Auf Almen und Berghütten wird das Wasser knapp

Auf Almen und Berghütten wird das Wasser knapp
Die Auswirkungen des Klimawandels zeigen sich in den Alpen und höheren Lagen besonders deutlich. Die Neue Prager Hütte in den Hohen Tauern etwa musste zum dritten Mal in Folge vorzeitig wegen Wassermangels schließen.

Auf der Alm - da gibt´t sprichwörtlich "koa Sünd´". Weniger sprichwörtlich, als vielmehr real: Auf der Alm gibts "koa Wasser" mehr, bzw. immer weniger davon. Zunehmende Trockenheit und der damit einhergehende Wassermangel wird für heimische Almbauern und Hüttenbetreiber zu einer immer größeren Herausforderung.

"Wasser bildet die Basis der Weidewirtschaft", erklärt Michaela Langer-Weninger, oberösterreichische Agrarlandesrätin. 180 Liter Wasser pro Tag benötigt etwa ein Rind an heißen Tagen. Auch der Pferde, Schafe oder Ziegen Durst will gestillt sein. Durch die aktive Futtersuche auf den Almen und die stärkere Sonneneinstrahlung verbrauchen die Tiere mehr Wasser als etwa bei Stallhaltung am Hof. Leiden die Tiere Durst, führt das zu Fressunlust.

Nicht nur das liebe Vieh, auch der Mensch hat Durst. Wandern erfreut sich nach wie vor steigender Beliebtheit, viele Almhütten werden gut besucht. Was die Betreiber freuen könnte, hat auch einen trockenen Beigeschmack: Mehr Wanderer verbrauchen mehr Wasser. Das kühle Nass dient nicht rein dem Durstlöschen. Es wird damit gekocht, auch für WCs oder Duschen braucht man (viel) des knapper werdenden Guts. 

Die Gschwendtalm in Großraming liegt an den südwestlichen Hängen des Gamssteins und ist ein beliebtes Ausflugsziel. In gut einer Stunde kann man die auf gut 950 Meter Seehöhe vom Parkplatz im Brunnbachtal gelegene Alm erwandern, almtypische Gerichte speisen und auch übernachten. 46 Rinder und drei Milchkühe werden auf der 26 Hektar großen Weidefläche gehalten. 3.000 Liter Wasser pro Tag verbraucht die Gschwendtalm im Schnitt. Ein Verbrauch, den die einzige kleine Quelle in der Nähe nicht mehr speisen konnte.

Auf Almen und Berghütten wird das Wasser knapp

Da es in den Wintern immer weniger schneit und dadurch weniger Schmelzwasser in die Speicher fließt und die Almsommer in den letzten Jahren auch in Oberösterreich von immer längeren Trockenperioden geprägt sind, konnte die Versorgung der Tiere nicht mehr vollends gewährleistet werden. "Früher mussten wir in trockenen Sommern Wasser für unser Vieh mit Güllefässern auf die Alm bringen", erklärt Obmann Hubert Buchberger. Ein immenser Zeit- und Kostenaufwand. So entschied sich die Gemeinschaft - die Alm ist im Besitz von neun bäuerlichen Familien aus der Region - im Jahr 2018 einen 150 Kubikmeter großen Betonbehälter als Wasserspeicher einzugraben. Zuerst werden die drei Trinkwasserspeicher aufgefüllt; der Überlauf geht dann in den großen Behälter. Dadurch geht in den Sommermonaten kein Wasser mehr verloren. Das Weidevieh kann mit einem vollen Behälter rund 50 Tage versorgt werden.

Die zuverlässige Wasserversorgung der rund 400 mit Vieh bewirtschafteten Almen wurde zum vorangigen Ziel in Oberösterreich ausgerufen. "Es wird jedes Jahr etwas enger mit der Wasserversorgung", sagt Johann Feßl, Obmann des oberösterreichischen Almvereins. Die Almsommer seien in den vergangenen Jahren von immer länger andauernden Hitzewellen geprägt gewesen. Es wird also nötig sein, weitere Zisternen und künstliche Speicher anzulegen. Mittlerweile fließt bereits circa ein Drittel der zur Verfügung stehenden Alm-Fördermittel in Wasserversorgungsanlagen. Gefördert werden unter anderem Wasserfassung, Speicherung, Aufbereitung, Leitungen, Pumpanlagen sowie Viehtränken

Wassermangel auch im Hochgebirge

Szenenwechsel von der in 950 Meter Höhe gelegenen Gschwendtalm zur Neuen Prager Hütte auf 2.800 Metern Seehöhe. Die Probleme hier in der gewaltigen Gletscherwelt des Nationalparks Hohe Tauern unterscheiden sich kaum von jenen in tieferen Lagen. Auch hier mangelt es an Wasser. Die Alpenvereinshütte hier im Innergschlöss, einem der Talschlüsse der Ostalpen, ist beliebter Ausgangspunkt für den Großvenediger und dient gleichzeitig als Etappenziel bei der Venediger Runde. 

Seit 15. August ist die Hütte geschlossen. "Die aktuelle Wassersituation auf der Neuen Prager Hütte lässt keinen ordnungsgemäßen Hüttenbetrieb zu. Die Hütte wird daher ab Donnerstag, 15. August 2024 aus Sicherheitsgründen geschlossen", informiert die Website. Dass die Prager Hütte vorzeitig ihre Pforten dicht machen musste, geschieht nicht zum ersten Mal. Zum dritten Mal in Folge ging den Betreibern das Wasser aus.

Früher Morgen auf der Neuen Prager Hütte unterhalb des Großvenedigers im Nationalpark Hohe Tauern

Früher Morgen auf der Neuen Prager Hütte unterhalb des Großvenedigers im Nationalpark Hohe Tauern

Aufgrund ihrer alpinen Lage und mangels Quellen ist die Hütte ausschließlich auf Oberflächenwasser, also Schmelzwasser von Gletschern oder Regenwasser, angewiesen. Beides wird rarer. Dafür wurden Temperaturen um die 20 Grad gemessen, ungewöhnlich hoch für diese Höhenlage. "Es herrscht der Irrglaube, oben in den Bergen sei die Wasserversorgung kein Problem, aber das Gegenteil ist der Fall", erklärt Georg Unterberger vom Österreichischen Alpenverein (ÖAV). Regen falle inzwischen meist bei Unwettern, denen dann lange Trockenperioden folgten. 

Die Probleme sind freilich nicht auf die Hohen Tauern oder Österreich beschränkt, sondern würden sich im gesamten Alpenraum gleichen, so Unterberger. In Österreich müsse aktuell jedes Jahr eine knappe Handvoll Hütten schließen. "Wenn jährlich drei oder vier Hütten aufgeben, klingt das wenig, ist aber ein Alarmsignal", sagt Unterberger.

Auch beim Deutschen Alpenverein (DAV) ist man sich der Problematik bewusst: Bereits seit Längerem weist der DAV darauf hin, dass die Wasserversorgung auf Hütten immer schwieriger werde, weil mit dem Klimawandel ein Rückgang der Gletscher einhergehe und Niederschlagsmengen geringer würden. Von den rund 200 bewirtschafteten DAV-Hütten gebe es bereits bei rund zehn Prozent akuten Handlungsbedarf – Tendenz steigend. Entweder, weil die Wasserversorgung langfristig nicht mehr sichergestellt sei oder auch, weil die Energieversorgung nicht mehr im gleichen Umfang möglich sei wie bisher.

Eine Klospülung - zehn Euro

Auf den Hütten selbst sei Umdenken gefordert, das (wenig) vorhandene Wasser sparsam zu nutzen - also Waschlappen statt Dusche für Übernachtungsgäste und Plumps-Klo statt Wasserspülung. Schon jetzt koste eine Klospülung, wenn man die Auf- und Nachbereitung des Wassers mitberechne, mehr als zehn Euro, sagt so Unterberger. "Wir müssen wieder hin zur einfachen Hygiene."

Beim Deutschen Alpenverein will man ab der kommenden Saison auf Trockentoiletten umrüsten, erklärt Robert Kolbitsch, Ressortleiter Hütten und Wege beim DAV-Bundesverband in München. Der Großteil des Wassers werde nämlich für die Spültoiletten benötigt, auch auf der Neuen Prager Hütte. Doch die Trockentoiletten benötigen deutlich mehr Platz. Im Falle der Neuen Prager Hütte müssten zudem Vorschriften des Denkmalschutzes eingehalten werden. So wird für die Trockentoiletten wohl ein neues zweistöckiges Gebäude neben der Hütte errichtet. Die Kosten für den Umbau werden mit 600.000 bis 800.000 Euro geschätzt. Im Zuge der Arbeiten soll auch der Trinkwasserspeicher der Hütte um zehn auf 30 Kubikmeter Wasser vergrößtert werden.

Umdenken könne man auch seitens der Architektur, so Unterberger, selbst Architekt. Er schlägt vor, Regenwasser mittels der Fassaden einzufangen. Die Zeiten längerer, stiller Regenperioden, wo der Regen gemütlich auf die Dächer falle, sei vorbei. Regen falle sintflutartig bei Unwettern, die Tropfen würden vom Sturm gegen die Fassaden gepeitscht: Jeden Tropfen davon gelte es aufzufangen: "Es gibt erste Hütten, da fangen wir das Regenwasser mittels der Fassaden auf", so der ÖAV-Experte.

50.000 Kilometer Wanderwege bedroht

Die Alpen haben nicht nur in Form von Wassermangels mit den Folgen des Klimawandels zu kämpfen. "272 Schutzhütten und 50.000 km Wanderwege befinden sich in einer akuten Notlage. Sie drohen buchstäblich wegzubröckeln", schreibt der Österreichische Alpenverein (ÖAV) in einem Notruf an die Bundesregierung.

Um Hütten und Wege zu sanieren, seien in den nächsten Jahren 95 Millionen Euro nötig. Die durch den Klimawandel häufigeren Starkregen, Steinschlag, Felsabbrüche und die Hangrutsche machten die Instandhaltung des Wegenetzes aufwendiger als früher. "Die Kosten dafür haben sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt, die Zahlungen aus dem vereinsinternen Katastrophenfonds vervielfacht", so eine ÖAV-Sprecherin.

Auf Almen und Berghütten wird das Wasser knapp

Abbruch vom Kleinen Wiesbachhorn (3.283 Meter). Hier lösten sich im Oktober 2017 150.000 Tonnen Felsmaterial.

Permafrost taut auf

Eines der Probleme ist, dass der Permafrost auftaut. Das Eis im Untergrund dient als Kitt. Taut es auf, wird das Gestein bröckelig und rutscht leichter ab, der Boden setzt sich. Bei rund einem Drittel der 153 Hütten und Biwaks des Schweizer Alpenclub SAC könnten sich dadurch Schäden einstellen, sagt ", Bereichsleiter Hütten beim Schweizer Alpenclub SAC. Bei der Rothornhütte bei Zermatt (Baujahr 1948) sorgte der Rückgang des Permafrostes für Risse in Wänden. „Wenn der Eisanteil im Boden sinkt, fließt Wasser ab und der Boden setzt sich“, sagt Delang. „Dann kann das Gebäude an einer Ecke um 20 Zentimeter sinken, an der anderen um 5 Zentimeter.“

Im Berner Oberland musste 2022 die Mutthornhütte oberhalb von Kandersteg auf rund 2.900 Metern nach 126 Jahren wegen Felssturzgefahr schließen. Ein Ersatzbau ist 2025 einen Kilometer weiter östlich geplant. In Österreich erhielt die Seethalerhütte im Dachsteingebirge schon vor einigen Jahren einen modernen Ersatzbau. Generell werden die Wege zur Hütte oft anspruchsvoller oder manchmal unpassierbar, weil Gletscher an der üblichen Stelle nicht mehr passierbar sind. Manchmal werden neue Wege angelegt.

Hüttenstandorte stehen infrage

Angesichts dieser Entwicklungen dränge sich immer öfter eine Frage auf, so Delang: "Ist ein Hüttenstandort noch gerechtfertigt oder müssen wir ganz schließen? Vor zehn, 15 Jahren haben wir uns diese Frage nicht gestellt.“. 

"Bei geplanten Bauvorhaben versuchen wir zu prognostizieren, welche Folgen die Klimaveränderung auf die bergsportliche Bedeutung des Gebiets in 20, 30 Jahren haben wird. Die Größe und Ausstattung der Hütte wird dem angepasst, auch ein Verzicht ist als Ultima Ratio eine Option." Eine neue Hütte als Ersatz für eine bisherige kostet nach Angaben von Delang vier bis fünf Millionen Franken.

Wanderer unterschätzen die Gefahr durch große Hitze

Wie wichtig Hütten sind, zeigt sich gerade auch im Sommer mit seinen rasch wechselnden Extrem-Wetterverhältnissen. Zum einen drohten sintflutartige Regenfälle mit Steinschlag und Murenabgängen, zum anderen sorge an Hitzetagen ab 30 Grad Dehydrierung immer wieder für Notfälle mit Wanderern, sagt Stefan Winter vom Deutschen Alpenverein (DAV). Nach mehreren kühlen Regentagen rechneten viele nicht mit plötzlicher Hitze. "Gerade der schnelle Wechsel von kühlem Regenwetter auf Hitze kann die Leute bei ihrer Einschätzung überfordern. Sie sehen nur: schönes Wetter - nichts wie raus."

Nach der Bergunfallstatistik des DAV, die alle zwei Jahre erscheint, liegen in der Sommersaison Herz-Kreislauf-Probleme, oft in Zusammenhang mit Hitze, an zweiter Stelle. Die zahlenmäßig meisten Unfälle geschehen regelmäßig durch Stürze beim Wandern - vielfach beim Abstieg, wenn die Wanderer müde sind. Außerdem ist die Stolpergefahr dann größer.

Auch wenn bisher der Sommer noch nicht so extrem war wie im Vorjahr mit diversen Wärmerekorden, gibt es beim DAV Befürchtungen, dass erneut Hütten wegen Wassermangels schließen müssen - wie bei der Neuen Prager Hütte.

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