Sieben Junge pro Tag mit Vollrausch ins Spital

Sieben Junge pro Tag mit Vollrausch ins Spital
Trotz großem Bedarf gibt es in Wien nur zwei Selbsthilfegruppen für jugendliche Trinker.

Melanie ist neun Jahre alt und hat zum ersten Mal eine Selbsthilfegruppe besucht. Ihr Problem: Sie trinkt regelmäßig exzessiv Alkohol. Sie konsumiert vor allem Wodka, den sie von ihrem Vater aus dem Vorratsschrank stiehlt.

Melanie ist die jüngste Klientin von Walter Figelmüller, der eine Selbsthilfegruppe für alkoholabhängige Jugendliche in Wien leitet. Aber auch die anderen Besucher der Gruppe sind erst im Teenager-Alter. Egal, ob reiches oder armes Elternhaus – der jugendliche Alkoholmissbrauch zieht sich durch alles Schichten.

Keine Hilfe von oben

"Im vergangenen Jahr hatte ich 49 Teilnehmer in der Gruppe", erzählt Figelmüller. Der 47-jährige Gruppenleiter weiß genau, was die Jugendlichen durchmachen. Auch er hat im zarten Alter von 13 begonnen, zur Flasche zu greifen. Erst seit drei Jahren ist er trocken. Es war ihm ein Bedürfnis, den Jugendlichen zu helfen. "Wenn ich damals Hilfe gehabt hätte, dann wäre ich nie so in die Alkoholsucht gerutscht", erzählt er.

Sieben Junge pro Tag mit Vollrausch ins Spital
Alkoholkranke Jugendliche, Feigelmüller

Erschreckend ist für ihn vor allem, wie wenig sich die Politik der Problematik offensichtlich annimmt. In ganz Wien gibt es nur zwei Selbsthilfegruppen für jugendliche Alkoholiker. Walter Figelmüller muss für den Großteil der Kosten selbst aufkommen. "Von der Stadt Wien bekomme ich pro Jahr 1800 Euro. Das ist alles". Auch in Sachen Broschüren ist man sparsam: Die einzige Unterlage, die Figelmüller bekommt, ist ein 23 Seiten dickes Büchlein, in dem sechs Fragen klären sollen, ob man alkoholgefährdet ist. Alle restlichen Info-Materialien muss die Gruppe aus Deutschland beziehen.

Teure Sparsamkeit

Diese Sparsamkeit kommt den Staat aber letzten Endes teuer zu stehen. Die volkswirtschaftlichen Schäden durch Alkoholmissbrauch belaufen sich laut Experten-Schätzungen in Österreich auf mehr als 700 Millionen Euro pro Jahr. "Würde der Staat früh genug Geld in die richtige Prävention stecken, könnte man sich Millionen ersparen", schätzt Figelmüller.

Ein weiterer Kritikpunkt sind die wenigen Selbsthilfegruppen, die für Jugendliche angeboten werden. "Ich habe im vergangenen Jahr mehr als 1000 Anfragen von Jugendlichen aus ganz Österreich bekommen, die nicht wissen, wohin sie sich wenden sollen."

Meist werden die Teenager in Gruppen der Anonymen Alkoholiker gesetzt, wo sie mit schwer Süchtigen über ihre Probleme reden sollen. Doch das hat laut dem Experten wenig Sinn: "Die Teilnehmer in meiner Gruppe trinken zwar exzessiv, aber man kann noch nicht von Alkoholismus sprechen." Walter Figelmüller würde gerne noch weitere Gruppen gründen, doch mit den Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, kann er die eine Gruppe gerade noch finanzieren.

Das Gesundheitsministerium prüft seit 2011, ob ein österreichweites Präventionsprogramm erstellt werden soll. Warum diese Evaluierung so viele Jahre dauert, wird nicht kommentiert. Aus dem Büro von Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) heißt es lediglich: "Wir werden die Ergebnisse und eine neue Suchtprävention noch 2014 vorstellen." Bleibt zu hoffen, dass das Thema ernst genommen und nicht wieder auf die Jugendlichen vergessen wird.

Links:

Hilfe-fur-Alkoholkranke.net

Themenseite des Gesundheitsministeriums über Suchtprävention

Die jetzt erst ausgewertete Entlassungsstatistik der österreichischen Krankenhäuser 2012 zeichnet in puncto Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen ein erschreckenden Bild. 2444-mal wurden Jugendliche im Alter zwischen 15 und 19 Jahren mit einer Alkoholvergiftung in ein Spital eingeliefert. 275 weitere Patienten waren erst zwischen zehn und 14 Jahren alt. Zudem mussten auch drei Buben im Alter von fünf bis neun Jahren und sechs Kleinkinder wegen Alkoholkonsums behandelt werden.

Zahlen, die nachdenklich stimmen. Doch betrachtet man die Statistik aller Altersgruppen, ist leicht zu erkennen, dass der Trend zum Alkoholmissbrauch in Österreich Tradition hat. Laut Studien trinkt nämlich jeder Österreicher im Durchschnitt zwölf Liter Alkohol pro Jahr. Damit liegen wir im Europavergleich auf Platz drei hinter Portugal und Frankreich.

350.000 alkoholkrank

Im Laufe des Lebens werden rund zehn Prozent der Österreicher alkoholkrank. 8000 davon sterben jährlich an den Folgen des übermäßigen Alkoholkonsums. Rund 350.000 Österreicher – also knapp fünf Prozent – sind chronische Alkoholiker.

Wer sich täglich ein Feierabend-Bier aufmacht, braucht aber keine Sorgen haben, gefährdet zu sein. Ein halber Liter Bier oder ein Achterl Wein gelten als "zulässig".

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