Traunseevilla-Urteil: Fünf Haftstrafen verhängt, Notar geht frei
Dieser Prozess um die Traunseevilla hat schon etwas Familiäres. Nicht nur, weil die angeklagte Anwältin Ehefrau und Schwester der beiden Angeklagten aus der Immobilienbranche ist. Oder der Notar, der rechts von ihr sitzt, ein guter Freund der Familie ist. Und der Angeklagte links von ihr ein langjähriger Kanzleipartner der Juristin.
Selbst mit der Immobilienmaklerin ist man gut bekannt - der Deal, wegen dem alle vor dem Richter sitzen, ist bekanntlich im Bierzelt im Salzkammergut angebahnt worden - vom Mann der Maklerin, der mittlerweile selbst als Beschuldigter in einem anderen Verfahren geführt wird.
Das Lebenswerk
Seine Chats waren großes Thema im Prozess, bei dem am Dienstag in Wels das Urteil gefällt wird. Die Angeklagten sollen zusammen einer mittlerweile verstorbenen Frau (83) ihr Lebenswerk abgeluchst haben: Die Pension Neuwirth, samt angeschlossener Villa, Seezugang und Bootshaus.
750.000 Euro haben sie gezahlt, laut Staatsanwalt ist das ganze Areal mindestens 1,65 Millionen Euro wert. Im Prozess hat er die Schadenssumme nochmals erhöht.
Zweiter Vorwurf: Falsche Zeugenaussagen. Denn der Kauf wurde auf dem Zivilrechtsweg rückabgewickelt. In diesen Prozessen hätten die Betroffenen als Zeugen nicht die Wahrheit gesagt.
Urteil nach fünf Stunden Beratung
Nach den Plädoyers (siehe unten) hatten sich die Schöffen mit dem Richter zu den Beratungen zurückgezogen. Fünf Stunden später wurde das Urteil verkündet, zuvor herrschte gespannte Stimme im Schwurgerichtssaal.
Der Richter spricht den Notar frei - und das ohne Zweifel. Die anderen Angeklagten werden zu Haftstrafen verurteilt und zwar wegen schweren Betrugs und zum Teil wegen falscher Zeugenaussagen.
Die Immobilienmaklerin wird zu 24 Monaten Haft verurteilt - acht davon unbedingt: Schwerer Betrug, Untreue und falsche Zeugenaussagen.
Die Anwältin wird zu 18 Monaten Haft verurteilt - sechs davon unbedingt - wegen schweren Betrugs. Ihr Ehemann, der Immobilienentwickler, bekommt 24 Monate aufgebrummt, acht davon unbedingt - wegen schweren Betrugs.
Ihr Bruder, ebenfalls Immobilienentwickler, bekommt 36 Monate, zwölf davon unbedingt - wegen schweren Betrugs.
Ihr Kollege, der Anwalt, bekommt 18 Monate, sechs davon unbedingt- wegen schweren Betrugs und falscher Zeugenaussage.
Der Schaden wurde vom Gericht mit 750.000 Euro beziffert für die Maklerin und die beiden Immo-Entwickler, für die beiden anderen mit 500.000 Euro.
Zur Kenntnis genommen habe die Angeklagten das Urteil auf der Anklagebank mit versteinerter Miene. Alle haben Nichtigkeit angemeldet und Berufung gegen die Urteile eingelegt. Die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab. Raschen Schritts verlassen die nicht rechtskräftig Verurteilten am Dienstag das Gericht.
Martina Tuschek-Dimas, die Tochter der Frau Neuwirth, wartete an diesem Dienstagfrüh am Eingang mit ihrem Ehemann Wolfgang auf die Angeklagten. Sie ist längst aus dem Haus ausgezogen, "als Privater kann man das nicht sanieren, man will sich ja nicht auf fünfzig Jahre verschulden", hat sie die umstrittene Villa aufgegeben.
Am Dienstag war sie da, weil sie "auf ein gerechtes Urteil" hofft. Aus ihrer Sicht: "Ein strenges. Die Angeklagten sollen nicht nur mit einer Geldstrafe davonkommen. Das tut ihnen nicht weh."
Für das Haus gebe es Interessenten. "Die warten auch alle auf das Urteil", spekuliert Wolfgang Tuschek und hofft, dass beides rasch über die Bühne geht. Der Prozess sowie der Verkauf der Liegenschaft.
Dann um einen Preis, den die Familie für angemessen hält. Denn die Angeklagten haben mit Gutachten und Aussagen zu belegen versucht, dass der von ihnen gezahlte Preis korrekt gewesen sei. "Was jetzt passiert, wird dem Lebenswerk der Frau Neuwirth nicht gerecht", hatte ein Angeklagter bei der letzten Verhandlung gesagt.
Prozess: "Ja, sie waren es!"
Der Staatsanwalt beginnt den Prozess am Dienstag mit seinem Plädoyer. Für ihn ist klar: "Nach dem Urteil des Bezirksgerichts, wo schon eine Verurteilungswahrscheinlichkeit wegen Betrugs angeführt war, wurde die Generalprokuratur eingeschaltet, um dieses Urteil aufzuheben." Diese habe das Zivilgerichtsurteil bestätigt.
Er ist überzeugt: "Die Täuschungshandlungen und Absprachen wurden nachgewiesen." Auch hätte die Liegenschaft wesentlich teurer verkauft werden können.
Er weist auf Ungereimtheiten zwischen Aussagen und tatsächlichen Fakten hin und fordert nach einem kurzen Plädoyer eine Verurteilung.
300 Fragen nicht beantwortet
Der Privatbeteiligtenvertreter Christoph Mizelli von Traunsteinlaw wird ausführlicher: "Nach sieben Prozesstagen und mehr als 300 nicht beantworteten Fragen ist die Antwort auf eine Frage klar: Ja, sie sind gemeinsam schuldig, ja, sie waren es." Das Ergebnis des Beweisverfahrens lasse keinen anderen Schluss zu.
Mit den Angeklagten rechnet er nochmals ab: "Die alte Frau war nicht mehr geschäftsfähig.“ Die Angeklagten hätten Druck ausgeübt, damit die alte Frau rasch unterschreibt, „weil ihnen sonst ein Schnäppchen durch die Lappen geht“.
Freier Markt ausgeschlossen
Mizelli ist überzeugt: "Der freie Markt wurde ausgeschlossen, indem der Vertragsabschluss am 14.10.2019 durchgezogen wurde." Die Angeklagten hätten die Frau Neuwirth nicht über den wahren Wert des Gesamtareals aufgeklärt – obwohl sie das machen hätten müssen.
Nur gemeinsam wäre dieses Schnäppchen zu holen gewesen, jeder habe seine Rolle gehabt.
Mizelli verweist erneut auf die „offenkundige Geschäftsunfähigkeit“ der alten Frau, die in einem zweieinhalbstündigen Termin zum Verkauf des Hauses, also ihres Lebenswerkes, gerade den sechs Angeklagten zwingend aufgefallen sein muss.
Der Tatbeitrag des Notars sei besonders bemerkenswert – er habe seine öffentliche Funktion missbraucht, damit diese Liegenschaft günstig verkauft werde. "Alle sechs Angeklagten sind schuldig im Sinne der Anklage", schließt Mizelli: „Die Angeklagten haben die Situation der alten Frau, die alleine sechs Personen gegenübergesessen ist, schamlos ausgenutzt.“
Ein Komplott der Angeklagten, ein Geschäftsmodell, das abzustellen sei, sagt er zu den Schöffen: "Noch schlechter als das Böse, ist das Gute, das das Böse nicht stoppt."
"Grauslich und schlampig"
"Meine Mandantin ist schlampig, aber sie ist keine abgebrühte Immobilienmaklerin", eröffnet der Verteidiger der Erstangeklagten sein Plädoyer. Es seien Fehler passiert, wie er sie noch nicht erlebt habe, aber "sie ist nicht das Böse". Der Preis für die Villa sei in Ordnung.
Unangenehm sei die Sache mit der Tippgeberprovision für ihren Ehemann: Dass sie diese an ihrem Arbeitgeber für ihren Mann vorbeigeschleust hat, „ist grauslich, aber nicht alles was grauslich ist, ist strafbar“. Das Strafgesetzbuch kenne keine Moralapostel.
"Keine Räubersbande"
Der Verteidiger gibt den Schöffen eine Aufgabe mit: „Die Geschichte der Staatsanwaltschaft läuft nur dann, wenn die Angeklagten alle eine Räubersbande sind. Wenn sie nur den geringsten Zweifel daran haben, müssen sie meine Mandantin freisprechen."
Dort hakt auch der Vertreter der beiden Immobilienentwickler ein: "Wenn Sie nur den geringsten Zweifel haben, müssen Sie die Angeklagten freisprechen.“
Er betont: "Die Frau Neuwirth wollte 750.000 Euro, sie hat 750.000 Euro bekommen. Wo steht, dass ich als Käufer hingehen und sagen muss: Liebe Verkäuferin, du muss mehr verlangen.“
Der Betrugstatbestand sei nicht dazu da, die freie Marktwirtschaft einzuschränken. Es sei „sozial adäquat“, einen Wissensvorsprung bei einem Geschäft zu nutzen. Und es gebe keine Verpflichtung, den Vertragspartner aufzuklären – auch nicht, wenn das Gegenüber schlecht informiert sei.
Unter anderem sei ein Freispruch zu verhängen, "weil es keinen Beweis dafür gibt, dass sie als Räubersbande einen Betrug gemacht hätten“.
"Nicht involviert"
Für die Anwältin betonte der Verteidiger: Sie sei nicht involviert gewesen, auch zog er die Objektivität der Nichte der Frau Neuwirth in Zweifel, die als wichtige Zeugin der Anklage diente: Sie sei als Betroffene gar nicht in der Lage, objektiv zu sein.
Außerdem sei innerfamiliär einiges problematisch gewesen. „Vielleicht wollte die Frau Neuwirth die Familie deshalb gar nicht näher einbinden.“ Und er betont: „Der richtige Wert ist der, den ein Käufer bereit ist zu zahlen.“
"Suppe ist nicht dünn, sondern nicht da"
"Sie entscheiden über das Leben von Menschen", richtete sich der Anwalt des Notars an die Schöffen, "über deren Arbeitnehmer, über Familien und über den Berufsstand des Notars."
Auch er macht Zweifel geltend: "In dubio pro reo, im Zweifel für den Angeklagten“. mahnt er ein und versichert: "Im Fall des Notars ist die Suppe nicht nur dünn, ich sehe nicht einmal eine Suppe." Nirgends sei eine Verabredung zwischen dem Notar und den anderen Angeklagten nachweisbar.
Sein Mandant habe Angst, was passiert, wenn er verurteilt wird. "Was passiert mit seinem Stiefsohn, mit den zwei kleinen Töchtern? Was passiert mit dem Berufsstand des Notars?", fragt der Anwalt und gibt eine Antwort: "Dann beglaubigt kein Notar mehr einen Vertrag.“
Und fügt noch eine Frage an: "Warum soll ein Notar so deppat sein, sich da einbinden zu lassen? Was ist ein Motiv? Du machst dich ja nur erpressbar.“ Auch er forderte einen Freispruch für seinen Mandanten.
Die Angeklagten schlossen sich im Wesentlichen ihren Verteidigern an. Danach zogen sich Richter und Schöffen zur Beratung über das Urteil zurück. Gerechnet wird, dass diese Beratungen mehrere Stunden dauern werden.
Kommentare