Gemütlich tuckert der Zug aus dem Bahnhof, verlässt das Linzer Stadtgebiet. Draußen regnet es in Strömen, wir beobachten die vorbeiziehende Landschaft, das Abteil ist beinahe menschenleer. Entlang der S3/Summerauerbahn ist dieses Jahr das Festival der Regionen angesiedelt.
Orte, Städte, verlassene Gebäude und Plätze im öffentlichen Raum werden von 23. Juni bis 2. Juli von nationalen und internationalen Kunstschaffenden bespielt. Das aktuelle Thema der heurigen Saison: „Höchste Eisenbahn“.
Im Zug im Gespräch
Renée Chvatal ist die Organisatorin des Festivals. Im Zug-Gespräch erzählt sie von den Highlights des Programms, wie die Bevölkerung darauf reagiert und was Veranstaltungen wie diese für die Region bedeuten können.
KURIER: Seit 30 Jahren gibt es das Festival der Regionen, heuer findet die 16. Ausgabe statt. Wie geht man an so ein Jubiläum heran?
Renée Chvatal: Es hat gar keinen extremen Fokus bekommen. Das Festival gibt es seit 1993, es wurde von vielen kulturaffinen Menschen ins Leben gerufen, um mehr in die ländlichen Regionen zu gehen. Es hat sich aus- und weiterentwickelt. Wir haben das Jubiläum genutzt, um alles neu zu reflektieren, auch die Strukturen, von null auf. Daraus hat sich ergeben, dass es keinen einzelnen Intendanten mehr geben sollte, sondern ein Kollektiv. Deswegen hat jetzt erstmals ein fünfköpfiges Team die künstlerische Verantwortung.
Inhaltlich gibt es eine schöne Klammer: Vor 30 Jahren ist schon ein Mal ein Zug nach Horní Dvořiště über die Grenze nach Tschechien gefahren, damals gab es auch ein Event am Bahnhof. Das machen wir heuer zur Eröffnung wieder. Diese Zugfahrt ist eines der Highlights aus dem Programm.
Der Einbezug der Bevölkerung in die einzelnen Kunstprojekte ist ja seither großer Bestandteil des Festivals: Wie gut oder schlecht funktioniert der?
Ganz unterschiedlich. Wir waren in allen Gemeinden, haben mit den Bürgermeistern geredet, da sind wir überall offen empfangen worden. Es gibt Gemeinden, in denen Workshops stattfinden werden. Der Bürgermeister von Steyregg war zum Beispiel begeistert vom Klimaschwerpunkt: Er sieht die Jugendlichen im Ort durch Einzug der Identitären gefährdet und freut sich, dass sie in eine andere Richtung motiviert werden.
Das Konzept war und ist ja, in Orte zu gehen, in denen nicht viel los ist: Was soll damit erreicht werden?
Das Einbinden der Leute ist nicht immer leicht. Wir wollen etwas Nachhaltiges schaffen, etwas, das bliebt, etwas Verbindendes. Das ist manchmal eine Herausforderung, aber es gibt Projekte, die Spuren hinterlassen haben. Über manches, wird Jahre später im Dorf noch geredet.
Mobilität & Klimaschutz
Das Thema „Höchste Eisenbahn“ ist ja hoch aktuell. Wie schlägt sich das im Festival nieder?
Wir haben einige Projekte zum Thema Klima, mit der Frage: Wie können wir konstruktiv in die Zukunft gehen? Der Zug ist noch nicht abgefahren, aber es ist höchste Eisenbahn, um zu reagieren. Es haben viele Kunstschaffenden die Klimathematik aufgegriffen, auch Mobilität ist präsent. In einem Projekt geht es darum, wie man öffentlichen Raum wieder für sich gewinnen kann. Wir haben Schwerpunkttage gesetzt, die das Festival leiten, wie das erste Wochenende in Freistadt, das zweite Wochenende in Gallneukirchen mit dem Klangfestival. Ausstellungen und Kunst im öffentlichen Raum gibt es immer zu besichtigen.
Was ist der praktische Anspruch des Festivals?
Unter anderem, dass man für wenig Geld zehn Tage lang die Region bereisen kann, beim Festivalpass sind die Benutzung der wichtigsten Buslinien sowie der S3 Summerauerbahn gratis dabei. Man kann sich extrem frei bewegen.
Ist es das ein Ziel, die Leute weg vom Auto und in die Züge und Busse zu bringen?
Unbedingt. Es war uns von Anfang klar, dass wir Leute in den öffentlichen Verkehr, weg vom Auto, kriegen wollen. Zum Teil auch, um anzustoßen, dass die Infrastruktur nicht in allen Bereichen perfekt ausgebaut ist. Freistadt ist ein gutes Beispiel. Die Stadt liegt vier Kilometer vom Bahnhof entfernt, ohne Anbindung. Da wird es Shuttlebusse geben. Gallneukirchen versucht auch seit 20 Jahren, eine S-Bahn zu bekommen. Wir wollen diese Punkte thematisieren und pushen.
Unser Ticket-Konzept ist so ausgelegt, dass alle Leute, die mit dem öffentlichen Verkehr kommen, belohnt werden. Der Festivalpass für Autofahrer kostet 40 Euro, wer nur öffentlich unterwegs ist, zahlt 20 Euro. Kinder und Jugendliche bis 15 Jahre sind gratis, wir wollen familienfreundlich agieren. Es ist möglich, alle Stationen öffentlich zu erreichen.
National & international
Das ist wahrscheinlich das erste Mal in der Geschichte des Festivals, dass es diesen Schwerpunkt auf öffentlichen Verkehr gibt?
Ja, das kann man so sagen.
Wie viele Kunstschaffende sind aus Österreich, wie viele aus anderen Ländern mit dabei?
Wir hatten mehr als 260 Einreichungen in einer sehr kurzen Einreichzeit. Wir haben sehr viel Wert darauf gelegt, dass neue, frische Künstlerinnen und Künstler zum Zug kommen, wir wollten weg von bekannten Namen. Das Thema hat allgemein sehr viel Anklang gefunden. Wir haben sogar von einer Universität im Libanon Anfragen zur Einreichung bekommen. Insgesamt gibt es 20 regionale, neun nationale und sieben internationale Projekte. Derzeit sind wir bemüht, noch Ukrainerinnen reinzubekommen, da sind aber die Förderanträge aktuell noch offen.
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