Max Lercher: "Schluss mit dem Dritten Weg"

Max Lercher, Hoffnungsträger aus der Obersteiermark
Der 32-jährige Obersteirer fordert die Abkehr der SPÖ vom freien Markt.

Max Lercher gilt als Zukunftshoffnung der SPÖ. Er wird neben dem Gewerkschafter Willi Merny (51), dem Wiener Stadtrat Jürgen Czernohorszky (42), der Wiener SPÖ-Frauenvorsitzenden Marina Hanke (29) und der SJ-Vorsitzenden Julia Herr (26) für Spitzenfunktionen der Partei genannt. Trotz seines jugendlichen Alters war er bereits mehrere Jahre steirischer Landesgeschäftsführer. Christian Kern machte ihn 2017 zum Bundesgeschäftsführer, er musste aber im September 2018 auf Wunsch der neuen Parteichefin Pamela Rendi-Wagner Thomas Drozda weichen.

Gefragter Redner

Der 32-jährige Obersteirer ist auch in Oberösterreich ein gern gesehener Gast. So war er Referent beim Bezirksparteitag der SPÖ Grieskirchen-Eferding, er redete vor den Genossen in Puchenau oder in Schalchen (Bez. Braunau). Im Gespräch mit dem Oberösterreich-KURIER erläutert er seine Vorstellungen.

Falscher Wirtschaftskurs

Warum geht es der SPÖ relativ schlecht? „Gemessen an unseren europäischen Freunden haben wir Sozialdemokraten in Österreich noch einen guten Stand. Wir haben einen Staat gebaut, der in Europa fast am besten funktioniert. Mit einer unglaublichen Wohlstandsverteilung. Aber darauf dürfen wir uns nicht ausruhen“, sagt Lercher. „Da oder dort haben auch wir mit dem Dritten Weg begonnen, der von Tony Blair und Gerhard Schröder propagiert worden ist (Politik des freien Marktes, Abgrenzung zum Kollektivismus, Anm.d. Red.). Aber nicht so stark wie andere. Der Wirtschaftskurs war kurzfristig erfolgreich, aber langfristig ein Fehler. Weil er den Druck auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer spürbar erhöht hat. Die Sozialdemokratie hat in der Frage von Arbeit und Kapital, wo sie immer Schutz für die Arbeit gegeben hat, nachgegeben. Wir müssen den Dritten Weg revidieren, denn er hat uns in Summe Glaubwürdigkeit gekostet. Wir haben unter Christian Kern begonnen gegenzulenken. Aber wir müssen ein neues Fundament bauen, denn hier geht es um die Glaubwürdigkeit. Wenn ich mit den Arbeitern oder mit meinem Vater rede, der mit 60 Jahren 45 Beitragsjahre hat und dann noch bis 63 arbeiten muss, dann ist das für die Sozialdemokratie eine große Frage. Das braucht einen Kampf, da muss man stehen.“

Systemfrage stellen

Bei allen Erfolgen der Sozialdemokratie sei nur mehr eine gesellschaftspolitische Geschichte übrig geblieben, aber die wirtschaftspolitische sei nicht mehr da. „Das heißt, dass wir eine Systemfrage zu stellen haben. Wirtschaftspolitisch müssen wir wieder linker sein. Man muss der Politik wiederdie Handlungsfähigkeit geben. Es ist uns ja 20 Jahre lang erklärt worden, die Politik braucht man nicht, denn der freie Markt regelt sowieso alles. Man sieht, was da passiert. Wenn es brennt, ist die Politik ein gern gesehener Gast, aber dann heißt es, schleicht’s euch. Wie man das bei der Bankenkrise gesehen hat. Wir müssen entscheiden, wie der Fortschritt passiert. Wenn der Fortschritt bedeutet, dass nur der Druck am Arbeitsplatz höher wird, dann hat die Mehrheit das Recht zu sagen, diesen Fortschritt wollen wir nicht, wir wollen einen anderen. Diesen Menschen müssen wir eine Stimme geben. Das ist unsere Aufgabe als Sozialdemokratie.“

Ist heute ein Aufstieg noch möglich?

Wenn man das Finanzwirtschaftssystem betrachte, komme man zu folgendem Schluss: Man wird durch Arbeit nicht mehr reich. Es gebe eine gläserne Decke, die ganz viele nicht durchstoßen könnten. Aber ist jemand durch Arbeit jemals reich geworden? Lercher: „In der Generation meines Großvaters und meines Vaters war die Erkenntnis da, die Kinder werden mehr haben, es wird ihnen besser gehen. Diese Erkenntnis gibt es heute nicht mehr. Der Druck wird größer, die Freizeit wird nicht mehr, sondern weniger. Wir haben Kapitalmärkte, die vorgeben, wann Strukturmaßnahmen getroffen werden. Es wird ganz, ganz viel Geld gemacht, in Summe so viel wie noch nie, aber es wird denen nicht weitergegeben, die es erwirtschaften.“

Gerechtigkeit

Die SPÖ müsse die Gerechtigkeit im Wirtschaftssystem zur Fahnenfrage erklären. „Es ist höchste Zeit. Die negativen Dinge werden sozialisiert und damit auf den Rücken der Bevölkerung abgeladen, die Gewinne werden von den Privaten eingestreift. Wir müssen die Vision einer sozialen Demokratie entwickeln, die das Gegenstück zu den Türkisen und Blauen und zu den Ländern im Osten ist.“

Privatisierungen

Die Daseinsvorsorge wie z.B. die Wasserversorgung gehöre den Menschen und nicht privaten Firmen. „War die Privatisierung im Verkehr so gescheit? Mein Vater war Buschauffeur bei der Post. Die guten und gewinnbringenden Linien sind verkauft worden, den Rest hat man zugesperrt. Wir müssen da wieder hin und das bedingungsloser diskutieren.“

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