Massentourismus in Oberösterreich: Hallstatt schon wie Venedig?
Oberösterreich ist in Venedig derzeit stark präsent. Der Österreich-Pavillon der Biennale wird aus Oberösterreich kuratiert und von der Linzer Kunstuni-Professorin Anna Jermolaewa eindrucksvoll in Szene gesetzt.
Und in den Kanälen der italienischen Kulturstadt macht eine Plätte, die "Gondel der Alpen", aus dem Salzkammergut Werbung für die österreichische Kulturhauptstadt Region Salzkammergut 2024.
Ständiges Thema in Venedig: Übertourismus. Selbst die Fremdenführerin klagt, dass die Touristinnen und Touristen die Einwohner aus der Stadt vertreiben.
Tatsächlich ist die Einwohnerzahl in den vergangenen 20 Jahren von 271.000 auf 252.000 gesunken, nur 53.000 davon leben im historischen Zentrum.
Übertourismus ist auch Thema beim Arbeitsgespräch zwischen Thomas Stelzer (ÖVP), dem Landeshauptmann von Oberösterreich, und Roberto Ciambetti, dem Präsidenten des Regionalrates der Region Venezien, im Palazzo Ferro Fini.
Stelzer zieht nach dem Gespräch einen Vergleich zwischen Venedig und Hallstatt in Oberösterreich, was den Übertourismus betrifft: "Im Verhältnis ist Hallstatt ähnlich wie Venedig zu sehen."
Das sei beim Austausch über die Besucherproblematik und dem Ringen der beiden bei Touristen so beliebten Destinationen über eine sinnvolle Lenkung von Touristenströmen zu Tage getreten.
"Alles, was jetzt passiert, in Venedig und Hallstatt, ist als Experiment zu sehen", sind sich Ciambetti und Stelzer einig, dass noch keine Patentlösung gefunden wurde. Wobei Stelzer der regionalen Verantwortlichen in Hallstatt zugesteht, dass "sich die Gemeinde wirklich um Lösungen" bemühe und vieles ausprobiere.
Was Venedig schon macht
Rund 14 Millionen Besucher wollen jährlich Venedig sehen. Jetzt startet die Stadt am 25. April damit, an 29 Testtagen den Zutritt nach Venedig nur mit Registrierung und fünf Euro Eintritt zu gestatten - Nächtigungsgäste müssen sich auch registrieren, sind aber von der Gebühr ausgenommen.
Und: Reiseführer dürfen nur noch Gruppen mit maximal 25 Personen durch die Stadt führen.
Was Hallstatt macht und noch machen will
Hallstatt wie Venedig? "So arg ist es noch nicht", wehrt Christian Schirlbauer ab. Er ist Geschäftsführer der Tourismusdestination Dachstein Salzkammergut, zu der auch Hallstatt zählt.
Am heutigen Montag bestreitet er den ersten Abend des von seinem Verband initiierten Dialogforums Zukunft Salzkammergut. Seit einem Jahr werden mit einer KI-unterstützten Kamera die Besucherströme in Hallstatt aufgezeichnet.
Nach diesen ausgewerteten Daten sei man in Hallstatt noch weit von den immer kolportierten über 10.000 Besuchern täglich entfernt. "Wir haben an den stärksten Tagen 12.000 Menschen gezählt", sagt Schirlbauer.
Also Menschen, die nach Hallstatt rein- und wieder rausgegangen sind. Inklusive jener, die hier arbeiten und leben. 3.000 Besucher pro Tag - das könnte die valide Größenordnung sein.
37 Prozent Einwohner verloren
Was immerhin auch bis zu einer Millionen Gäste pro Jahr bedeuten würde. Viel für einen Ort mit 743 Einwohnern.
Einen Ort, der laut einer Erhebung für die Kulturhauptstadt mit 37 Prozent den größten Einwohnerschwund aller 23 Kulturhauptstadtgemeinden in den vergangenen 30 Jahren zu verzeichnen hatte.
Ein großes Thema, auch für Alexander Scheutz, SPÖ-Bürgermeister von Hallstatt. "Zu Ostern war es wieder heftig", erinnert sich Scheutz, "Juli, August und Weihnachten sind mit Ostern die intensivsten Zeiten."
Die Limitierung der Busse - alle müssen einen Slot für knapp mehr aus zwei Stunden buchen - hätte dazu geführt, dass statt über 100 nur noch maximal 54 pro Tag zufahren können. "An Spitzentagen haben wir jetzt 40 bis 50 Busse", weiß Scheutz.
Noch nicht im Griff ist das Thema der Individualtouristen. Tatsächlich sind von den vorhandenen 450 Stellplätzen etwa 300 für Touristen verfügbar. Scheutz: "Dann sind wir voll."
Landesstraße sperren?
Und dennoch drängen Gäste nach Hallstatt. "Die bleiben dann mit den Autos auf der Landesstraße stehen", ärgert sich Scheutz. Eine Möglichkeit: Diese Straße temporär zu sperren. Was nur schwer möglich ist, weiß Scheutz: "Da geht es auch nach Obertraun und in die Steiermark."
Thematisiert wird das beim laufenden Leader-Projekt, das zu einer tragfähigen und nachhaltigen Besucherlenkung für Hallstatt und die Umgebung führen soll. Eintritt zu verlangen ist aber (noch) kein Thema, könnte aber durchaus für Diskussionsstoff sorgen.
Dazu starten die Bürgerbeteiligungen und Workshops, informiert der Bürgermeister: "Wir müssen die Bevölkerung und die Nachbargemeinden dabei gut einbinden."
Gar keine Touristen will auch niemand
Denn eines ist fix: Keine Touristen will auch niemand. Deshalb sei auch die Bewerbung der Region in Venedig, wie mit der Plätten-Aktion bei der Biennale, gerechtfertigt und sinnvoll.
"Viele leben direkt davon, viele Betriebe und ihre Mitarbeiter hängen in zweiter und dritter Linie am Tourismus", weiß Schirlbauer.
Bauverhandlung für neues Hotel in Hallstatt
Apropos Zukunft des Tourismus in Hallstatt: Am Montag fand die Bau- und Gewerberechtsverhandlung für das Hotelprojekt Salzamt statt. Das Projekt soll über 200 Betten in Hallstatt bereitstellen.
Für Scheutz lebenswichtig: "Wir haben in der Region um Hallstatt 1.050.000 Nächtigungen, nur 145.000 davon in Hallstatt." Das könnte sich mit dem Hotel ein wenig zugunsten seiner Gemeinde drehen.
Ob es eine Baugenehmigung für das Projekt geben wird, konnte er im KURIER-Gespräch, für das er diese Bauverhandlung kurz verlassen hatte, noch nicht sagen. Denn vom Naturschutz gibt es ein negatives Gutachten dazu, räumte Scheutz ein.
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