwierige Startbedingungen im Leben: Ein Viertel aller in Österreich lebenden jungen Immigranten stammen laut Integrationsbericht aus Ländern, die von Kriegen und gewaltsamen Konflikten geprägt sind. Im Herkunftsland war ein kontinuierlicher Schulbesuch oft nicht möglich, zudem können etwa Erlebnisse in Kriegsgebieten traumatische Folgen haben.
Frühe Sprachförderung
Besonderes Augenmerk soll laut Integrationsbericht jedenfalls auf den Spracherwerb gelegt werden: Zur Frühförderung von Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache sei etwa ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr denkbar. Der Wiener Vizebürgermeister und Integrationsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) forderte nach der Präsentation des Berichts übrigens erneut verpflichtende Sommerdeutschkurse: „Wenn wir es schaffen, mit bindenden Angeboten Sprachdefizite aufzuholen, leisten wir einen entscheidenden Beitrag zur Integration.“
Um zugewanderte Eltern besser über das Bildungssystem in Österreich zu informieren, soll dieses künftig in den Werte- und Orientierungskursen ausführlicher erklärt werden, kündigte Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) an. Ebenso geplant sind spezielle Karrieremessen für Jugendliche sowie Bildungs- und Karriereberatungen an den Schulen.
„Das Ziel muss jedenfalls sein, allen Jugendlichen die gleichen Chancen und auch ein Versprechen für die Zukunft zu geben“, betont Pabel. „Hier ist viel Potenzial vorhanden, das sollte auch genutzt werden.“
Kommentare