Linzer Nibelungenbrücke: Autofrei oder nicht ist hier die Frage

Nebelig und regnerisch ist es auf der Nibelungenbrücke. Ungemütlich. Das ist es für Radfahrer und Fußgänger auch, wenn die Sonne scheint. Es ist laut und eng.
Ein Rennradfahrer zuckelt auf dem laut Handy-App 66 Zentimeter breiten Radstreifen hinter einem Essenslieferanten hinterher, während auf der anderen Seite zwei Radfahrer ihr Gefährt aus Platzmangel schieben.
„Ich würde diese Brücke nie mit dem Rad überqueren“, sagt eine Fußgängerin. Die Brücke autofrei machen? „Nein, aber zwei Spuren den Radfahrern geben, wäre schon gerecht.“ Ein älterer Mann hingegen hätte kein Problem mit der Sperre für Autos: „Die Situation ist eine Katastrophe.“
Ein Taxifahrer regt sich erst einmal über den Vorschlag auf. Als er hört, dass Taxis, Einsatzfahrzeuge oder Busse weiterhin fahren dürfen, hält er die Sperre zumindest für diskutabel. In der Apotheke an der Brücke hält man eine Sperre für "kontraproduktiv".
Also was soll mit der umstrittenen Brücke passieren?
Die Pläne der Politik
Die Grünen fordern jedenfalls, die Nibelungenbrücke autofrei zu machen. Nur mehr öffentlicher Verkehr, Straßenbahnen, Und zwar spätestens ab Verkehrsfreigabe der Westringbrücke. Eine „utopische Diskussion“, die der oberösterreichische Verkehrslandesrat Günther Steinkellner (FPÖ) „für beendet erklärt“ hat. Und die auch der Linzer ÖVP-Vizebürgermeister Marin Hajart nicht weiter führen will.
Ihre Lösung: Mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger durch die Reduzierung der derzeit vier Fahrspuren für Autos um jeweils eine pro Fahrtrichtung. Eine verkehrstechnische Untersuchung, die verschiedene Varianten und deren Auswirkungen auf den Verkehr analysiert, wurde von Stadt und Land gemeinsam beauftragt. Überprüft werden in Verkehrssimulationen die Reduzierung um eine Spur sowie um zwei Spuren. Wie sich eine generelle Sperre für Autos auswirken könnte, wird nicht überprüft.
Die Genehmigung zum Bau einer Brücke an dieser Stelle erhielt Linz von Kaiser Maximilian I. per „Brückenbrief“ vom 3. März 1497.
24.000 Fahrzeuge fuhren am stärksten Tag 2022 über die Brücke allein in Fahrtrichtung Linz. Im Schnitt fahren knapp 18.000 Fahrzeuge Richtung Linz, und 17.000 Richtung Urfahr – täglich.
An einem Schultag queren 798 Bahnen (inkl. den Bergbahnen/Pöstlingbergbahnen) planmäßig die Nibelungenbrücke.
An Radfahrspitzentagen queren rund 3.000 Radfahrer die Brücke Richtung Linz, etwa 2.000 Richtung Urfahr.
Abgeleitet aus punktuellen Zählungen rechnet die Stadt mit 6.000 bis 8.000 Fußgängerquerungen je Richtung bei schönem Wetter.
Mehrheit für Autos
Unterstützung kommt – außer von den Grünen – von allen Parteien in Linz. Die Neos fürchten ein Verkehrschaos bei einer Sperre für Autos, aber mehr Platz für Radfahrer unterstützt Georg Redlhammer. Das sagt auch LinzPlus, Lorenz Potocnik will allerdings nicht auf die Eröffnung der Westringbrücke warten. Autos von der Brücke verbannen gehe aber gar nicht. Dem pflichtet die KPÖ bei und Michael Schmida ist auch für eine raschere Reduzierung der Fahrstreifen zugunsten des Radverkehrs: „Jetzt ist es eine Katastrophe.“
MFG-Gemeinderat Norbert Obermayer hält die Debatte „für ein politisches Theater“, ihm fehlt ein Gesamtkonzept, und Clemens Brandstetter (WANDEL) ist überzeugt, dass „die Mobilitätswende nicht auf der Nibelungenbrücke“ stattfinden werde.
Auch aus der Wirtschaft kam sofort ein Aufschrei, als die Forderung nach der autofreien Brücke auftauchte. „Die Linzer Unternehmer brauchen die Nibelungenbrücke“, sagt Wirtschaftsbundobmann Markus Raml. Viele Kunden würden durch ständigen Stau vor allem in Urfahr verloren gehen. Ähnlichlautende Kritik aus der Wirtschaft gab es auch in Wien, als der Verkehr aus der Mariahilfer Straße verbannt wurde. Dort ist aber genau das Gegenteil eingetreten.
Diskussion gestartet
Simon Tschannett, Mitglied des Linzer Klimabeirats und Oliver Schrot, Leiter der Klimastabstelle am Magistrat Linz, sind sich einig, dass Radfahren, zu Fuß gehen und der öffentliche Verkehr gestärkt werden müssen.
Am Beispiel der Nibelungenbrücke „wird der Klimadiskurs in Linz sichtbar“, sagt Schrot. Dem pflichtet Tschannett bei, der es als wichtiges Signal wertet, das über Linz hinaus wirkt, wenn es bei der Nibelungenbrücke zu einer Veränderung komme. Darüber hinaus stellt er klar, dass es gerade im motorisierten Individualverkehr „lauter einzelne Maßnahmen brauche, die nicht groß genug sein können“.
Ein Verkehrschaos bei der Sperre der Brücke für Autos fürchtet Tschannett nicht: „Das kann gut klappen. Bei guter Kommunikation und Vorbereitung findet der Verkehrskollaps nicht statt. Das hat man bei der EM 2008 gesehen, als der Ring in Wien wochenlang gesperrt war.“
Blick auf die Brücke
Siegfried Atteneder, Leiter der Abteilung Architektur an der Kunstuni in Linz blickt aus dem vierten Stock des Brückenkopfgebäudes jeden Tag auf die Nibelungenbrücke hinunter. „Es ist absurd, wie da die Automassen mitten in der Stadt verschoben werden“, leitet er die Antwort auf die Frage zur Nibelungenbrücke ein und knüpft gleich an: „Es geht um viel mehr, als nur die Nibelungenbrücke, da geht es auch um einen autofreien Hauptplatz. Dort wird die Qualität durch die Autos zerstört.“
Die Diskussion, wie sie aktuell von Stadt und Land geführt werde, zeige deutlich wo diese stehen würden: „Wir brauchen unbedingt eine Reduzierung des Individualverkehrs, die Autos müssen raus aus der Stadt, wir brauchen gute Fahrradverbindungen, Platz für Fußgänger, bessere Takte im öffentlichen Verkehr. Und Stadt und Land tun nur kosmetisch herum.“
Auf den Westring zu warten, hält er für nicht hilfreich: „Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren, aber der Westring löst den Verkehr nicht. Das ist nur eine weitere Stadtautobahn.“ Für ihn ist klar: Eine autofreie Nibelungenbrücke müsse aus stadtplanerischer Sicht eine Option sein, sagt Atteneder und konkretisiert, wem diese vorbehalten sein soll: „Straßenbahn, Busse, Taxis, Einsatzfahrzeuge, Lieferanten und ordentliche Spuren für Radfahrer und Platz für Fußgänger.“
Er hält es für ein Versäumnis, dass Stadt und Land die völlig autofreie Nibelungenbrücke in der jetzt beschlossenen Verkehrsanalyse nicht einmal überprüft.
Ins selbe Horn stößt auch Franz Koppelstätter vom Architekturforum Oberösterreich. Der Architekt hat sich in den vergangenen Monaten über das Projekt „Gemeinderad“ intensiv mit Linzer Verkehrsfragen beschäftigt.
Zum Thema Nibelungenbrücke autofrei oder nicht will er sich nicht positionieren. Er sagt aber: „Sanfte und aktive Mobilität müssen gefördert werden. Und es findet zu wenig Diskurs über Mobilitätsfragen statt.“ Auch aus seiner Sicht müsste zumindest die Verkehrssimulation auch für eine autofreie Nibelungenbrücke erstellt werden, „um eine faktenbasierte Entscheidung treffen zu können“.
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