"Überleben" steht am Programm des Linzer Kultur Hofs gleich hinter der Tabakfabrik. Manuel Thalhammer hat an diesem regnerischen Freitagabend ein Heimspiel in der fast zu kleinen, aber feinen Kleinkunstbühne.
Der dortige Chef, Wolfgang Pfeiffer, ist jetzt Manager des Künstlers. Thalhammer ist eben erst berühmt geworden. Er hat die ORF Comedy Challenge gewonnen und bekommt eine eigene Show im ORF.
Aber noch ist es nicht so weit. Im Dezember wird es erste Gespräche gegeben. In Linz ist beim ersten Auftritt nach der Challenge jedenfalls die Hütte voll. Der Kultur Hof ist eine Zwischenstation, Thalhammer hat Anfragen für Auftritte, seit er im Fernsehen war: "Türen gehen auf, im Februar steh ich endlich im Posthof auf der Bühne".
Dass er dort hingehört, war ihm immer klar. Auch wenn er vor Corona vor 100 bis 150 Leuten, danach vor 20 bis 30 gespielt hat.
Thalhammer hat für das Gespräch das "Stern" am Graben in Linz vorgeschlagen. "Ein bisschen abseits vom Trubel, offen nach außen." Das mag er.
"I mog Linz vui gern"
Er mag auch, dass junge Leute raus gehen, sich den Lebensraum Straße nehmen, was immer mehr passiert. "I mog Linz vui gern", strahlt er.
Wie aber ist Linz, und was ist Linz für ihn?
In einem Satz fasst er das zusammen: "Ein bisschen wie in dem Video". Er meint das durchaus umstrittene Video des Tourismusverbandes Linz ("Linz ist Linz").
Es zeigt eine Stadt mit allen Ecken und Kanten, "ohne Schnickschnack und Klischee", es ist viral gegangen und es hat viele Preise eingeheimst. Und es sagt viel über seine Stadt aus.
Manuel Thalhammer selbst kommt ja aus Feldkirchen an der Donau. Er ist 37, wurde in Salzburg geboren, der Vater ist Oberösterreich, die Mutter aus dem Waldviertel in Niederösterreich. Als er sechs war, sind die Eltern mit ihm und seinen Geschwistern (der Bruder ist 35, die Schwester 31) nach Feldkirchen gezogen, weil sie dort die Golfgastronomie übernommen haben.
Am Gitarren-Unterricht gescheitert
Dort hat er dann geholfen, als der nach Volks- und Hauptschule in der BAKIP bei der Ausbildung zum Kindergärtner nach nur einem halben Jahr gescheitert ist. "Ich habe ab Montag nicht mehr schlafen können, weil ich am Mittwoch Gitarre-Unterricht hatte", erinnert er sich, "der Lehrer war zwar eine Koryphäe, aber pädagogisch eine Katastrophe.
Beim Schachermayer hat Thalhammer die Lehre zum Großhandelskaufmann absolviert. "Das war sehr super, da hat alles gepasst. Und ich war ein Einpendler, wie alle hier."
Da hat er die meiste Zeit in einem alten Bauernhaus in Feldkirchen verbracht: "Unser zweites Wohnzimmer, da haben sich Freundschaften entwickelt, die halten. Ein Zentrum für alternative Jugendkultur, abseits von Zelt- und Feuerwehrfesten."
Davor hat Thalhammer schon große Sprünge gemacht. Als Schispringer war er im oö. Landeskader, ist auf mittleren Schanzen bis auf 70 Meter gekommen, ehe er die Sprungski beiseite gestellt hat.
Was mit Kindern
Jedenfalls hat er noch geschafft, etwas zu machen, was ihm alle möglichen Tests empfohlen haben: Was mit Kindern. "Erst hat mir die Firma Schachermayer ermöglicht, die Matura nachzumachen", erzählt Thalhammer, "dann habe ich mit einem Selbsterhalterstipendium an der PädAk Linz die Ausbildung zum Volksschullehrer gemacht."
Dort hat ihn kein Gitarre-Lehrer mehr vom Weg abbringen können. Nur ein Toleranzsemester hat er sich genehmigt und ist mit seiner Freundin neun Monate durch die Welt gereist.
Auf Samoa sind die beiden in einen Zyklon geraten: "Das ist schräg, du weißt echt nicht, was passiert. Wir waren drei Tage in einem Haus verbarrikadiert, du hast nichts mehr selbst in der Hand." Erst bei der Abreise ist ihm das Ausmaß der Zerstörung bewusst geworden, die Bilder vergisst er nicht.
Leidenschaft auf Laienbühne entdeckt
Zu dem Zeitpunkt hatte er seine Leidenschaft fürs Theater, für die Bühne, entdeckt. "Der ledige Bauplatz" hieß das Stück des Feldkirchner Trachtenvereins, bei dem er als Sohn eines Wirten den Sohn eines Wirten mit Namen Xaver spielte.
Fun-Fact: Sein vierjähriger Sohn heißt Xaver, an die Rolle hat er bei der Namensgebung nicht mehr gedacht, beteuert der Kabarettist. Der zweite Bub, Laurin, ist übrigens gerade süße acht Monate alt.
Jedenfalls war ihm auf dieser Bühne klar: "Das taugt mir, da fühl ich mich wohl." Über Impro-Theater mit den Gruppen "Imperfekt", den "Impropheten" und den Zebras hat er auf unterschiedlichen Bühnen alles mögliche probiert. "Eine neue Welt in Sachen Kreativität", weiß Thalhammer heute, "hat sich mir eröffnet."
Jetzt gehört der dem Impro-Kollektiv "Wagner und Co" an, gemeinsam mit zehn österreichischen Schauspielern. Ob da jemand Bekannter dabei ist? Thalhammer antwortet wie aus der Pistole geschossen: "Jo, ich." Die Gruppe tourt mit verschiedenen Programmen in unterschiedlicher Besetzung durchs Land.
Zaudern und Zögern
Seine Solo-Karriere begann mit Zaudern und Zögern. "In Linz hat es einmal im Monat einen Poetry Slam gegeben. Ich bin drei, vier Monate hingegangen und hab mich nicht auftreten getraut", gibt er zu, "aber als ich mich endlich getraut habe, bin ich schnell gut angekommen."
Und er wurde, zumindest in der Szene, rasch bekannt. Kein einfaches Geschäft, weiß Thalhammer: "Da fährst du schon mal für einen sechs Minuten-Auftritt nach Vorarlberg oder Wien. Aber du bekommst ein Gespür für das Publikum."
Seit 2017 hat Thalhammer jedenfalls einen Vogel. Den Kleinkunstvogel Graz, eine Kabarettpreis, bei dem er den Publikumspreis abgeräumt hat. In der Zwischenzeit hat er in der Nachmittagsbetreuung in einer Schule am Froschberg in Linz zu arbeiten bekommen.
Und hat, passend dazu, sein erstes Programm geschrieben. "Lehrer ohne Klasse". Das war auch der Zeitpunkt, wo seine Freundin die Kabarett-Proben nicht mehr hören konnte und wollte. "Oida, i hoid des nimma aus", soll sie zu Thalhammer gesagt haben. Seine Schwester ist dann als Regisseurin eingesprungen.
Kabarettreife Familie
Wie wird man lustig? "Das liegt in der Familie, mein Papa ist auch extrovertiert, ihm fällt zu allem ein Spruch ein", streut er seinem Vater Rosen, "der Opa war auch so, und bei Familienfeiern rennt der Schmäh."
Jetzt schreibt er sich kleine Erlebnisse, Gesprächsfetzen, besondere Momente ins Handy, daraus macht er dann Szenen und Programme: "Das ist ziemlich harte Arbeit, es rinnt nicht immer gleich alles aus einem heraus."
Der ihm eigene Perfektionismus und eine Form des Selbstzweifels tun ihr übriges. Bei der ORF Show ist ihm aber eines gelungen: "Ich wollte auch nachdenklich machen. Das ist mir aufgegangen. Beim Finale habe ich gemerkt: Es reicht, wenn ich das mache, was ich bin. Das habe ich da endlich für mich verstanden. Zeigen zu können, was mich als Mensch ausmacht."
Das neue Programm, "Überleben", funktioniert. Jedenfalls im Kultur Hof. Auch wenn der ältere Herr in der Mitte weiter vorne, mit dem Einstieg nicht so gut zurechtzukommen scheint. Thalhammer beginnt mit Schweigen. Minutenlang. Und stellt dann die Frage, die uns auch das Leben immer wieder stellt: "War es das? Oder kommt da noch was?"
Kommt da noch was?
Was das damit zu tun hat, dass der Geschirrspüler immer zum unpassenden Zeitpunkt eingeht, wie die Politik in unser Leben reinspielt, warum man manchmal überlebt. Und manchmal eben nicht. Und dass es ziemlich lustig sein kann, wenn ein fiktiver Arnold Schwarzenegger, die "Steirische Eiche", bei seinem ersten Date auf eine Jaqueline trifft, die zufällig Holzfällerin von Beruf ist. Viel zum Lachen, einiges zum Nachdenken. Hingehen und Thalhammer schauen macht Freude. Und kann ein bisschen beim "Überleben" helfen.
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