2015: Der Sommer, der alles veränderte

Ein lächelndes Mädchen steht im Garten unter einem Rasensprenger.
Österreich und ganz Europa wurden im Sommer 2015 von der Zahl der Flüchtlinge überrascht. Die Folgen wirken bis heute nach.

Und dann war nichts mehr, wie es vorher war. Als am 27. August 2015 die Leichen von 71 Flüchtlingen auf der A4 bei Parndorf in einem Kühl-Lkw gefunden wurden, war das Entsetzen groß.

Es war der traurige Höhepunkt einer Entwicklung, die NGOs, Politik und Zivilgesellschaft seit Monaten in Atem hielt: Mehr als 800.000 Flüchtlinge kamen 2015 in Griechenland an und machten sich auf den Weg nach Mitteleuropa. Bereits ab März waren vermehrt Asylanträge gestellt worden. Im Juli war das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen heillos überfüllt.

Bis zu 4.500 Personen statt der zugelassenen 1.800 Menschen lebten dort, mussten im Freien schlafen – darunter auch Neugeborene. Erst im August richtete die Regierung eine „Task Force Asyl“ ein. Obwohl Experten gewarnt hatten, traf die Anzahl der Flüchtlinge die Politik unvorbereitet. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits tausende Menschen in Ungarn gestrandet. Während sie in den Balkan-Ländern durchgewunken worden waren, ließ die ungarische Regierung sie nicht weiterreisen.

Ein Liniendiagramm zeigt die Entwicklung der Asylanträge von 2013 bis 2019.

Am 31. August machte ein Satz Geschichte: „Wir schaffen das“, so die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in Hinblick auf die zu erwartende Zahl an Flüchtlingen. Da waren schon Tausende Richtung Österreich unterwegs. Am 4. September die historische Entscheidung: Merkel und Kanzler Werner Faymann öffneten die Grenzen. Was folgte, ging als „Willkommenskultur“ in die Geschichte ein. 8.500 Menschen kamen allein am 5. September am Westbahnhof an. Sie wurden unter Applaus von hunderten Freiwilligen empfangen. „Was wir damals erlebt haben, war ein staatliches Multiorganversagen. Es wurde nur durch die Zivilgesellschaft kompensiert“, sagt Asylexperte Christoph Riedl von der Diakonie.

Eine Grafik zeigt die Entwicklung der Asylentscheidungen von 2014 bis 2019.

Überfordert

Tatsächlich wirkte die Politik überfordert, es gab zu wenig Quartiere, keine Strukturen für die Aufnahme so vieler Menschen – 88.340 suchten um Asyl an.

Die Folgen des Sommers wirken bis heute nach. So wurde das Asylgesetz novelliert, „Asyl auf Zeit“ eingeführt. Grundversorgung und Rechtsberatung wurden verstaatlicht. Obwohl die Kriminalität während der Flüchtlingskrise nur leicht anstieg (von 2015 auf 2016 um 3,8 Prozent), wurde der Ton im politischen Diskurs rauer. Hat Österreich aus den Geschehnissen gelernt? Nein, meint Riedl. Stattdessen seien Strukturen abgebaut worden. Auch ein derartiges zivilgesellschaftliches Engagement hält er nicht mehr für möglich. Dazu kommt: Eine EU-weite Asylpolitik fehlt weiterhin. Im griechischen Flüchtlingscamp Moria warten 14.000 Menschen.

Eine Grafik zur Entwicklung von Asyl-Ausreisen von 2014 bis 2019.

Der KURIER zeichnet die Schicksale von Flüchtlingen, die hiergeblieben sind und sich integrieren wollen, nach. Was wurde aus ihnen?

Ein Mann sitzt auf einer Parkbank und schaut auf sein Smartphone.

Ein Flag-Football-Spieler rennt mit dem Ball in den Händen über das Feld.

Ein junger Mann mit dunklen Haaren lächelt in die Kamera.

Ein lächelnder Mann steht vor einer Wand mit österreichischen und thematischen Motiven.

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