Integrationsministerin Susanne Raab sieht "falsche Form der Zuwanderung"

Integrationsministerin Susanne Raab spricht in Mikro
Die Integrationsministerin Susanne Raab plant eine Koordinierungsstelle für qualifizierte Zuwanderer und will ein Modell der Sozialhilfe wie Dänemark.

Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) sieht in Österreich derzeit die "falsche Form von Zuwanderung". Verändern soll sich das etwa mit einer angedachten Sozialleistungs-Kürzung für Immigranten, die noch keine fünf Jahre im Land sind, sowie mit einer Koordinierungsstelle, um qualifizierte Zuwanderer zu ködern, erzählte sie im APA-Sommerinterview. Bei einem Ausbau der Kinderbetreuung will sie sich von "Wahlfreiheit", nicht von einer "EU-Quote" leiten lassen.

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Weiterhin verfolgt Raab eine von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in seiner Rede "Österreich 2030" angestoßenen Idee - trotz Skepsis bei Experten, ob diese denn auch umsetzbar sei.

Wie in Dänemark üblich will sie die volle Höhe der Sozialhilfe an Aufenthaltsdauer und eine gewisse Zeit am Arbeitsmarkt koppeln. Das solle dann unabhängig von der Nationalität und des Aufenthaltsstatus für alle Menschen gelten, die Maßnahme habe in Dänemark vor Gerichten gehalten. Man sehe sich gerade an, für welche Leistungen das gelten solle.

Österreichs Arbeitsmarkt sollte für Zuwanderung Anreiz sein

Der Arbeitsmarkt, nicht das Sozialsystem solle der Anreiz sein, in Österreich Fuß zu fassen: "Derzeit haben wir die falsche Form der Zuwanderung." 21.000 positive Asylbescheide habe es 2022 gegeben, im Vergleich zu 2.900 erstmals ausgestellten Rot-Weiß-Rot-Karten für hochqualifizierte Zuwanderer.

Für Letztere denkt Raab eine bundesweite Koordinierungsstelle an. Diese soll Fachkräften, die überlegen, nach Österreich zu ziehen, die Optionen im Land aufzeigen - auch andere Fragestellungen könnten in Abstimmung mit bestehenden Stellen beantwortet werden. Etwa Fragen zu

  • Integration der Familie
  • Deutschkursen für den Partner oder die Partnerin
  • Kinderbetreuung 
  • Freizeitangeboten

Ein solches Angebot soll es schließlich in allen Bundesländern geben.

Was Raab ein Dorn im Auge ist

Ein Dorn im Auge ist der für Frauen, Familie, Integration und Medien zuständigen Ministerin der Gender-Pay- und Gender-Pension-Gap. Man müsse Frauen für besser bezahlte Jobs begeistern, aber auch die nötige Kinderbetreuung schaffen, so Raab. Mittlerweile gibt es seitens der EU neue Barcelona-Ziele, bis 2030 sollen demnach 45 Prozent der unter Dreijährigen in Betreuung sein. Österreich hat angesichts der weiterhin vergleichsweise niedrigen Quote allerdings einen alternativen Zielwert von 31,9 Prozent vereinbart.

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Die Ministerin relativiert: Bei den Dreijährigen habe man eine Betreuungsquote von fast 90 Prozent. Fast 60 Prozent der Zweijährigen, 27 Prozent der Einjährigen sowie zwei Prozent der Unter-Einjährigen seien in Betreuung. "Ich glaube, dass das auch bis zu einem gewissen Grad die Lebensrealitäten der Menschen abbildet", meinte Raab.

Sie wolle nicht einfach eine EU-Quote zum Maßstab ihres Handelns machen: "Was ich will, ist dass die Eltern echte Wahlfreiheit haben. Dass sie die Möglichkeit haben, ihr Kind in Betreuung zu geben, um mehr arbeiten zu können - wenn sie das möchten." Es werde bereits eine Milliarde in den Ausbau der Kinderbetreuung investiert, beim Finanzausgleich kämpfe sie um weitere Mittel. Sie wolle kein Lebensmodell vorgeben, kommentierte sie die Möglichkeit eines Rechtsanspruches auf Kinderbetreuung, wie ihn etwa SPÖ, NEOS und Grüne fordern.

Raab über das Pensionssplitting

Raab pocht deshalb auf das auch im Regierungsprogramm verankerte automatische Pensionssplitting. Der Gesetzesvorschlag liege "schon viel zu lange im Sozialministerium", mahnte sie den Koalitionspartner. Dieser fordert ein größeres Paket und Maßnahmen zur Lohntransparenz für Betriebe ab 35 Mitarbeitern. Umgesetzt werde nun jedenfalls eine neue Richtlinie auf EU-Ebene, die Maßnahmen in Betrieben ab 100 Mitarbeitern erfordert, so Raab. Als Erfolg sieht sie auch die Valorisierung der Familienleistungen - bis zu 2.200 Euro mehr pro Jahr pro Kind gebe es für Familien 2024 durch die Anpassung an die Inflation.

Die Genderdebatte hält sie für verkrampft. "Frauenpolitik ist mehr als die Genderdebatte", meinte Raab. Beim rein weiblich formulierten Gesetz aus dem Justizministerium von Alma Zadic (Grüne) liege "die Lösung auf der Hand" - es gebe legistische Richtlinien des Bundes, Gesetze sollten sowohl die männliche als auch die weibliche Form abdecken.

Susanne Raab über die Anklage von Sebastian Kurz

Ihren Einstand als Ministerin hatte Raab Anfang 2020 unter Sebastian Kurz. Der ehemalige ÖVP-Chef sieht sich nun mit einer Anklage der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wegen Falschaussage im Ibiza-U-Ausschuss konfrontiert.

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"Ich bin mir 100-prozentig sicher, dass sich die Vorwürfe in Luft auflösen werden", meinte sie und kritisierte in einem Nachsatz, dass die Medien die Information über die Anklage vor den Beschuldigten erhalten hätten. Über eine Rückkehr Kurz' in die Politik wird gerne spekuliert. "Er hat das für sich selbst ausgeschlossen", meinte Raab zur Frage, ob sie für ihn eine Zukunft in der ÖVP sehe.

Einer der medienpolitisch größten Brocken dieser Legislaturperiode war das umstrittene ORF-Gesetz, das vor der Sommerpause im Nationalrat beschlossen wurde. Die Gebühren für den ORF seien nun deutlich günstiger - 15,30 Euro Haushaltsabgabe statt 22,45 Euro GIS-Gebühr -, hielt Raab der Kritik daran entgegen, dass nun auch jene zur Kasse gebeten werden, die keine ORF-Angebote nutzen.

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Medienpolitisch will sich Raab nun auf das Thema künstliche Intelligenz konzentrieren. Man müsse sicherstellen, dass diese die journalistische Arbeit ergänze und nicht ersetze. "Wie man die positiven Aspekte von technologischen Entwicklungen nutzen kann, aber auch den Gefahren, die damit verbunden sind, einen Rahmen setzen kann, halte ich für eine zentrale Zukunftsherausforderung im Medienbereich, der ich mich gerne widmen möchte."

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