Krimi um Traunsee-Villa: Chats bringen Angeklagte in Bedrängnis
Dienstagfrüh, Landesgericht Wels. Die Hauptangeklagte aus der Immobilienbranche kommt zum sechsten Mal in die Maria Theresien Straße.
Bis zur Sicherheitsschleuse kommt ihre Begleitung mit, dort gibt es eine lange, innige Umarmung, Daumen werden gedrückt.
Den langen Gang zum Schwurgerichtssaal im Erdgeschoß geht sie alleine. Weißer Pulli, dunkle Hose, rosa Lesebrille. Sie wirkt trotz der langen Prozessdauer gefasst.
Die Anwaltsriege aus Wien ist zum Teil schon da, der Richter trifft erste Vorbereitungen, ehe es wieder zur Sache geht. Die Sache: Die Pension Neuwirth. Die Villa am Traunsee in Gmunden steht im Mittelpunkt dieses Justiz-Krimis, der am Landesgericht verhandelt wird. Es geht um Betrug und Falschaussagen vor Gericht.
Die Angeklagten
Die Immobilienmaklerin ist zwar die Hauptangeklagte, Dreh- und Angelpunkt sind allerdings eine Anwältin, sowie ein Anwalt und zwei Männer aus der Immobilienbranche. Die beiden Männer haben eine enge Bindung zur Anwältin.
Sie kommt - diesmal als letzte und wieder - im dunkelgrauen Hosenanzug, die blonden Haare zu einem Zopf gebunden, hellblauer Rollkragenpulli. Neben ihr sitzt der zweite angeklagte Anwalt, ihr Kollege aus der Kanzlei. Akkurater Scheitel, weißes Hemd, Anzug, Krawatte, Akten-Trolli. Mit seinem Anwalt bespricht er letzte Details.
Die beiden Männer aus der Immobilienbranche treten auf. Einer ist der Ehemann der Angeklagten, der andere ihr Bruder. Der Ehemann im modischen Sakko, moderne Brille, gewelltes und gegeltes kurzes Haar.
Der Bruder der Anwältin im beigen Sakko, schwarze Brille, gepflegter Vollbart, ein dicker Aktenordner vor sich. Diverse eindrucksvolle Immobilienprojekte haben sie schon zusammen entwickelt, die Villa am Traunsee in Gmunden hätte das nächste Projekt sein sollen.
Zuschlag bei Schnäppchen ging nach hinten los
Ein Schnäppchen hätte es sein sollen, 750.000 Euro für die Villa samt Bootshaus und Seezugang. Die Sache ist jedenfalls schon jetzt nach hinten losgegangen, unabhängig vom Ausgang des Strafverfahrens.
Denn ein Zivilgericht hat den Kauf rückgängig gemacht, die Staatsanwaltschaft sieht einen Betrug vorliegen. Schnellen Schritts mit lautem Gruß betreten die beiden Staatsanwälte die Bühne. Sie haben die Anklage geschrieben: Laut einem Gutachten sei das Haus mindestens 1,6 Millionen Euro wert. Die Angeklagten hätten es der alten Frau im Zusammenwirken abluchsen wollen, sind sie überzeugt.
Und auch ein Notar soll dabei mitgewirkt haben. Er sitzt ganz rechts, blaues Sakko, neben der Anwältin, auch ein guter Bekannter von ihr. Die Immobilienmaklerin muss heute erneut zur Befragung nach vorne.
Chats widerlegen Aussagen
Chats und Fakten bringen sie in Bedrängnis. Denn an dem Tag, an dem sie angegeben hatte, dass sie das Haus, das sie den Angeklagten erstmals in einem Bierzelt angepriesen hat, gemeinsam mit der Verkäuferin und einem Angeklagten besichtigt habe, war sie in Kroatien auf Urlaub, wie Chats beweisen. Und an dem Tag, an dem sie die Unterlagen an Frau Neuwirth übergeben haben will, war die Angeklagte selbst im Spital.
Viele Fragen beantwortet sie nicht, sie bleibt dabei, dass sie sich nichts Strafbares zu Schulden kommen habe lassen.
"Über den Tisch ziehen schaut anders aus"
Dabei bleibt auch der Bruder der angeklagten Anwältin. Obwohl die Chats auch belegen, dass seine Aussagen mit den tatsächlichen Fakten nicht in Einklang zu bringen sind.
Aber er dreht den Spieß um: „Für mich schaut über den Tisch ziehen anders aus“, sagt er, „da hätten wir alle Änderungsvorschläge nicht akzeptiert.“ Es sei nicht in Ordnung, ihn als "Unmensch" darzustellen: "Sogar eine Zeugin sagt, ich hätte nur das Beste gewollt.“
Vielmehr sei das Lebenswerk der Frau Neuwirth jetzt zerstört, die Familie wohnt nicht drinnen, das Haus verfällt, es wird nicht verkauft: „Das ist nicht das, was die Frau Neuwirth wollte.“
Was er jetzt anders machen würde
Wobei er einräumt: Er würde heute keine Verträge mit "Unvertretenen mehr abschließen", wie das bei Frau Neuwirth erfolgt ist. Bei Angeboten von alten Menschen läuten jetzt die Alarmglocken.
Und er betont: "Wir haben die Liegenschaft nicht zu günstig, aber nicht zu teuer eingekauft. Wir haben sie gut eingekauft. Im ganzen Fall Neuwirth ist niemand ein Schaden entstanden. Wir sind für alle Kosten aufgekommen." Deshalb verstehe er nicht, dass es so weit getrieben werde.
Ehepaar wird erneut befragt
Hintereinander kommen am Dienstag noch die beiden Eheleute zu Wort. Der Immobilienentwickler räumt auch ein, manches heute anders zu machen. Aber er ist sicher: Am besten wäre es für die Frau Neuwirth und die Familie gewesen, wenn der Verkauf des Hauses mit seiner Firma abgeschlossen geblieben wäre.
Die Rückabwicklung habe man gerichtlich bekämpft, weil er beweisen wollte: „Wir haben alles richtig gemacht.“
"Pension Neuwirth war kein Schnäppchen"
Auch er versucht, das Gutachten zum Wert des Grundstücks in Frage zu stellen – seiner Berechnung nach habe das Grundstück einen Wert zwischen 610.00 und 800.000 gehabt: „Die Pension Neuwirth ist kein billiges Schnäppchen. Sonst hätten andere längste zugeschlagen.“
Was der Richter und der Staatsanwalt ihm auch vorhalten: Dass sich erst heute aus einem Aktenvermerk bei der Bank ergeben habe, dass geplant war, das Haus der Frau Neuwirth „durchzuhandeln“, sprich: Bald weiter zu verkaufen. Was nicht im Sinne der Verkäuferin gewesen sei.
Käuferfamilie war entscheidend
Wobei gerade der Kauf durch eine bekannte Familie der Verkäuferin wichtig war. Was auch die Anwältin bestätigt: „Mein Mann hat mich gebeten, mich bei der Frau Neuwirth vorzustellen.“ Das sei der einzige Grund gewesen, bei der Vertragsunterzeichnung dabei zu sein. Inhaltlich habe sie gar nichts dazu beigetragen.
Sie bleibt dabei: Sie ist unschuldig, habe die Maklerin „nicht instruiert“ und nicht falsch ausgesagt. Den Richter bittet sie mehrmals bei ihren Aussagen: „Das müssen Sie mir glauben.“ Viele Fragen ließ sie unbeantwortet.
Schwarzbau ohne Wert?
Und der Anwaltskollege beteuert: Er habe in den Verträgen auch die Interessen der Verkäuferin berücksichtigt. Das Bootshaus selbst habe zum Verkaufszeitpunkt keinen Wert gehabt, weil es sich um einen Schwarzbau gehandelt hat, der erst später durch eine neue gesetzliche Regelung genehmigbar wurde.
Nach der abschließenden Befragung der Angeklagten zogen sich der Richter und die beiden Hauptschöffen zur Beratung über die Zulassung der eingebrachten Beweisanträge zurück. Ihre Entscheidung: Es werden keine weitere Beweisanträge mehr zugelassen, das Beweisverfahren ist damit abgeschlossen.
Das Urteil wird am 8. Oktober - nach den abschließenden Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung - verkündet.
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