„Sparer verlieren jährlich vier Milliarden Euro“

Klaus Kumpfmüller ist in Schärding aufgewachsen.
Nullzins der EZB nutzt den verschuldeten Staaten und geht auf Kosten der Sparer, sagt der künftige Hypo-Chef.

Klaus Kumpfmüller übernimmt mit 10. August die Position des Vorstandsvorsitzenden der Hypo OÖ. Der 51-Jährige lebt in Leonding, ist verheiratet und Vater einer 17-jährigen Tochter. Von 2011 bis 2013 war der gebürtige Schärdinger Vorstand der Bundesfinanzierungsagentur und von 2013 bis 1019 Vorstand der Finanzmarktaufsicht (FMA).

KURIER: Die Regierung setzt Maßnahmen zur Entlastung von Unternehmen und zur Unterstützung von Arbeitnehmern. Bringt das wirklich etwas?

Klaus Kumpfmüller: Ja, davon bin ich überzeugt. Die Antwort auf die Krise ist eine zweigliedrige. Es muss das Vertrauen wiederhergestellt werden, dass es aufwärtsgeht, damit die Menschen konsumieren. Wenn sie kein Geld ausgeben, wird die Wirtschaft nicht anspringen.

Das zweite Glied ist die Unterstützung der Unternehmen. Hier geht es um Notmaßnahmen wie die Liquiditätssicherung und Kurzarbeit, damit die Firmen nicht pleitegehen und die Arbeitsplätze erhalten bleiben. Das ist ebenfalls kurzfristig.

Was noch fehlt, sind Programme, damit sich die Wirtschaft langfristig erholt und in die richtige Richtung entwickelt. Die Gläubigkeit an die Effizienz der Globalisierung wird überdacht. Sie wird teilweise ersetzt durch die regionale Resilienz. Es ist nicht gut, wenn die Wirtschaft in allen Bereichen von der globalen Arbeitsteilung abhängig ist. Hier sollte es noch zusätzliche Maßnahmen der Politik geben.

Ist das nicht eine Illusion, denn letztlich entscheidet der Markt, sprich der Preis? Asien produziert billiger als Europa.

Es gibt derzeit ein Umdenken, dass nicht der Preis das alles Entscheidende ist. Man sieht das zum Beispiel daran, dass die regionalen Direktvermarkter sehr viel Geschäft machen. Es beinhaltet natürlich auch einen Teil an Krisenromantik, ich meine aber, dass dieses Umdenken richtig und wichtig ist.

Ein weiterer Bereich ist die Digitalisierung der Arbeitswelt. Es braucht zum Beispiel rechtliche Rahmenbedingungen für das Homeoffice.

Experten sehen die Maßnahmen der Regierung als Strohfeuer.

Es soll auch ein Strohfeuer sein, das den Aufschwung zündet. Es kann ja nicht sein, dass der Staat, sprich der Steuerzahler, den Konsum auf Jahre finanziert.

Das alles läuft über Verschuldung. Die Notenbanken fluten die Märkte mit Geld, die Zinsen sind extrem niedrig. Die Verschuldung (private Haushalte, Unternehmen, Staatsschulden) steigt auf mehr als 300 Prozent des weltweiten BIP. Ist das nicht ein Problem?

Für die österreichische Volkswirtschaft sehe ich kein Problem. Sowohl der Staat als auch die Haushalte sind im internationalen Vergleich sehr niedrig verschuldet. Man muss in Zeiten wie diesen Schulden machen, um bestimmte Effekte zu erzielen. Sie müssen sich aber im Zyklus wieder einpendeln. In guten Zeiten muss man sie wieder zurückführen, was die Regierung zuletzt gemacht hat.

Hohe Schulden führen zu einem niedrigeren Wachstum. Wir müssen uns an niedrigere Wachstumsraten gewöhnen.

Wir haben sie schon in den vergangenen Jahren gehabt. In Deutschland und Österreich hatten wir zu niedrige Zinsen. Die Europäische Zentralbank wollte anderen Ländern Liquidität zur Verfügung stellen. Das führte zu Ungleichgewichten, zum Beispiel bei den Immobilien.

Gibt es bei den Immobilien eine Blase?

Wir hatten in den vergangenen zehn Jahren hohe Preissteigerungen. Im internationalen Vergleich ist es keine Blase, sondern wir hatten einen Nachholeffekt. Das hängt mit der Politik der EZB zusammen, denn das Geld war billig und es gab für Veranlagungen keine Zinsen.

Die Börsenkurse brachen aufgrund der Corona-Krise um 30 bis 50 Prozent ein. Die Verluste wurden teilweise schon wieder aufgeholt, die Technologiewerte erreichen bereits neue Höchststände. Der ATX hingegen liegt noch mit 30 % in Minus. Liegen hier Überbewertungen vor?

Bei den österreichischen Aktien liegt sicher keine Überbewertung vor. Der österreichische Aktienmarkt ist leider unterentwickelt. Kontinentaleuropa hat keine gute Wertpapierkultur.

Eine der Lehren der Corona-Krise ist, dass die Unternehmen über zu wenig Eigenkapital verfügen und zusätzliches Risikokapital mobilisiert werden sollte. Ein Großteil des österreichischen Finanzvermögens liegt auf Sparbüchern, das sind 260 Milliarden Euro. Die Sparer verlieren aufgrund der negativen Realverzinsung vier Milliarden Euro pro Jahr.

Wie wird die Geldschwemme der Zentralbanken enden? Wird es Inflation (Erhöhung der Preise, Minderung der Kaufkraft, Geldentwertung, Anm.) oder Deflation (schwaches Wachstum, Rückgang der Preise, Anm.) geben?

Ich sehe eher das Deflationsszenario. Denn die EZB wird alles dafür tun, dass günstig Liquidität zur Verfügung steht, damit sich die Staaten ihre Schulden leisten können. Das spricht für niedrige Zinsen. Wenn der Zins null ist, ist ein Inflationsszenario eher unwahrscheinlich.

Der Euro ist ein System, wo es de facto bereits eine Umverteilung zugunsten der südlichen Länder gibt. Die Staaten in Südeuropa profitieren davon, dass sie für ihre hohen Schulden fast keine Zinsen zahlen müssen. Das ist eine Hilfe der gut funktionierenden Länder des Nordens gegenüber den Ländern des Mittelmeerraums.

Es heißt, dass Sie ein gutes Verhältnis zu Landeshauptmann Thomas Stelzer haben. Ist das so?

Ja.

Wie hat es sich aufgebaut?

Wir sind seit mehr als 30 Jahren befreundet.

Die traditionelle Bankenwelt ist aufgrund der Digitalisierung im Umbruch. Es kommt zu Konzentrationen, Filialen werden geschlossen, für den Kunden wird es schlechter. Wohin führt das?

Ich bestreite es, dass es für die Kundinnen und Kunden schlechter wird.

Ist es eine Verbesserung, wenn Filialen schließen und der Kunde seine Überweisungen bei steigenden Gebühren selbst machen muss?

Es geht darum, dass die Banken die Finanzdienstleistungen zu einem guten Preis, zu einer guten Qualität und in einer modernen Form zur Verfügung stellen. Das geht über verschiedene Kanäle, sowohl über den persönlichen Kontakt als auch digital. Viele sehen es als großen Vorteil an, einfache Bankgeschäfte wie Überweisungen selbst erledigen zu können.

Aber gerade jetzt in der Krisensituation zeigt sich auch, dass es wichtig ist, dass man in der Bank einen Ansprechpartner hat. Banken mit direktem Kontakt und mit Filialen haben Vorteile gegenüber jenen, die nur digital erreichbar sind. Hier zeigt sich der Mehrwert von Beraterbanken.

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