Horst Schlager: Ein (r)echter Freund

Horst Schlager, „Pensionist und selbständig (sic) bei Voestalpine“. So präsentiert sich der ältere Herr um die 70, der in Garsten leben und aus Ansfelden (beides Oberösterreich) stammen will, seit 20. Februar in seinem Facebook-Profil.
Nur: Horst Schlager gibt es in Wirklichkeit nicht. Er ist ein – offenbar sehr lebensnahes – Produkt des Linzer Ars Electronica Centers (AEC).
Seit 1979 analysieren und kommentieren die Mitarbeiter und Forscher des AEC die digitale Revolution. Projekte, Strategien und Kompetenzen für die digitale Transformation werden entwickelt, es geht um Kunst, Technologie und um die Gesellschaft.
Generiertes Bild
Horst Schlagers Foto stammt aus einem kostenlos verfügbaren Bildgenerator im Internet, hinter der Kunstfigur stecken Mitarbeiter des AEC. Ihre Namen wollen sie nicht in der Zeitung lesen – um sich und ihre Familien vor Shitstorms zu schützen.
Eine Art Shitstorm hat auch Horst Schlager über sich ergehen lassen müssen – weil er den 80. Geburtstag der Schauspielerin Uschi Glas gepostet hat. Sehr zum Ärger seines da bereits beträchtlichen Freundeskreises aus Rechtsextremen und einschlägigen Verschwörungstheoretikern, weil Uschi Glas sich für das Impfen ausgesprochen hatte.
„Wir wollten uns die Szene anschauen“, sagt der Mann, der hinter Horst Schlager steht, im KURIER-Gespräch, „weil es tendenziell gerade bei Klima- und Migrationsthemen viele Hasskommentare gibt.“
Was das AEC-Team überrascht hat: Dass ihr Horst Schlager mit wenigen patriotischen Postings – etwa ein Schnitzel oder Hinweise zu passenden Demonstrationen – und diversen Kommentaren und wütenden Likes zu einschlägigen Themen rasch bis in die höchsten Kreise vernetzt war.
Horst hat viele Freunde
Unter anderem habe er seine Glaubwürdigkeit durch das Folgen einschlägiger Medien und bekannter Personen erhöht und konnte rasch auf Kontakte zurückgreifen, die mit ihm interagierten.

Die Profile seiner „Freunde“ einen die Themen: Neben Migration und Klima noch Corona, Impfen, Russland. Und auch Transgender.
Horst Schlagers Alter Ego erklärt: „Viele dieser Fake-Freunde sehen sich als Verlierer des Systems, als vom Staat geschädigte Opfer. Bei der Klimadiskussion etwa haben viele das Gefühl, jede Veränderung wird in erster Linie wieder nur sie treffen.“
Aber die Diskussionen und Kommentare gehen oft viel weiter – obwohl sich das AEC-Team mit Facebook jenes Medium ausgewählt hat, das im Vergleich zu Telegram noch als moderat und nicht zu extrem gilt.
Wiederbetätigung
Die Spitze des Eisbergs war ein Posting einer Frau aus Steyr, die unter falschem Namen auf Facebook einen Kommentar hinterließ, der sich als strafrechtlich relevant herausstellen sollte: Sie hat die Existenz des Holocaust geleugnet, ebenso die Existenz von Gaskammern und Konzentrationslagern.

Und sie war mit der Kunstfigur Horst Schlager befreundet. Über diese Verbindung konnte die wahre Identität der Frau herausgefunden werden. Sie wurde wegen Wiederbetätigung angezeigt, das Verfahren läuft.
„Es herrscht bei vielen Leuten so ein geringes Bewusstsein, dass man sich in einem sozialen Medium auch im öffentlichen Raum befindet“, analysiert das AEC-Team im Zuge des Projektes, „dort werden Sachen geschrieben, die man etwa am Hauptplatz in Linz niemandem sagen würde.“
Auch weitere Postings wurden angezeigt: Vier „Freunde“, die ausgerechnet an Hitlers Geburtstag Inhalte wie dessen Lieblingsspeise (Eiernockerl) in Verbindung mit problematischen Aussagen gepostet hatten. Wobei die Menschen hinter Horst Schlager eines auch klar zum Ausdruck bringen: „Nicht jeder, der rechts ist, ist ein Nazi.“
Geschäfte mit der Angst
Häufig gehe es den Protagonisten, denen das AEC-Team über Horst Schlager sehr nahegekommen ist, um Geschäftemacherei: „Oft sehr plump und simpel. Erst wird Angst, etwa vor Veränderungen, erzeugt, dann werden Vorträge zu diesen Themen angeboten. Leute zahlen 40 Euro dafür.“
Für eine Vermittlung in einem Museum, die von hoch qualifiziertem Personal durchgeführt werde, sei den Leuten dafür oft vier Euro schon zu viel.
Der Appell des AEC-Teams nach der Studie: „Wir haben gemerkt, dass es sehr wenig bringt, Screenshots von Postings der Polizei zu schicken.“ Da sei man auf „auffälliges Verständnis“ für die Inhalte gestoßen.
Viel mehr Erfolg habe gebracht, Postings der Staatsanwaltschaft zu schicken oder bei Extremismusmeldestellen melden. Oder direkt über die Website banhate.at melden. Wir haben das oft gemacht und gemerkt: Sie machen dann weniger Postings.“
Kommentare