"Keine Chance": Stadt Linz kämpft mit Kampagne gegen Sexismus
„Die patriarchalen Strukturen in unserer Gesellschaft sind einer der Hauptgründe, weshalb Frauen häufig Opfer häuslicher Gewalt werden“, sagte Eva Schuh, Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums Oberösterreich nachdem am Montag in Linz ein 41-jähriger Iraker drei Mal auf seine Ehefrau eingestochen haben soll. Nun scheint die Stadt diesen patriarchalen Strukturen mit einer Kampagne für mehr Gleichstellung ein Ende setzen zu wollen.
"Rollenklischees, Patriarchat, Frauenfeindlichkeit und eine Kultur, welche Gewalt und Belästigung duldet, ist stets zu bekämpfen", nannte Frauenstadträtin Eva Schobesberger (Grüne) die Beweggründe dafür, auf die EU-weite Kampagne aufzuspringen. Linz ist damit - nach Graz - die zweite österreichische Stadt, die an "JUMP" teilnimmt. Der Beschluss im Gemeinderat fiel einstimmig. Ganz nach dem Motto "Gib Sexismus keine Chance" soll mit der Kampagne nun gegen Ungleichbehandlung im großen und kleinen Stil vorgegangen werden.
Probleme am Arbeitsplatz
"In einer offenen, modernen und gleichberechtigten Gesellschaft hat Sexismus keinen Platz. Und doch begegnet er uns nach wie vor täglich und überall", sagte Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) in der Pressekonferenz. "Wir wollen nicht nur für Gleichberechtigung, sondern für reale Gleichstellung kämpfen. Ob in Medien, Kultur, in der Werbung oder am Arbeitsplatz."
Letzterem widmen sich auch einige der Sujets: So hieße es bei einer Schwangerschaft gegenüber einer Frau oft "Schade, sie hatte großes Potenzial", während dem werdenden Vater gratuliert wird. Die Sujets würden "teilweise überspitzt dargestellt" sein, um für mehr Aufmerksamkeit zu sorgen, so Schobesberger.
Linzerinnen arbeiten 57 Tage "gratis"
Denn wie groß die Schere zwischen den Geschlechtern nach wie vor ist ist, zeigt auch eine aktuelle Berechnung der Arbeiterkammer Oberösterreich. Demnach fiel der Equal Pay Day in Linz im vergangenen Jahr auf den 5. November 2022. Somit würden Linzerinnen im Durchschnitt im Vergleich zu Linzern 57 Tage "gratis" arbeiten - das entspricht einem Einkommensunterschied von 15,6 Prozent auf Basis ganzjähriger Vollzeiteinkommen.
Um solche Unterschiede zu verhindern, müsse man tradierte Rollenbilder überwinden, so Personaldirektorin Brigitta Schmidsberger. Je mehr Gleichberechtigung desto weniger Chance habe Diskriminierung und Sexismus.
Bei Streit "nach Zucker fragen"
Bereits im April 2022 hatte die Linzer ÖVP einen Antrag für mehr Sensibilisierung dahingehend eingebracht. "Nach einer Studie des Österreichischen Instituts für Familienforschung wurden drei Viertel der Frauen (74,2 Prozent) und ein Viertel der Männer (27,2 Prozent) im Erwachsenenalter schon einmal sexuell belästigt", hieß es darin.
Als Sexismus bezeichnet man die Diskriminierung auf Basis des Geschlechts.
Sexismus am Arbeitsplatz wird vom Europarat zur Bekämpfung Sexismus etwa wie folgt definiert: "...abfällige Kommentare, Objektifizierung, sexistischer Humor oder Witze, aufdringliche Bemerkungen, Personen zum Schweigen bringen oder sie ignorieren, überflüssige Bemerkungen über Kleidung und körperliche Erscheinung, sexistische Körpersprachen, mangelnder Respekt und männliche Praktiken, die Frauen einschüchtern oder ausschließen und andere Männer begünstigen."
Realisiert wird die Kampagne "Gib Sexismus keine Chance" nun vom Linzer Frauenbüro in Zusammenarbeit mit dem städtischen Kommunikationsressort. Neben der Plakat-Kampagne im gesamten Stadtgebiet gebe es auch ein Info-Angebot für Bürgerinnen und Bürger. Man wolle die Zivilcourage stärken. "Bei sexistischen Bemerkungen im Alltag einschreiten aber auch wenn Nachbarn lautstark streiten - anläuten und nach Zucker fragen", führt Schobesberger als Beispiele an.
Auch wolle man selbst gleich Vorbild sein, weshalb alle Führungskräfte der Magistrats und der Unternehmensgruppe der Stadt Linz (UGL) zu einem Vortag über "Genderkompetenz" geladen werden.
Kommentare