Anti-Terror-Razzia: "Sie planten hier einen Gottesstaat"

Günther Kogler, Wolfgang Sobotka (Mitte) und Christian Pilnacek (re.)
14 mutmaßliche Islamisten in Wien und Graz festgenommen. Ermittlungen auch wegen Zugehörigkeit zu einer staatsfeindlichen Verbindung.

Seit mehr als zwei Jahren sitzt jener Mann im Gefängnis, den der Staatsanwalt beim Prozess in Graz als „Schlüsselfigur des IS in Österreich“ bezeichnet hat. Doch Hassprediger Mirsad O. scheint durch fanatische Anhänger weiter zu wirken: Bei Anti-Terror-Razzien in Graz und Wien wurden elf verdächtige Männer sowie drei Frauen festgenommen. Wie O. bekannt unter seinem Kampfnamen „Ebu Tejma“ sollen sie versucht haben, ein islamistisches Netzwerk aufzubauen. „Sie planten einen Gottesstaat hier in Österreich zu erreichten“, sagt Christian Pilnacek, der zuständige Sektionschef im Justizministerium.

Ihnen wird daher nicht nur die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, sondern auch die Zugehörigkeit zu einer staatsfeindlichen Verbindung vorgeworfen. Sie sollen 40 Personen für den Dschihad in Syrien angeworben haben und sich zum IS bekennen. Laut Konrad Kogler, dem Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, wurden „zwei bis drei Prediger“ verhaftet. Derzeit werden zahlreiche Handys und Computer ausgewertet.

Terroreinsätze in Österreich

Großaktion

800 Beamte legten gestern, Donnerstag, um vier Uhr früh zeitgleich los, auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Graz. Dutzende Wohnungen wurden durchsucht, in Graz auch ein Moscheeverein in Lend. Dieser Verein dürfte den Kreis zu „Ebu Tejma“ und einem weiteren IS-Prediger schließen (der Imam wurde im Vorjahr nicht rechtskräftig zu sechs Jahren Haft verurteilt): „Ebu Tejma“ hat hier einige Male gepredigt.

Mirsad O. wurde 2016 angeklagt, Männer so sehr radikalisiert zu haben, dass sie sich dem IS anschlossen oder dies planten: Letztlich wurde er zu 20 Jahren Haft verurteilt (nicht rechtskräftig). Der Ankläger hatte nur zwei Beschreibungen für O.: „Verführer und Hetzer.“
Diese Moschee, in der O. und der andere Prediger Auftritte hatten, soll nun in der Nacht zum Donnerstag erneut im Visier der Polizei und der Justiz gestanden sein, hieß es aus gut informierten Kreisen. Der Moscheeverein war zwar nach der „Operation Palmyra“ geschlossen worden, zog aber danach um und kehrte unter neuem Namen zurück.

Palmyra“ war im November 2014 die europaweit größte Razzia in der Islamisten-Szene. Bei Zugriffen in Graz, Wien und Linz wurden 29 Terrorverdächtige festgenommen. Gestern schlug der Staatsschutz teilweise an denselben Schauplätzen erneut zu. Ebenfalls wie damals war ein österreichisch-bosnisches Islamisten-Netzwerk Ziel der Aktion. Der Verfassungsschutz soll die Aktivitäten seit Monaten beobachtet und die handelnden Personen oberserviert haben.

Balkan-Verbindung

Fast alle Festgenommenen im Alter zwischen 21 und 49 Jahren haben ihre Wurzeln in Ex-Jugoslawien. Sechs Männer stammen aus Bosnien oder Mazedonien, drei weitere Männer sind bereits eingebürgert, dazu kommen ein Bulgare und ein Syrer. Bei den weiblichen Verdächtigen soll es sich um Ehefrauen dreier Bosnier handeln. Beamte des Verfassungsschutzes, der uniformierten Polizei sowie der Cobra schlugen nahezu zeitgleich an 15 Adressen zu. Damit wurde den handelnden Personen die Chance genommen, gewarnt zu werden. Wie aus Polizeikreisen zu erfahren war, wurden auch jede Menge schriftliche Dokumente sichergestellt.

Stadtchef informiertInteressantes Detail: Ein Politiker wusste vorab Bescheid: Der Grazer ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl vermeldete unmittelbar nach der Razzia in einer Pressemitteilung, bereits Dienstag „über den nächtlichen Einsatz informiert“ worden zu sein. „Wir haben selbstverständlich alles getan, um ihn zu unterstützen.“ In zehn Tagen finden in Graz übrigens Gemeinderatswahlen statt.

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