Die Männer haben gearbeitet, die Frauen waren zu Hause.
Historisch gesehen war es eine Sondersituation und eine kurze Zeit, dass ein Familienmodell dermaßen verbreitet war. So gesehen ist es interessant, dass die Leitbilder, die damals vorgeherrscht haben, auch heute noch eine extreme Prägekraft haben.
Obwohl sich sehr viel verändert hat, werden Familienmodelle daran gemessen. „Alte Leitbilder und neuen Familienformen“, heißt es in einem Buchtitel von Elisabeth Beck-Gernsheim. Dies fasst gut und prägnant die Entwicklung zusammen. Wir haben heute vielfältige Lebensmuster, die aber an einem Familienmodell gemessen werden.
Die 1960-er Jahre sind die Generation der Babyboomer, die nun in den Ruhestand treten. In welche Richtung hat sich die Realität massiv verändert?
Seit den 70-er Jahren haben wir eine Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit. Seit den 1980-er Jahren ist auch die Erwerbstätigkeit der Mütter deutlich angestiegen, die meisten, insbesondere, wenn sie jüngere Kinder haben, sind teilzeitbeschäftigt.
Österreich gehört in Europa zu den Ländern mit einer der höchsten Teilzeitquoten und einer großen Diskrepanz zwischen der Teilzeitrate der Männer und Frauen.
Teilzeit ist nach wie vor weiblich.
Teilzeit ist stark weiblich dominiert. Es erleichtert, im Alltag Beruf und Familie zu vereinbaren, langfristig geht das aber mit negativen Folgen für die Pensionsansprüche und das Armutsrisiko einher.
Betreuung und Pflege sind nach wie vor weiblich.
Frauen haben heute teilweise eine höhere Ausbildung als Männer und sind, wenn sie keine Kinder haben, in einem ähnlich hohen Ausmaß erwerbstätig. Wenn es aber um die Aufteilung der Familienarbeit geht, schlagen die traditionellen Muster durch.
Das beginnt bei der Karenzzeit. Rund 20 Prozent der Männer unterbrechen ihre berufliche Vollzeit-Tätigkeit kurzfristig für die Karenz. Wenn ein Mann länger als drei Monate in Karenz ist, reden wir schon von einer langen Karenz, bleibt eine Frau nur ein Jahr in Karenz, sagt man, sie war kurz in Karenz. Daran sieht man, wie traditionell die Erwartungen sind.
Die Mütter sollen sich um die Kinder kümmern.
Die Anspruchshaltungen an Mutterschaft haben sich ebenfalls verändert. Da geht es um mehr als sich zu kümmern. Wir reden in der Forschung vom Ideal des intensive mothering, der intensiven Mutterschaft, bei der die Bedürfnisse des Kindes höchste Priorität haben.
Mütter sollen liebevoll, einfühlsam auf die Kinder eingehen, viel Zeit und Energie in deren Förderung investieren, zugleich berufstätig sein, aber auch hauptverantwortlich den Haushalt managen, egal ob sie in einer Partnerschaft leben oder alleinerziehend sind.
Dieses Bild der Supermutter ist kaum zu erfüllen.
Es ist insofern nicht zu erfüllen, weil Mütter nicht nur Idealen rund um Mutterschaft, sondern wie alle anderen auch jenen im Beruf Rechnung tragen müssen. Die Leistung für die Firma wird noch immer stark an der Anwesenheit gemessen und Anwesenheit mit Einsatz gleichgesetzt.
Gerade Mütter mit jungen Kindern haben es daher schwer, in beiden Bereichen hundert Prozent, idealerweise 120 Prozent zu geben. Das geht sich nicht aus.
Als Hauptgrund dafür, dass die Frauen in Karenz gegangen sind, wurde meist argumentiert, dass die Männer mehr als die Frauen verdienen.
Das eine ist das Ökonomische. Das ist aber nicht der einzige Grund. Traditionen und Normen, aber auch fehlende Betreuungsstrukturen spielen da durchaus auch eine wichtige Rolle. Wir haben in Österreich nach wie vor sehr tradierte Rollenkonzepte im internationalen Vergleich.
Noch immer glaubt die Hälfte der Menschen, dass es für ein Kleinkind nicht gut ist, wenn die Mutter erwerbstätig ist. In Dänemark oder Schweden liegt dieser Wert bei zehn bis 15 Prozent.
Wer prägt diese Vorstellungen?
Die traditionellen Einstellungen kommen deutlich stärker von der älteren Bevölkerung als von der jüngeren Generation. Wenn man sich aber das Verhalten anschaut, schaffen es selbst die Jüngeren nicht, ihre Idealvorstellungen auch umzusetzen.
Junge Väter befürchten noch immer, zum Teil zu Recht, zum Teil zu Unrecht, dass es sich beruflich negativ auswirkt, wenn sie länger in Karenz gehen oder auf Teilzeit reduzieren.
Gibt es Rahmenbedingungen, die man ändern müsste, um der Realität gerecht zu werden? In Schweden muss zum Beispiel der Mann mindestens ein Monat in Karenz gehen, damit das Karenzgeld ausbezahlt wird.
Bei der Karenz haben wir rechtliche Regelungen. Partner können sich das aufteilen. Trotzdem wird es nicht in der Form umgesetzt. Wir wissen aus anderen Ländern, dass es Regelungen braucht, bei denen die Männer mindestens ein halbes Jahr in Karenz sind.
Nur dann bestünde die Chance, dass die Mütter wieder früher einsteigen. Wir in Österreich haben eine vergleichsweise lange Karenzzeit, die die gängigen traditionellen Muster eher verfestigt.
Karenz bedeutet meist einen Karrierebruch.
Mütter bleiben nicht nur vergleichsweise lange in Karenz, sondern steigen nach der Elternkarenz über viele Jahre wieder in Teilzeit ein. Hier muss sich noch viel im Denken und im konkreten Praktizieren verändern. Neben Betreuungsangeboten, rechtlichen Möglichkeiten, muss sich auch das Verhalten ändern, damit in Zukunft neue Lebensformen nicht an alten Leitbildern gemessen werden.
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