Aufgedeckt: So arbeitet die "Baumafia" in Österreich

Die Finanzpolizei ermittelt seit Jahren, es ist aber eine Sisyphos-Arbeit
Der umtriebige Kroate "Zoki" S. und sein Clan sollen jahrelang über Scheinfirmen groß abkassiert haben.

Sie drehten viele Jahre das ganz große Rad in Sachen illegaler Beschäftigung und Abgabenbetrug am heimischen Bau. Der eine mutmaßlich kriminelle Clan wird von einem Serben mit dem Spitznamen "Mio" dirigiert, der andere vom Kroaten "Zoki" S.

Genau vor zwei Monaten sind die beiden Bosse und ihre zwei "Stellvertreter" bei einer Razzia der Finanzpolizei ins Netz gegangen. Sie sollen die Wiener Gebietskrankenkasse und die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse um zumindest 12,33 Millionen Euro betrogen haben – mithilfe von Scheinfirmen, gefälschten Dokumenten und rechtswidrigen Arbeitskräfte-Entsendungen. Sie stehen auch im Verdacht, eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben. ie befinden sich unter anderem wegen Fluchtgefahr in U-Haft. Dem Vernehmen nach werden die Vorwürfe bestritten.

Falsche Versprechen

Aber der Reihe nach. Der Modus operandi von Zoki S., der selbst von seinem Bruder "Chef" genannt wird, hat sich seit Jahren bewährt. Er fährt regelmäßig in seine Heimat Kroatien und keilt Landsleute für Fassadenarbeiten in Österreich. Außerdem setzt er Vermittler ein, die gegen Provision Arbeiter auftreiben.

Laut Aktenlage werden dabei legale Jobs und rund 2000 Euro Nettoverdienst versprochen. Mit einem Minibus werden die Arbeiter nach Wien transportiert und in einem angemieteten Quartier untergebracht.

Mit zwei Automaten-Fotos und einer Kopie des Reisepasses wurden für die neuen Hackler die Aufenthaltskarten gebastelt.

Falsche Papiere

"Mir ist aufgefallen, dass die Karten nicht echt waren. Auf der Karte war mein Name, jedoch nicht mein Bild", sagte ein Arbeiter aus. Nach Erhalt der Papiere wurden die "Partien" (zu je sechs bis acht Mann) auf Baustellen namhafter heimischen Bauunternehmen (Namen der Redaktion bekannt) gekarrt. Gearbeitet wurde offiziell auf Rechnung zwischengeschalteter Subauftragnehmer – nämlich niederösterreichischen und Wiener Fassadenbauern.

Aufgedeckt: So arbeitet die "Baumafia" in Österreich
Symbolbild

Im Schnitt erhielt eine "Partie" 10 bis 13 Euro pro Quadratmeter verputzter Fassade – bar auf die Hand. Pro Baustelle wurden zwischen 600 bis 1200 Quadratmetern verputzt. "Vermittler" Zoki S. kassierte von den Auftraggebern über sein Scheinfirmen-Netzwerk aber 28 bis 30 Euro und mehr pro Quadratmeter Fassade.

Schneller Identitätswechsel

Bereits Ende 2011 soll Zoki seinen Arbeitern gesagt haben, dass man die "Papierologie" verbessern müsse. Er meinte damit die Dokumente. Offenbar gab es Ärger mit Polizei und Finanz.

"Wir wechselten dann alle auf slowakische Identitäten", sagte der Zeuge beim Landeskriminalamt (LKA) Wien aus. Diese gefälschten ID-Karten wurden aber bei einer Razzia entdeckt. "Es war mit S. vereinbart, dass wir nicht sagen dürfen, woher wir die Karten haben, und dass er der Chef ist", gab der Zeuge an.

Diese slowakischen Scheinfirmen bereiten den Finanzpolizisten seit mehreren Jahren Kopfzerbrechen. Zoki S. kaufte bestehende Firmenhüllen, um sie mithilfe einer slowakischen "Mitarbeiterin" für seine Betrügereien zu nutzen. Die Tätergruppe meldete Arbeiter auf diese vermögenslosen slowakischen Scheinfirmen an und entsendete sie auf den Bau nach Österreich.

Gesetzliche Schwachstellen

Zoki S. "ist der faktische Machthaber dieser Scheinfirmen", halten die Ermittler in einem Rechtshilfeersuchen an die slowakische Justiz fest.

Hier kommen auch seine Familie und andere Helfer ins Spiel. Zokis Nichte und Neffe legten die Rechnungen an die Fassadenbaufirmen. Die heimischen Fassadenbauer überweisen dann die "Werkvertrags-Honorare" auf Konten der slowakischen Briefkastenfirmen. Die Guthaben wurden vom Boten "Nezdo" regelmäßig bar behoben und nach Österreich gebracht. Zoki gab dann Anweisung, wer wann wie viel erhielt.

Flog eine seiner Arbeiter-Partien bei Kontrollen auf, wurde der Name der slowakischen Firma gewechselt. Am nächsten Tag waren wieder dieselben Arbeiter am Bau – aber mit anderen Papieren.

Abgekartetes Spiel

Zokis österreichische Geschäftspartner (siehe unten) bestreiten, von diesen Machenschaften gewusst zu haben. So auch ein niederösterreichischer Fassadenbauer. Dieser wurde schon im Februar 2017 von der Finanzpolizei besucht. Dabei stellte sich heraus, dass seine zwei Sekretärinnen Arbeitslosengeld bezogen wie auch vier Männer, die Arbeitskleidung mit dem Firmenlogo der Baufirma trugen. Eine Sekretärin sagte aus, dass sie seit 2013 in der Baufirma arbeitet. Der niederösterreiche Unternehmer mit Balkan-Wurzeln gab weiter an, dass die beiden Damen "gar nicht gearbeitet hätten, sondern nur hier seien um Kaffe zu trinken und Kuchen zu essen". Und die Hackler in Firmen-Montur, aber mit AMS-Bezug, würden nur seinen Geburtstag nachfeiern.

Besagter wortgewandter Bauunternehmer, der von den Scheinfirmen seiner Geschäftspartner rein gar nichts gewusst haben will, soll von Zoki S. aber auch Kick-back-Zahlungen erhalten haben. Oder anders gesagt: Sie sollen sich die illegalen Gewinne geteilt haben.

Vorwürfe bestritten

Dietmar Bachmann, der Verteidiger von Zoki S., kann zu den Vorwürfen noch keine Angaben machen, er müsse erst den Strafakt prüfen. Er bestätigt aber, dass sein Mandant vor Kurzem in einem ersten Betrugsverfahren viereinhalb Jahre Haft ausgefasst hat.

Kriminelle Energie

Zoki S. soll mit seinem Cousin in den Jahren 2006 bis 2014 einen Gesamtschaden in Höhe von 15 Millionen Euro durch Betrügereien am Bau verursacht haben. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Bevor S. geschnappt wurde, erhielt die Staatsanwaltschaft diverse schriftliche Aussagen und sogar Geständnisse von Landsleuten, die Zoki entlasteten – zum Teil mit Fingerabdrücken auf dem Papier von Zoki S. Selbst von österreichischen Notaren beglaubigte Aussagen plus Reisepass-Kopien waren darunter. Laut Aktenlage soll Zoki S. auch Zeugen beeinflusst haben, dass sie nicht aussagen oder nicht die Wahrheit sagen.

Aufgedeckt: So arbeitet die "Baumafia" in Österreich
Interview mit Werner Tomanek und Philipp Wolm. Wien, am 02.11.2017.

Philipp Wolm, der Verteidiger von Zokis Bruder und "Stellvertreter", will zum laufenden Verfahren keine Stellungnahme abgeben. Nur so viel: Die Vorwürfe werden bestritten. Fortsetzung folgt.

Mit den vier mutmaßlichen Baubetrügern aus Kroatien und Serbien wanderten ursprünglich auch ein Wiener und ein niederösterreichischer Fassadenbauer in U-Haft. Obwohl sie der Mittäterschaft bei den mutmaßlichen Betrügereien von Zoki S. und „Mio“ verdächtigt werden, kamen sie nach einigen Tagen frei. Sie bestreiten vehement, von den illegalen Machenschaften ihrer dubiosen Geschäftspartner gewusst und profitiert zu haben. Das sehen die Finanzpolizisten und Staatsanwälte der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die seit 2014 gegen dieses Duo ermittelt, ganz anders.

Dem Niederösterreicher mit Balkan-Wurzeln schreiben sie einen Schaden in Höhe von 5,58 Millionen Euro zu, dem Wiener, der ein Auto auf den Namen seiner Mutter für 29.500 Euro cash bezahlte, nur 1,16 Millionen Euro. Vor wenigen Tagen hat das Oberlandesgericht Wien die neuerliche Verhängung der U-Haft über das Duo, die die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) beantragt hatte, abgelehnt.

Kein Nachweis

Bei dem Wiener bestehe zwar ein dringender Tatverdacht, beim Niederösterreicher nur ein einfacher. Beim Wiener kommt das OLG zum Schluss, dass die Anklagebehörde nicht nachweisen konnte, warum die Rekrutierung von Subunternehmen „zwingend mit der Kenntnis von oder Involvierung in kriminelle Machenschaften einhergehen müsse“. Auch sei die Annahme nicht belegt, dass der Wiener Unternehmer den Einsatz von Scheinfirmen billigend in Kauf nahm. Indes räumte er in einer Einvernahme ein, dass fünf seiner 15 „Baupartien“ von den zwei mutmaßlichen Haupttätern stammten.

Blaue Augen

Auch im Fall des Niederösterreichers, der allein im Jahr 2017 insgesamt 118 Bauarbeiter des mutmaßlich kriminellen Netzwerks von Zoki S. beschäftigte, lässt sich nicht zwingend ableiten, so das OLG, dass er von vornherein wusste, es handle sich bei den über einen bestimmten Ansprechpartner vermittelten Subunternehmen um Scheinfirmen. Die Baufirmen hätten kurzfristige Bedarfsspitzen, die sie mit rasch greifbaren Arbeiterpartien abdecken, meint das Gericht. Und für solche Bedarfsdeckungen gibt es Ansprechpartner in der Baubranche, hält das Gericht fest. Dazu gehören der Kroate Zoki S. und der Serbe mit dem Spitznamen „Mio“. Und alle vier U-Häftlinge sind laut OLG Wien die mutmaßlichen Haupttäter.

Kommentare