Anti-Rassismus-Demo ohne Babyelefant hat Folgen

Anti-Rassismus-Demo ohne Babyelefant hat Folgen
50.000 Menschen waren bei Protest in Wien auf engsten Raum – die Verantwortung dafür will in Corona-Zeiten niemand übernehmen. Das Gesundheitsministerium plant deshalb nun einen Runden Tisch.

Es war die größte Demonstration seit Jahren in Österreich. Und das erste große Zusammentreffen seit Ausbruch des Corona-Virus. Was die einen als riesiges Zeichen gegen den Rassismus feiern, kritisieren andere als riesige Corona-Party. In den sozialen Medien gehen die Wogen hoch, weil rund 50.000 Menschen – vielfach ohne Mundschutz – so nahe beieinander waren.

Heißt es bereits: Babyelefant, ade?

Am Tag nach den gewaltigen #BlackLivesMatter-Protesten will niemand verantwortlich sein, dass so viele Menschen an einem Platz auf dichtesten Raum zusammenkamen. Einig ist man sich nur, dass alle Beteiligten vollkommen überrascht waren.

Verschätzt

Die Demo-Organisatorin Mireille Ngosso, die selber Ärztin ist, meint dazu: „Wir haben mit 3.000 gerechnet, gekommen sind 50.000, da wurde das mit dem Platz ein Problem“, sagt sie. Hätte man das gewusst, hätte man einen anderen Ort gewählt. „Die Infektionszahl ist aber so niedrig, dass ich nicht glaube, dass die Demonstration eine Gefahr darstellt“, sagt sie.

Anti-Rassismus-Demo ohne Babyelefant hat Folgen

Wiens Polizeipräsident Gerhard Pürstl

Wiens Polizeipräsident Gerhard Pürstl wollte jedenfalls keine Demo gegen Polizeigewalt mit Polizeigewalt auflösen. Das hätte wohl zu enormen Verwicklungen geführt. „Jede Versammlungsanzeige wird derzeit vorab an die Gesundheitsbehörde weitergeleitet“, sagt Pürstl zum KURIER. Da von der zuständigen MA 15 keine Vorgaben kamen, musste die Polizei grünes Licht geben.

Als sich dann abzeichnete, dass die Zahl der Demonstranten immer größer wird, machte die Polizei extra eine Straße frei. Eine derart große Menge wegen Verwaltungsübertretungen aufzulösen, wollte sich aus verschiedenen Gründen niemand antun: „Was tut man dann, wenn Menschen ausgerechnet gegen Polizeigewalt demonstrieren“, fragt Pürstl.

Das Gesundheitsministerium fragte jedenfalls im Innenministerium nach, ob man dort etwas tun könne. Dort hieß es wiederum, dass die Gesundheitsbehörden verantwortlich sind. Auf Anfrage des KURIER verweist man im Gesundheitsressort auf die Stadt Wien als lokale, zuständige Behörde. Pikanterweise war der zuständige Gesundheitsstadtrat Peter Hacker selbst auf der Demo.

Er sagt wiederum: „In der COVID-19-Lockerungsverordnung sind Versammlungen ausdrücklich von den Regelungen für Veranstaltungen ausgenommen.“ Hacker spielt den Ball wieder zurück: „Für die Regulierung ist der Bund zuständig. Für den Vollzug die Landespolizeidirektion. Klar ist auch, dass solche Regeln vom Bodensee über das Kleinwalsertal bis zum Neusiedlersee gleichermaßen gelten müssen.“

Anti-Rassismus-Demo ohne Babyelefant hat Folgen

Gesundheitsminister Rudolf Anschober

Fest steht, dass die Polizei im Vorfeld Demos untersagen kann: „Das Versammlungsrecht ist ein Grund- und Freiheitsrecht, genauso wie das Recht auf Unversehrtheit und Gesundheit. In dieser Abwägung muss die Sicherheitsbehörde entscheiden, bei der Anmeldung einer Demo ob sie zugelassen wird oder nicht“, sagte Innenminister Karl Nehammer schon im April. „Da gibt es eine sogenannte Prognosen-Einschätzung, wie sehr der jeweilige Anmelder der Demonstration die Auflagen erfüllen kann“. Da aber keine Bedenken von der MA 15 kam, wollte die Polizei auch nicht strenger als die Gesundheitsbehörde sein, betont Pürstl.

Anschober reagiert

Am Freitagnachmittag gab es dann eine Wende, Gesundheitsminister Rudolf Anschober zum KURIER: „Ich freue mich darüber, dass viele Menschen gegen Rassismus aktiv werden. Laut den mir vorliegenden Fotos von dieser Kundgebung haben sehr viele TeilnehmerInnen Masken getragen, viele auf den Mindestabstand geachtet. Manche Fotos irritieren mich aber auch."

Großer Zulauf zu Anti-Rassismus-Demo

Und weiter: „Wir müssen rasch von dieser ersten Großdemonstration lernen und die Einhaltung des Mindestabstandes einhalten. Für kommenden Montag plane ich daher einen Runden Tisch mit VertreterInnen des BMI, Stadtrat Peter Hacker, Polizeipräsident Gerhard Pürstl und den VeranstalterInnen der Versammlung sowie den Juristen des Bundesministeriums für Gesundheit, um die gestrige Demonstration zu evaluieren und für zukünftigen Demonstrationen Verbesserungen zu verankern und den Mindestabstand sicherzustellen. Der Pandemieschutz muss auch bei Demonstrationen sichergestellt werden.“

Dass gleichzeitig Veranstaltungen nur bis 500 Personen durchgeführt werden dürfen, aber 50.000 bei einer Demo sind, dürfte derzeit jedenfalls nicht jeder verstehen.

Am Freitagabend wurde jedenfalls erneut gegen Rassismus demonstriert, diesmal vor der US-Botschaft. Diesmal kamen rund 1000 Menschen, praktisch alle trugen Schutzmasken.

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