Beschlagnahme von Raserfahrzeugen: Gewessler-Novelle verfassungswidrig?
Vor rund einer Woche wurde von Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) die 34. Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) in die Begutachtung geschickt. Das Ziel des Gesetzes: „Weitere Verschärfung der Sanktionen bei extremsten Geschwindigkeitsübertretungen“. Die überwiegende Mehrheit der Österreicher unterstützt die vorgesehene Konfiszierung von Raserfahrzeugen, laut Umfragen etwa zwei Drittel der Bevölkerung.
Namhafte Juristen äußern gegenüber dem KURIER nun aber verfassungsrechtliche Bedenken. Zwar sei die geplante Beschlagnahme von Raserfahrzeugen prinzipiell möglich, lautet der Tenor, allerdings sollen die Erlöse aus der Versteigerung des Autos oder Motorrads komplett einbehalten werden. 70 Prozent sollen in den Verkehrssicherheitsfonds („Wunschkennzeichen-Topf“) gehen, 30 Prozent an jene Behörde, die das Verfahren führt.
Damit ergibt sich aber eine ungleiche Situation. Wer sich gerade einen neuen Sportwagen um 200.000 Euro gekauft hat, muss einen völlig anderen Preis bezahlen als jemand, der einen 5000-Euro-Gebrauchtwagen fährt.
Wer mit einem Leasingfahrzeug unterwegs ist, muss gar keine Zusatzkosten befürchten, da das Fahrzeug nicht dem Halter gehört und somit nicht konfisziert werden kann. Das betrifft aktuell immerhin 54 Prozent aller Fahrzeuge in Österreich.
Auto auf Kredit wird teuer
Schlimmer wird es hingegen, wenn das Auto per Kredit finanziert wurde, denn dann kommen noch Raten obendrauf für ein Vehikel, dass man gar nicht (mehr) besitzt. Die Geldbuße verdoppelt sich so mitunter. Die Strafhöhe hängt damit also nicht an der Schwere des Verstoßes oder dem Einkommen, sondern am Finanzierungsmodell.
„Wir sind grundsätzlich an einer derartigen Sanktionsdrohung interessiert, halten aber die Art der Umsetzung für falsch“, sagt ÖAMTC-Chefjurist Martin Hoffer. „Grundrechtskonform müsste das ins Strafgesetzbuch oder in die Strafprozessordnung. Allerdings darf der Verfall einer so wertvollen Sache die Strafdrohung nicht exzessiv übersteigen. Der Gewinn aus dem Autoverkauf muss zurückbezahlt werden.“
Auch der Tiroler Verfassungsjurist Peter Bußjäger, der jenes Gutachten erstellt hat, auf dem die Gewessler-Novelle fußt, hat bei einer kompletten Beschlagnahme rechtliche Bedenken, wie er dem KURIER mitteilt: „Grundsätzlich sehe ich kein Problem, wenn diese Aspekte in der StVO geregelt werden. Gegenüber einer provisorischen Beschlagnahme gibt es keine wesentlichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Aus meiner Sicht könnte aber die dauerhafte Beschlagnahme, die derzeit keine Beteiligung des Betroffenen am Versteigerungserlös vorsieht, problematisch sein.“
„Sicherungscharakter“
In Gewesslers Büro heißt es, dass der Verfassungsdienst grünes Licht gegeben habe: „Bei einem Verfall des Fahrzeuges – also der entschädigungslosen Verwertung – steht der Sicherungscharakter im Vordergrund. Das heißt, es gilt sicherzustellen, dass der Lenker die Allgemeinheit mit dem betreffenden Fahrzeug nicht mehr gefährden kann.“
Bis 20. Jänner 2023 läuft die Frist für Stellungnahmen zur geplanten Novelle. Im Anschluss werden die darin vorgebrachten rechtlichen Argumente nochmals gründlich geprüft, heißt es aus dem Verkehrsministerium.
Tatsächlich gäbe es andere Möglichkeiten, um Ähnliches zu erreichen. In nordeuropäischen Ländern werden Strafen für extremes Schnellfahren nach dem Einkommen gestaffelt. Zwar gibt es ebenfalls Geldbußen unterschiedlicher Höhe, allerdings wäre ein Monatsgehalt dennoch für alle Lenker eine ähnliche Bestrafung.
In mehreren europäischen Ländern gibt es mittlerweile sogar mehrjährige Haftstrafen für Extremraser. Unterstützt wird diese Art der Bestrafung in Österreich allerdings nur von der Wiener Stadträtin Ulli Sima (SPÖ).
Kommentare